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Werke Augustinus von Hippo (354-430) Confessiones

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Bekenntnisse

10. Sein Gespräch mit der Mutter vom Himmelreich.

Als aber der Tag nahte, an dem sie aus diesem Leben scheiden sollte - du kanntest diesen Tag, wir nicht -, da geschah es, wie ich glaube durch deine geheime Fügung, daß ich und sie an ein Fenster gelehnt standen, das eine Aussicht auf den Garten innerhalb des Hauses, das wir bewohnten, bot; dort in Ostia war es an der Tiber, wo wir fern vom Geräusche der Welt nach den Anstrengungen einer so langen Reise Kräfte für die Seefahrt sammelten. Wir unterhielten uns also allein in gar süßem Gespräche; „der Vergangenheit vergessend, streckten wir uns aus nach dem, was vor uns lag“1. In deiner Gegenwart, der du die Wahrheit bist, fragten wir uns, wie wohl das ewige Leben der Heiligen sein würde, das „kein Auge gesehen, kein Ohr gehört hat und das in keines Menschen Herz gekommen ist“2. Aber wir lechzten mit dem Munde unseres Geistes nach den himmlischen Wassern deines Quells, des „Lebensquells, der bei dir ist“3, um, von ihm nach unserm Fassungsvermögen geletzt, einen solch erhabenen Stoff allseitig betrachten zu können.

Als nun unsere Unterredung zu dem Resultate gelangt war, daß auch die höchste Lust, die uns durch die Sinne vermittelt wird und bei allem Glanze immer doch nur körperlich bleibt, neben der Lieblichkeit jenes Lebens keine Erwähnung, geschweige denn einen Vergleich verdient, da erhoben wir uns mit noch heißerer Sehnsucht zu „dem, was das Selbst“4 ist, und durchgingen die ganze Stufenleiter der ganzen Körperwelt und des S. 206 Himmels, von dem Sonne, Mond und Sterne über die Erde herableuchten. Und immer weiter stiegen wir auf, in innerlicher Weise deine Werke bedenkend, bewundernd und besprechend, und so kamen wir schließlich zu unserm Geiste. Auch über ihn schritten wir hinaus, um in die Gegend unerschöpflicher Fruchtbarkeit zu gelangen, wo du ewig Israel weidest auf der Weide der Wahrheit, wo Leben gleich Wahrheit ist; durch sie besteht alles, das Vergangene und das Zukünftige, sie selbst aber wird nicht, sondern bleibt, wie sie war, und wird immer so bleiben. Oder richtiger: in ihr gibt es keine Vergangenheit und keine Zukunft, sondern nur Sein, weil sie ewig ist; denn Vergehen und Werden sind nicht ewig. Und während wir von ihr redeten und nach ihr verlangten, berührten wir sie leise in einem Augenblicke höchster Herzenserhebung; dann seufzten wir auf und ließen dort „die Erstlinge unseres Geistes“5 gefesselt zurück und kehrten wieder zur Erde zurück, zu Worten, die Anfang und Ende haben. Was aber gleicht deinem Worte, das uns gebietet und ohne zu altern in sich bleibt und alles erneut?

Wir sprachen also: Es schweige in einem Menschen der Sturm des Fleisches, es schweige jede Vorstellung von Land, Wasser und Luft, es schweige das Himmelsgewölbe, ja selbst die Seele in sich und, ihrer selbst vergessend, erhebe sie sich über sich, es schweige die Zunge und jegliches Zeichen, und alles, was entsteht und vorübergeht, schweige völlig; denn einem scharfhörigen Zuschauer würden all diese Dinge sagen: „Nicht wir haben uns selbst geschaffen, sondern der hat uns geschaffen, der da bleibt in Ewigkeit“6. Wenn sie also nach diesen Dingen verstummten, da sie ihr Ohr auf ihren Schöpfer gerichtet haben, und wenn nunmehr er allein spräche nicht durch sie, sondern durch sich selbst, so daß wir sein Wort nicht aus eines Menschen Zunge noch durch eines Engels Stimme noch im Donner der Wolke noch durch Rätsel und Gleichnis vernahmen, sondern ihn selbst, den wir in diesen Dingen lieben, ihn S. 207 selbst vernähmen, gleichwie wir uns jetzt erhoben und in reißendem Gedankenfluge die ewige, unvergängliche Weisheit berührten; wenn endlich dieser Zustand anhielte und alle anderen Vorstellungen weit niederer Art verschwänden und nur diese eine den Schauenden hinrisse und in sich aufnähme und in innerlicher Wonne bärge, kurz daß dies ein Gleichnis des ewigen Lebens wäre wie jener Augenblick höchster Erkenntnis, nach dem wir geseufzt - wäre dies nicht der Zeitpunkt, von dem geschrieben steht: „Geh ein in die Freude deines Herrn“?7 Und wann wird dies sein? Etwa dann, wenn „wir alle auferstehen, aber nicht alle werden verwandelt werden?“8

So sprach ich, und wenn auch nicht genau auf diese Weise und mit diesen Worten, so weißt du doch, o Herr, daß an jenem Tage, als unter solchen Gesprächen die Welt da vor uns mit all ihren Freuden jeden Reiz verlor, die Mutter sagte: „Mein Sohn, ich für meine Person werde an nichts mehr Freude empfinden. Was ich nun hier noch tun soll und warum ich hier bin, weiß ich nicht, da ich von dieser Zeitlichkeit nichts mehr erhoffe. Nur um dich vor meinem Tode als katholischen Christen zu sehen, wollte ich einzig und allein noch eine Zeitlang am Leben bleiben. Über mein Hoffen hinaus bat Gott mir meine Bitte erfüllt, da ich dich jetzt als seinen Knecht erblicke, der aller irdischen Glückseligkeit entsagt hat. Was tue ich nun noch hier?“


  1. Phil. 3,13. ↩

  2. 1 Kor. 2,9. ↩

  3. Ps. 35,10. ↩

  4. Ps. 4,9. ↩

  5. Röm. 8,23. ↩

  6. Ps. 3 und 5. ↩

  7. Matth. 25,21. ↩

  8. 1 Kor. 15,51. ↩

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The Confessions of St. Augustin In Thirteen Books

Chapter X.--A Conversation He Had with His Mother Concerning the Kingdom of Heaven.

23. As the day now approached on which she was to depart this life (which day Thou knewest, we did not), it fell out--Thou, as I believe, by Thy secret ways arranging it--that she and I stood alone, leaning in a certain window, from which the garden of the house we occupied at Ostia could be seen; at which place, removed from the crowd, we were resting ourselves for the voyage, after the fatigues of a long journey. We then were conversing alone very pleasantly; and, "forgetting those things which are behind, and reaching forth unto those things which are before," 1 we were seeking between ourselves in the presence of the Truth, which Thou art, of what nature the eternal life of the saints would be, which eye hath not seen, nor ear heard, neither hath entered into the heart of man. 2 But yet we opened wide the mouth of our heart, after those supernal streams of Thy fountain, "the fountain of life," which is "with Thee;" 3 that being sprinkled with it according to our capacity, we might in some measure weigh so high a mystery.

24. And when our conversation had arrived at that point, that the very highest pleasure of the carnal senses, and that in the very brightest material light, seemed by reason of the sweetness of that life not only not worthy of comparison, but not even of mention, we, lifting ourselves with a more ardent affection towards "the Selfsame," 4 did gradually pass through all corporeal things, and even the heaven itself, whence sun, and moon, and stars shine upon the earth; yea, we soared higher yet by inward musing, and discoursing, and admiring Thy works; and we came to our own minds, and went beyond them, that we might advance as high as that region of unfailing plenty, where Thou feedest Israel 5 for ever with the food of truth, and where life is that Wisdom by whom all these things are made, both which have been, and which are to come; and she is not made, but is as she hath been, and so shall ever be; yea, rather, to "have been," and "to be hereafter," are not in her, but only "to be," seeing she is eternal, for to "have been" and "to be hereafter" are not eternal. And while we were thus speaking, and straining after her, we slightly touched her with the whole effort of our heart; and we sighed, and there left bound "the first-fruits of the Spirit;" 6 and returned to the noise of our own mouth, where the word uttered has both beginning and end. And what is like unto Thy Word, our Lord, who remaineth in Himself without becoming old, and "maketh all things new"? 7

25. We were saying, then, If to any man the tumult of the flesh were silenced,--silenced the phantasies of earth, waters, and air,--silenced, too, the poles; yea, the very soul be silenced to herself, and go beyond herself by not thinking of herself,--silenced fancies and imaginary revelations, every tongue, and every sign, and whatsoever exists by passing away, since, if any could hearken, all these say, "We created not ourselves, but were created by Him who abideth for ever:" If, having uttered this, they now should be silenced, having only quickened our ears to Him who created them, and He alone speak not by them, but by Himself, that we may hear His word, not by fleshly tongue, nor angelic voice, nor sound of thunder, nor the obscurity of a similitude, but might hear Him--Him whom in these we love--without these, like as we two now strained ourselves, and with rapid thought touched on that Eternal Wisdom which remaineth over all. If this could be sustained, and other visions of a far different kind be withdrawn, and this one ravish, and absorb, and envelope its beholder amid these inward joys, so that his life might be eternally like that one moment of knowledge which we now sighed after, were not this "Enter thou into the joy of Thy Lord"? 8 And when shall that be? When we shall all rise again; but all shall not be changed. 9

26. Such things was I saying; and if not after this manner, and in these words, yet, Lord, Thou knowest, that in that day when we were talking thus, this world with all its delights grew contemptible to us, even while we spake. Then said my mother, "Son, for myself, I have no longer any pleasure in aught in this life. What I want here further, and why I am here, I know not, now that my hopes in this world are satisfied. There was indeed one thing for which I wished to tarry a little in this life, and that was that I might see thee a Catholic Christian before I died. 10 My God has exceeded this abundantly, so that I see thee despising all earthly felicity, made His servant,--what do I here?"


  1. Phil. iii. 13. ↩

  2. 1 Cor. ii. 9.; Isa. lxiv. 4. ↩

  3. Ps. xxxvi. 9. ↩

  4. Ps. iv. 8, Vulg. ↩

  5. Ps. lxxx. 5. ↩

  6. Rom. viii. 23. ↩

  7. Wisd. vii. 27. ↩

  8. Matt. xxv. 21. ↩

  9. 1 Cor. xv. 51, however, is, "we shall all be changed." ↩

  10. Dean Stanley (Canterbury Sermons, serm. 10) draws the following, amongst other lessons, from God's dealings with Augustin. "It is an example," he says, "like the conversion of St. Paul, of the fact that from time to time God calls His servants not by gradual, but by sudden changes. These conversions are, it is true, the exceptions and not the rule of Providence, but such examples as Augustin show us that we must acknowledge the truth of the exceptions when they do occur. It is also an instance how, even in such sudden conversions, previous good influences have their weight. The prayers of his mother, the silent influence of his friend, the high character of Ambrose, the preparation for Christian truth in the writings of heathen philosophers, were all laid up, as it were, waiting for the spark, and, when it came, the fire flashed at once through every corner of his soul." ↩

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Einleitung in die Confessiones
Prolegomena
The Opinion of St. Augustin Concerning His Confessions, as Embodied in His Retractations, II. 6
Translator's Preface - Confessions

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