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Werke Petrus Chrysologus (380-450) Ausgewählte Predigten Ausgewählte Predigten (BKV)
VIII. Thematische Homilien ohne Anlehnung an einen Schrifttext

Zweiundsechzigster Vortrag: Predigt am Feste der Erscheinung des Herrn.

S. 340Wenn auch schon in dem Geheimnisse der Menschwerdung des Herrn selbst jeden Augenblick die Anzeichen seiner Gottheit hervorleuchten, so bekundet und offenbart doch gerade das heutige Fest in vielfacher Weise, dass wahrhaft Gott in menschlichem Leibe erschienen sei. Niemals sollte die stets in Dunkelheit gehüllte sterbliche Welt aus Unwissenheit wieder verlieren, was sie zu erhalten und zu besitzen einzig und allein der Gnade verdankt. Denn derjenige, welcher für uns geboren werden wollte, wollte unter uns nicht unbekannt bleiben; deshalb offenbarte er sich uns so deutlich, damit nicht das große Geheimnis der Liebe werde zum Anlaß eines großen Irrtums. Heute findet der Magier den, welchen er suchte in seinem Glanze an Sternenhimmel, weinend in der Wiege. Heute bewundert der Magier offen den in Windeln, den er verborgen in den Sternen lange geduldig schaute. Heute überdenkt der Magier in tiefem Staunen das, was er sieht; wie nämlich in der Erde der Himmel, im Himmel die Erde, in Gott der Mensch, in dem Menschen Gott, der vom ganzen Weltall nicht erfaßt werden kann1 , in einem so kleinen Körper verschlossen sein könne. Und weil der Magier solches zu ergründen, solches zu erfassen nicht vermag, fällt er gleich anbetend nieder. Denn er sieht, dass so hell nicht leuchten am Himmel die Sterne, der Mond, die Sonne, wie er glänzen sieht das Fleisch auf der Erde2 ; er sieht in einem und demselben Körper der Gottheit und der Menschheit Vereinigung geschehen.3 . Sofort beugt er sich gläubig S. 341vor seinem Gott, erkennt ihn als König, sieht im Geiste ihn schon sterbend aus Liebe zum Menschengeschlechte, und mit bangem Gemüte erwägt er, wie es geschehen sollte, dass Gott sterbe, dass der getötet würde, der dem Leben wiedergegeben war.4 . Und so läßt der Magier ab, das durch seine Kunst zu erforschen, was er durch Kunst nicht finden kann. Und weil er erkennt, dass er am Himmel lange genug mit den irrenden Sternen geirrt habe, frohlockt er nun, dass er auf Erden durch die Leitung eines einzigen Sternes zu Gott gelangt sei.

Der Magier erkennt, dass alles, was am Himmel geschaut wird, auch wenn es dem menschlichen Auge noch so klar ist, doch mit einem tiefen Geheimnis verhüllt ist. Und jetzt, wo er sieht, bekennt er durch die geheimnisvollen Geschenke, dass er glaubt und nicht mehr zweifelt: durch den Weihrauch [bekennt er] seine Gottheit, durch das Gold sein Königtum, durch die Myrrhe den sterblichen Menschen. Mit Weihrauch [verehrt er] Gott, mit Gold den König, um durch reichen Liebesdienst den wieder zu versöhnen, wider den er durch vorwitzigen und falschen Sternendienst sich vergangen und versündigt hatte; und so erfüllt er jene Prophezeiung, welche viele auf den Eunuchen aus Äthiopien beziehen wollen: "Äthiopien wird zuerst seine Hände zu Gott erheben"5 . Es sieht der Magier Christum und erhebt vor dem Juden seine Hände; denn in demselben Augenblick, als der Jude frevelhaft Christum dem Herodes auslieferte, bekannte ihn der Magier durch seine Ge schenke als Gott. Darum ward auch der Heide, der der Letzte war, auf den ersten Platz erhoben6 ; denn durch den Glauben der Magier empfing die Glaubensgeneigtheit der Heiden ihre Weihe, die Glaubenshärte der Juden ihre Schande. Heute geschah es auch, dass Christus in das Bett des Jordans stieg, um die Sünde der Welt abzuwaschen. Dass er dazu erschienen war, bezeugt Johannes, indem er spricht: "Sehet das Lamm Gottes, das hinwegnimmt S. 342die Sünden der Welt!"7 . Heute also hält in seiner Hand der Knecht den Herrn, der Mensch Gott, Johannes Christum, er hält ihn, um Verzeihung zu erlangen, nicht zu erteilen. Heute erfüllt sich das Wort: "Die Stimme des Herrn erschallt über den Wassern!"8 . Welche Stimme? "Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe"9 . Darum "erscholl heute die Stimme Gottes über den Wassern, damit Gott der Vater selbst, der Zeuge seines Sohnes, durch sein dreifaches Zeugnis10 die Wahrheit der Abkunft seines Sohnes beweise:

'Dieser ist mein geliebter Sohn'." Denn ein anderer war nicht da, der hiervon Zeugnis geben könnte. Das Zeugnis des Vaters duldete keines Zuschauers Gegenwart, göttliche Zeugung duldet keinen Zeugen, die Gottheit läßt sich nicht von außen her erkennen, wie der Sohn selbst sagt: "Niemand kennt den Sohn als der Vater, und niemand kennt den Vater als der Sohn"11 . Heute schwebt auch der Hl. Geist über den Wassern in Gestalt einer Taube, damit, gleichwie jene Taube Noes verkündet hatte, dass die Flut gewichen sei12 , durch die Erscheinung dieser [Taube] erkannt würde, dass der ewige Schiffbruch der Welt beendet sei. Denn [diese Taube] trug nicht wie jene nur einen Zweig des alten Ölbaumes herbei, sondern sie goß die ganze Fülle des neuen Salböls aus auf das Haupt des neuen Stammvaters, damit in Erfüllung ging, was der Prophet gesagt hatte: "Darum hat dich Gott, dein Gott, mit dem Öle der Freude gesalbt vor deinen Genossen"13 . Heute erschallt Gott über den Wassern." Ganz mit Recht "über den Wassern" und nicht "unter den Wassern", weil Christus der Taufe nicht unterworfen war, sondern herrschte über die Sakramente. S. 343Heute "läßt der Gott der Herrlichkeit den Donner erdröhnen"14 . Wenn also der Vater vom Himmel niederdonnern läßt, wenn der Sohn in des Jordans Wogen steigt, wenn der Hl. Geist in leiblicher Gestalt von der Höhe erscheint: wie kommt es, dass dieser Jordan, der doch einst bei dem Nahen der Bundeslade zurückwich15 ,nun nicht zurückbebt vor der Gegenwart der vollen Dreieinigkeit Gottes? Warum? Wer der Liebe dient, hört auf, ein Sklave der Furcht zu sein! Hier wirkt die göttliche Dreifaltigkeit nur Gnade; nur lautere Liebe enthalten ihre Worte; dort aber züchtigt Gott die Elemente, um seine Diener zu erziehen zur Furcht. Mitten unter diesem gewaltigen Ereignis steht Johannes unerschüttert da; denn der kann der Furcht nicht dienen, welcher, wie der Engel bezeugt, ganz zur Gottesliebe geboren ist!16

Heute machte Christus durch die Verwandlung des Wassers in Wein17 den Anfang seiner himmlischen Wunderzeichen, damit er, wie ihn der Vater durch seine Stimme als Sohn bestätigt hatte, auch selbst sich durch Wunderwerke als Gott beweise; damit er, der die Elemente verwandeln kann, sich erweise als den Urheber derselben, dass er, der Übernatürliches zu wirken vermag, die Natur selbst geschaffen habe. In Wein verwandelt er das Wasser, damit so in der Kraft der Gottheit erstarken möge die Schwäche unserer Natur. Denn der, welcher fünf Brote durch stetes Brechen und durch geheimnisvollen Zuwachs zur Sättigung von fünftausend Menschen verteilen und vermehren konnte18 , hatte auch Macht, zur Hochzeitsfeier die Weinkrüge mit allmählicher Vermehrung zu füllen und sie unausschöpfbar zu machen. Doch das Wasser sollte auch noch verwandelt werden in sein geheimnisvolles Blut, damit Christus den aus dem Gefäße seines Leibes Trinkenden den echten Becher darreichen konnte, auf dass erfüllt würde, was der Prophet gesagt: "Und mein berauschender Becher, wie herrlich ist er!"19 . S. 344In dreifacher Weise wird heute also die Gottheit Christi bestätigt: durch die Geschenke der Weisen, durch das Zeugnis des Vaters, durch die Verwandlung des Wassers in Wein, weil nach dem Ausspruche der Schrift jede Sache auf dem Zeugnisse von dreien beruht, da sie sagt: "Auf der Aussage zweier oder dreier Zeugen soll jede Sache feststehen"20 . Weil uns nun die Festfeier selbst zum Tische des Herrn, zum Freudentrunke jenes Kelches hinzutreten mahnt, so genügt es, den reichen Strom der Rede abzuschließen mit dem kurzen Worte; Durch unsern Herrn Jesum Christum, der da lebt und regiert jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen.


  1. vgl. 3 Kön 8,27 ↩

  2. dieser Ausdruck soll nur die Wirklichkeit des menschlichen Leibes Christi besonders hervorheben. ↩

  3. Divinitatis et humanitatis convenisse commercium ↩

  4. Restitutus vitae, wenn nicht zu lesen ist restitutor vitae, Wiederbringer des Lebens ↩

  5. Ps 67,32 ↩

  6. vgl. Lk 14,10 ↩

  7. Joh 1,29 ↩

  8. Ps 28,3 ↩

  9. Mt 3,17 ↩

  10. statt des unverständlichen "per" bei Migne lese ich "ter", d. i. der dreifache Inhalt des Festes ↩

  11. Mt 11,27 ↩

  12. Gen 8,11 ↩

  13. Ps 44,8 ↩

  14. Ps 28,3 ↩

  15. Joh 3,15-17 ↩

  16. vgl. Lk 1,16 ↩

  17. Joh 2,1-11 ↩

  18. vgl. Mt 14,13-22 ↩

  19. Ps 22,5 ↩

  20. Mt 18,16 ↩

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