Sechsundfünfzigster Vortrag: Zweiter Vortrag über das apostolische Glaubensbekenntnis.
Wenn das kananäische Weib durch einen schnellen Ausruf, wegen ihres schnellen Glaubens unter dem Beistande Christi sowohl erhielt, was sie begehrte, auch auch erzwang, was ihr vorenthalten wurde1 ; wenn der ägyptische Eunuch, gleichsam im Vorübergehen, auf der Reise, das Geheimnis des Lebensbades fand, es im Vorübergehen an sich riß2 ; wenn der Hauptmann Cornelius, ehe er noch in den Taufbrunnen hineinstieg, zu Christus kam3 ; wenn der Schächer im Augenblick des Todes noch das Paradies erlangte4 wer könnte dann euch das Leben verweigern, nach dem ihr in diesem Augenblick5 verlangt? In gläubigem Gemüte also empfangt das Glaubensbekenntnis und bemühet euch, im Laufe der Zeit auch zum Verständnis der Glaubensgeheimnisse zu kommen Als Moses das Gesetz verkünden wollte, rief er Erde und Himmel an6 . Was soll der Priester7 anrufen, wenn er die Gnade vermitteln will? Jener sagte: "Richte deinen Blick zum Himmel und ich will reden, und hören soll die Erde die Worte aus meinem Munde"8 . Ich will sagen: "Merke auf, Gott! ich will reden. Und hören soll der Mensch die Worte aus meinem Munde." Jener sagte: "Wie Regen soll meine Rede erwartet werden und wie Tau hernieder steigen S. 305meine Worte"9 . Ich will sagen: "Es möge dein Geist kommen wie Tau und reichlich fließen deine Gnade wie ein Strom, und die Flut himmlischer Rede möge uns fließen zum ewigen Leben". Jener sprach: "Weil ich den Namen des Herrn angerufen habe, verherrlicht unsern Gott!"10 . Ich will sprechen: "Ich habe angerufen die Treue Gottes, darum glaubet eurem Gotte!" Und weil das Schifflein unseres Leibes durch das vierzigtägige Fasten vorbereitet ist, so müssen wir jetzt die Glaubensformel, die Zusammenfassung unseres himmlischen Wandels verkünden, damit wir uns in fester Hoffnung, durch das Meer dieser ganzen Welt, auf den unsicheren Fluten der irdischen Welt Schätze er werben, die für die Ewigkeit bleiben. Nehmet also hin das Glaubensbekenntnis und harret der Erfüllung11 ; denn wem nicht der Glaube vorangeht im Samen, dem wird auch die Erfüllung12 nicht folgen in der Frucht.
Bezeichnet euch mit dem Zeichen des Kreuzes! Das gesprochene Wort schafft das Hören, das Ohr empfängt den Glauben, der Glaube gebiert die Überzeugung, die Überzeugung nährt das Bekenntnis, das Bekenntnis verleiht ewiges Heil. Das ist es, worin sich mein Wort mit dem eurigen begegnet, wo sich Glaube und Glaubensbereitschaft so eng um fassen, wo sich das Heil grüßt mit dem Worte des Bekenntnisses. "Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater." Das Wort bekennt und offenbart das ganze Geheimnis der Dreifaltigkeit. Es nennt nur [einen] Gott, keine Götter, weil der christliche Glaube glaubt an den einen Gott in der Dreiheit; er kennt den Vater, er kennt den Sohn, er kennt den Hl. Geist, aber keine Götter. Die Gottheit ist dreifach in den Personen, aber eine Gottheit in der Dreiheit. Der Unterschied in der Dreifaltigkeit liegt in den Personen, das Wesen ist nicht geteilt13 . Ein Gott, aber in der Dreiheit; nur ein Gott, aber nicht ein einsamer Gott. Die Gottheit wird nicht S. 306durch die Dreiheit geteilt, nicht durch die Einheit gemischt. Das meint das Glaubensbekenntnis, wenn es sagt: "Ich glaube an Gott". Gleich fügt es hinzu: "den Vater". Wer glaubt an den Vater, bekennt den Sohn, wer an den Vater und den Sohn glaubt, soll nicht suchen nach Altersstufen, nicht nachforschen nach Gradunterschieden, nicht argwöhnisch denken an eine zeitlose Abfolge, nicht eine [zeitliche] Zeugung verlangen, nicht fragen nach einer [zeitlichen] Geburt; wer an Gott glaubt, hat Göttliches bekannt, nichts Menschliches. Aber der Irrlehrer wird vielleicht sagen: "Wie kann ein Vater sein, wenn er nicht früher ist? Wie kann ein Sohn sein, wenn er nicht später ist? Wie ist es möglich, dass der Erzeuger [dem Erzeugten] nicht einen [zeitlichen] Anfang gibt? Dass der Erzeugte von seinem Erzeuger keinen An fang erhält? So lehrt es [doch] die Vernunft, so ist es doch der Gang der Natur!"
Du irrst, Irrlehrer! Das ist [gewiß] das Urteil der menschlichen Vernunft, die göttliche Vernunft kennt das nicht! So ist es bei der irdischen Natur, die Natur der Gottheit leidet das nicht. Die menschliche Schwachheit wird empfangen und empfängt, wird geboren und gebiert, wird gezeugt und zeugt, nimmt einen Anfang und gibt ein Ende, er leidet den Tod und macht ihn allgemein14 , und bewahrt so in dem Nachkommen, was Folge seiner Bestimmung und Natur ist. Gott aber zeugt nicht in der Zeit, weil er keine Zeit kennt, er gab keinen Anfang, weil er keinen Anfang kennt; er verhängt kein Ende, weil er kein Ende hat. Vielmehr zeugte er so aus sich den Sohn, dass alles, was in ihm war, auch sei und bleibe in dem Sohne. Die Ehre des Erzeugten ist zugleich die Ehre des Erzeugers, die Vollkommenheit des Erzeugten der Abglanz des Erzeugers, eine Verminderung des Erzeugten würde in sich schließen eine Verunrehrung des Erzeugers. Wenn du das hörst, Irrlehrer, sollst du nicht sagen: "Wie ist das möglich?" Du hast "Gott" bekannt, du hast den "Vater" bekannt, deinen Glauben an den S. 307Allmächtigen bekundet. Wenn du [nun noch] zweifelst, hast du gelogen; wenn du sprichst: "Ich glaube", wie willst du nun nicht glauben? Wenn du nun noch diskutierst, wenn du nun dies noch für unmöglich hältst, hast du die Allmacht, die du eben noch bekannt hast, wieder geleugnet. Wir aber, die wir den Vater und den Sohn und den Hl. Geist in einer Majestät und Herrlichkeit bekannt haben, wollen nunmehr bekennen den Glauben an die Menschlichkeit des Herrn.
"Und an Jesum Christum, seinen einzigen Sohn, unsern Herrn." Nachdem der Sohn Gottes wie der Tau auf das Vlies15 mit dem vollen Öl der Gottheit sich ergossen hat in unser Fleisch, ist er von dem Öl genannt worden Christus. Und nur ein Träger dieses Namens existiert, welcher so übergossen und durchdrungen ist von dem göttlichen Wesen, dass er als Mensch und Gott nur ein Gott war. Diesen Namen des Öles goß er dann auch aus über uns, die wir nach Christus "Christen" heißen. Und so ist erfüllt worden, was gesungen wird in dem Hohen Liede: "Ausgegossenes Öl ist dein Name"16 . "Und an Christum Jesum, seinen Sohn." Jenes [Christus] deutet das Geheimnis an, dieses [Jesus] weist hin auf den Triumph. Denn wie er als von Gott gesalbt sich einen Namen erwarb von dem Öle, so nahm er von dem Erlösungswerk den Namen "Heiland", indem er der Welt das verlorene Heil wiedergab. Oft haben wir schon gesagt, dass Erlöser17 soviel in lateinischer Sprache heißt, was Jesus in der hebräischen. "Und an Christum Jesum, seinen Sohn." Wessen Sohn? Natürlich: Gottes, des Vaters. Wenn du also sagst: "An Jesum, seinen Sohn", bekennst du, dass Jesus, der von Maria geboren ist, Gottes Sohn sei. Hüte dich also, in Christo [nur] einen Menschen zu bekennen18 , sondern bekenne immer, dass er Gott sei, wie der Apostel sagt: "Und wenn wir Christus dem Fleische S. 308nach gekannt haben, kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr"19 "Unsern einzigen Herrn." Das Wort20 bezieht sich auf beides, insofern er sowohl der einzige Sohn des Vaters ist als auch unser einziger Herr. Auch andere sind Söhne, auch andere sind Herren, aber sie haben beides nur durch die Gnade empfangen. Nur Christus allein hat und besitzt die Sohnschaft und die Herrschaft von Natur aus. "Der geboren ist vom Heiligen Geist aus Maria der Jungfrau."
Wenn nach dem Evangelisten das, was aus ihr geboren ist, vom Hl. Geiste ist21 , weil Gott ein Geist ist22 , so soll der Irrlehrer auch bekennen, dass Gott geboren ist aus jungfräulichem Fleische, und nicht mehr soll er fürderhin das himmlische Geheimnis, die Jungfrauengeburt, nach irdischen Begriffen zur Versöhnung der irdischen Schwachheit herabwürdigen! "Der gekreuzigt worden ist unter Pontius Pilatus und begraben." Du hörst den Namen des Richters, damit du die Zeit des Leidens er kennst; du hörst von seiner Kreuzigung, damit du aus der Schimpflichkeit seines Todes erkennst die Größe seiner Liebe, damit du wissest, dass der Tod, der durch den Baum gekommen ist, getötet worden sei wieder durch das Holz [des Kreuzes], und damit du glaubest, dass dir noch Größeres wieder zurückgegeben worden sei durch den Baum des Kreuzes23 , als du verloren zu haben klagst durch den Baum des Paradiese. Du sagst: "Begraben", damit du durch das Bekenntnis von seinem Begräbnis seine wahre menschliche Natur, seinen wahren, nicht seinen Scheintod bekundest, dass er den Tod auf sich genommen und überwunden habe, eingegangen sei in das Reich der Unterwelt und wieder von dort zurückgekehrt sei, dass er verfallen sei dem Machtbereich der Unterwelt, aber die Macht der S. 309Unterwelt vernichtet habe, alles ein Zeichen der Macht, nicht der Schwäche. Du bekennst dann: "Am dritten Tage wieder auferstanden", damit du erkennst, dass die Auferstehung Christi ein Sieg der ganzen Dreifaltigkeit gewesen sei24 . Du sagst: "Aufgefahren in den Himmel", damit du an den Herrn des Himmels glaubst, damit du bekennst, dass er dorthin zurückgegangen sei, von wo er gekommen war; denn nach Überwindung des Teufels, nach Bezwingung des Todes, nach Erlösung der Welt triumphiert Christus über den Himmeln, er, der als besiegt galt auf der Erde.
Du rufst aus: "Sitzet zur Rechten des Vaters", damit, weil Vater und Sohn nur ein Gott sind, weil beiden gleiche Macht gebührt, auch auf dem göttlichen Thron keine Erniedrigung bestehe durch das Sitzen zur Linken. "Von dannen er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Toten." Denn bei der Ankunft Christi werden die Toten sich erheben, die Lebendigen sich einfinden, damit sie in gleicher Weise Rechenschaft ablegen über ihre Taten. Weil wir bisher das Geheimnis der Menschheit des Herrn bekannt haben, wollen wir nunmehr übergehen zum Bekenntnis der Gottheit des Geistes. Wir glauben an den Heiligen Geist". Ihn bezeichnet uns Gottes Wort als Gott, wenn es heißt: "Denn Gott ist Geist"25 Wir glauben an den Hl. Geist, den der Prophet als Mithelfer des Vaters und des Sohnes besingt: "Durch das Wort des Herrn sind die Himmel befestigt und durch den Geist seines Mundes all ihre Kraft"26 . Ganz Gott ist, die ganze göttliche Kraft besitzt der, der sich bezeugt als den Schöpfer der Kräfte des Himmels. Wir glauben an die heilige Kirche". S. 310Denn so hat sie Christus in sich aufgenommen, dass er sie teilnehmen ließ an seiner Gottheit. Wir glauben "an die Nachlassung der Sünden". Denn wer durch Christus und die Kirche zu einem neuen Menschen wiedergeboren ist, hat nichts von den alten Sünden mehr an sich.
"Wir glauben an die Auferstehung des Fleisches", damit wir auch glauben, dass der Grund für das Leiden, den Tod und die Auferstehung Christi der gewesen sei, dass auch wir auferstehen werden von den Toten, Das Fleisch wird auferstehen, und so wird es auferstehen, wie wir sind, damit die [Identität der] Person wieder erkannt wird, damit auch der Märtyrer seine Freude habe über die Bestrafung des Verfolgers, damit auch der Verfolger seine Bestrafung erhalte aus der Verherrlichung des Märtyrers. "Wir glauben an ein ewiges Leben", dass es nämlich nach der Auferstehung weder ein Ende gebe für die Guten noch für die Bösen. Bezeichnet euch [mit dem Zeichen des Kreuzes]! "Den Glauben, den wir glauben und lehren, wollen wir nicht mit Tinte auf Papier, sondern im Geiste in unsere Herzen einzeichnen. Wir wollen es unserem Gedächtnis einprägen, nicht einem Buche, damit dieses Gottesgeschenk nicht geschändet werde durch Menschenwerk, damit nicht ein irdischer Kritiker sich heranwage an das Geheimnis des Himmels, damit nicht den Ungläubigen zum Verderben sei, was den Gläubigen zum Leben ist. Die Sonne bringt triefenden Augen kein Licht, sondern nur Finsternis. Der Wein stellt die Kräfte der Fiebernden nicht wieder her, sondern schwächt diese noch mehr und ist ohne Arzt ein tödliches Gift für das Leben. So ist auch für die Ungläubigen das Geheimnis des Glaubens ohne den Glauben [des Herzens] verderbenbringend, wie der Apostel sagt: "Vom Hören kommt der Glaube, der Glaube aber vom Worte"27 . Und so möge die Lehre des Lebens, der Glaubensvertrag das Gesetz des Heils nicht eingegeben werden denen, die S. 311dem Tode verfallen werden, sondern eingeprägt werden dem lebendigen Geiste.
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Mt 15,22-28 ↩
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Apg 8,26-40 ↩
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ebd 10,1-48 ↩
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Lk 23,43 ↩
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in articuli temporis ↩
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Dt 32,1 LXX ↩
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sacerdos auch = Bischof ↩
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Dt 32,1 LXX ↩
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Dt 32,2 LXX ↩
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ebd 32,3 ↩
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accipite ergo fidem, expectate rem ↩
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res ↩
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personis Trinitas distincta est, non est dicisa substantiis ↩
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refundit ↩
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vgl. Ps 71,6 ↩
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Hl 1,2 ↩
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salvator ↩
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gegen die Nestorianer gerichtet ↩
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2 Kor 5,16 ↩
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"einzig" ↩
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Mt 1,20 ↩
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Joh 4,24 ↩
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Migne hat irrtümlich an dieser Stelle paradisi statt crucis ↩
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verstehe: Durch die Erwähnung der Zahl 3 ↩
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Joh 4,24. Die Schriftstelle ist in keiner Weise beweiskräftig. ↩
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Ps 32,6 ↩
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Röm 10,17 ↩