3. Auf Gestalt und Materie des als Idol dienenden Gegenstandes kommt nichts an.
Früher gab es lange Zeit hindurch keine Idole. Bevor die Verfertiger dieser Ungetüme wie die Pilze hervorschossen, gab es bloß Tempel und leere Gotteshäuser, wie sich denn auch bis auf den heutigen Tag an manchen Orten noch Spuren des alten Gebrauches erhalten haben. Dennoch wurde darin Idololatrie betrieben, wenn auch nicht unter diesem Namen, so doch in der Sache selbst. Man kann sie ja auch jetzt noch außerhalb des Tempels und ohne ein Idol treiben. Als aber der Teufel Bildhauer, Maler und Verfertiger von Bildnissen aller Art in die Welt gesetzt hatte, da empfing jenes noch in rohen Anfängen befindliche Treiben menschlichen Elends seinen Namen und Fortgang von den Idolen. Von dieser Zeit an ist jeder Kunstzweig, welcher in irgend einer Weise Idole hervorbringt, zu einer Quelle der Idololatrie geworden. Denn es macht keinen Unterschied, ob der Töpfer das Idol formt oder der Bildhauer es ausmeißelt, ob es in Feinstücken hergestellt ist -- denn auch an der Materie ist nichts gelegen -- oder ob es von Gips, Farbe, Stein, Bronze, Silber oder Ton1 gemacht wird. Denn da auch ohne Idol Idololatrie stattfinden kann, so macht es sicherlich, wofern nur ein Idol vorhanden ist, keinen Unterschied, wie es beschaffen sei, aus welchem Stoff und von welcher Gestalt. Deshalb darf niemand glauben, für ein Idol nur das halten zu müssen, was unter menschlicher Gestalt dargestellt ist. Hierbei ist eine Deutung des Wortes erforderlich, Eidos bedeutet im Griechischen Gestalt, und das davon durch die Verkleinerungsform abgeleitete Eidolon (Idol) entspricht dem, was wir ein S. 142Bildchen nennen. Folglich hat jede Figur und jedes Bildchen auf die Bezeichnung Idol Anspruch. Daher ist jeder Kultus und jeder Dienst eines beliebigen Idols Idololatrie, Die Verfertiger eines Idols begehen ganz das gleiche Verbrechen; es müsste sich denn das Volk, welches das Bild eines Kalbes verehrt, weniger versündigen, als das, welches das Bild eines Menschen heilig hält!
Die Ed. Vindob. setzt filo in den Text. Das figula des Agob. aber läßt auf figlino Töpferton oder Töpferarbeit schließen. ↩
