Übersetzung
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Bekenntnisse
6. Was liebt man an Gott? Wie erkennt man ihn aus seinen Geschöpfen?
Nicht zweifelhaft, sondern sicher ist mein Bewußtsein, daß ich dich liebe, o Herr. Mit deinem Worte hast du mein Herz getroffen, und ich habe dich geliebt. Aber siehe, Himmel und Erde und alles, was in ihnen ist, ruft mir von allen Seiten zu, daß ich dich lieben soll, und unaufhörlich rufen sie es allen zu, „so daß sie keine Entschuldigung haben“1. Aber größer muß deine Erbarmung sein gegen den, dessen du dich erbarmst, und mehr Barmherzigkeit mußt du dem erzeigen, gegen den du schon barmherzig warst; sonst würden Himmel und Erde dein Lob tauben Ohren verkünden. Was aber liebe S. 221 ich, wenn ich dich liebe? Nicht körperliche Wohlgestalt noch zeitliche Anmut, nicht den Glanz des Lichtes, das unsern Augen so angenehm ist, nicht die lieblichen Melodien des ganzen Reiches der Töne, nicht den Duft von Blumen, Salben und Gewürzen, nicht Manna und Honig, nicht Glieder, die zu freundlicher Umarmung einladen: nicht das liebe ich, wenn ich meinen Gott liebe, Und dennoch liebe ich eine Art von Licht und Klang und Duft und Speise und Umarmung, wenn ich meinen Gott hebe; das Licht, den Klang, den Duft, die Speise, die Umarmung meines inneren Menschen. Dort leuchtet meiner Seele, was kein Raum faßt, dort tönt, was keine Zeit hinwegrafft, dort duftet, was kein Wind verweht, dort schmeckt, was kein Genuß verringert, dort bleibt vereint, was kein Überdruß trennt. Dies ist, was ich hebe, wenn ich meinen Gott liebe.
Und was ist dies? Ich fragte die Erde, und sie sprach: „Ich bin es nicht“, und alles, was auf ihr ist, bekannte das gleiche. Ich fragte das Meer und die Abgründe und das Gewürm, das darinnen lebt, und sie antworteten: „Wir sind nicht dein Gott, suche ihn über uns“. Ich fragte die wehenden Winde, und der gesamte Luftkreis mit seinen Bewohnern sprach: „Anaximenes2 irrt; ich bin nicht Gott“. Ich fragte Himmel, Sonne. Mond, Sterne; sie antworteten: „Auch wir sind nicht Gott, den du suchest“, Und ich sprach zu allen Dingen, die sich meinen Sinnen darbieten: „Sprechet zu mir von meinem Gotte, weil ihr selbst es nicht seid, sprechet zu mir etwas über ihn“. Und sie antworteten mit lauter Stimme: „Er selbst hat uns geschaffen“3. Meine Frage bestand aber in sinnender Betrachtung, und ihre Antwort war ihre Schönheit, Und ich wandte mich nun zu mir selbst und sprach zu mir: „Wer bist denn du?“ Und ich antwortete: „Ein Mensch“. Denn sieh, aus Leib und Seele bestehe ich, dem äußeren und inneren Bestandteile meines Wesens. Von welchem dieser beiden aus S. 222 mußte ich nun meinen Gott suchen? Bereits hatte ich ihn mit meinem Körper gesucht von der Erde bis zum Himmel, soweit ich nur die Strahlen meiner Augen als Boten senden konnte. Doch wertvoller ist mein innerer Mensch. Denn ihm als ihrem Vorsteher und Richter erstatteten alle körperlichen Boten Bericht über die Antworten des Himmels und der Erde und aller Dinge, die darin sind, und sprachen: „Wir sind nicht Gott“ und: „Er selbst hat uns geschaffen“. Der innere Mensch erkannte dies durch die Vermittlung des äußeren; mein inneres Ich erkannte dies, ich, ich, der Geist erkannte dies durch die Sinne meines Körpers. Ich fragte die gesamte Welt über meinen Gott, und sie antwortete mir: „Ich bin es nicht, sondern er hat mich geschaffen“.
Wenn also allen, die gesunden Sinnes sind, ihre Schönheit sichtbar erscheint, warum spricht sie nicht zu allen vernehmlich dieselben Wahrheiten? Die Tiere, die kleinen wie die großen, sehen sie, aber können sie nicht fragen. Denn in ihnen herrscht keine Vernunft als Richterin über die Botschaften der Sinne. Die Menschen aber können fragen, damit sie so „das Unsichtbare in Gott durch die Vermittlung der Schöpfung erkennen und erfassen“. Aber aus Liebe zu den Geschöpfen sind sie diesen dienstbar, und ihr Hörigkeitsverhältnis hindert sie an einem richtigen Urteile. Auch antwortet ihnen die Schöpfung auf ihre Frage nur, wenn sie ein Urteil fällen können; ihre Rede, das ist ihre Schönheit, bleibt unverändert, wenn der eine nur sieht, der andere aber im Sehen auch fragt, so daß sie dem einen so und dem andern so erscheint. Beiden vielmehr zeigt sie sich in gleicher Weise, aber für jenen ist sie stumm, diesem tut sie ihren Mund auf. Oder genauer: sie redet zu allen, aber nur jene verstehen sie, welche ihre Stimme von außen vernehmen und innerlich mit der Wahrheit vergleichen. Denn die Wahrheit sagt mir: „Nicht der Himmel ist dein Gott noch die Erde noch irgendein Körper“. Das sagt schon ihre Natur einem jeden, der Augen hat zu sehen: sie sind Masse, und deshalb ist ihr Teil kleiner als das Ganze. Schon S. 223 du bist besser, meine Seele, ich sage es dir, denn du belebst die Masse deines Körpers und verleihst ihm das Leben, was sonst kein Körper einem anderen gewähren kann. Dein Gott aber hinwiederum ist für dich das Leben deines Lebens.
Edition
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Confessiones
Caput 6
Non dubia, sed certa conscientia, domine, amo te. percussisti cor meum verbo tuo, et amavi te. sed et caelum et terra et omnia, quae in eis sunt, ecce undique mihi dicunt, ut te amem, nec cessant dicere omnibus, ut sint inexcusabiles. altius autem tu misereberis, cui misertus eris, et misericordiam praestabis, cui misericors fueris: alioquin caelum et terra surdis locuntur laudes tuas. quid autem amo, cum te amo? non speciem corporis nec decus temporis, non candorem lucis ecce istum amicum oculis, non dulces melodias cantilenarum omnimodarum, non florum et ungentorum et aromatum suaveolentiam, non manna et mella, non membra acceptabilia carnis amplexibus: non haec amo, cum amo deum meum. et tamen amo quandam lucem et quandam vocem et quendam olorem et quendam cibum et quendam amplexum, cum amo deum meum, lucem, vocem, odorem, cibum, amplexum interioris hominis mei, ubi fulget animae meae, quod non capit locus, et ubi sonat, quod non rapit tempus, et ubi olet, quod non spargit flatus, et ubi sapit, quod non minuit edacitas, et ubi haeret, quod non divellit satietas. hoc est quod amo, cum deum meum amo. Et quid est hoc? interrogavi terram, et dixit: non sum; et quaecumque in eadem sunt, idem confessa sunt. interrogavi mare et abyssos et reptilia animarum vivarum, et responderunt: non sumus deus tuus; quaere super nos. interrogavi auras flabiles, et inquit universus aer cum incolis suis: fallitur Anaximenes; non sum deus. interrogavi caelum, solem, lunam, stellas: neque nos sumus deus, quem quaeris, inquiunt. et dixi omnibus, quae circumstant fores carnis meae: dicite mihi de deo meo, quod vos non estis, dicite mihi de illo aliquid. et exclamaverunt voce magna: ipse fecit nos. interrogatio mea intentio mea, et responsio eorum species eorum. et direxi me ad me et dixi mihi: tu quis es? et respondi: homo. et ecce corpus et anima in me mihi praesto sunt, unum exterius et alterum interius. quid horum est, unde quaerere debui deum meum, quem iam quaesiveram per corpus a terra usque ad caelum, quousque potui mittere nuntios radios oculorum meorum? sed melius quod interius. ei quippe renuntiabant omnes nuntii corporales praesidenti et iudicanti de responsionibus caeli et terrae et omnium, quae in eis sunt, dicentium: non sumus deus et: ipse fecit nos. homo interior cognovit haec per exterioris ministerium; ego interior cognovi haec, ego, ego animus per sensum corporis mei. interrogavi mundi molem de deo meo, et respondit mihi: non ego sum, sed ipse me fecit. Nonne omnibus, quibus integer sensus est, apparet haec species? cur non omnibus eadem loquitur? animalia pusilla et magna vident eam, sed interrogare nequeunt. non enim praeposita est in eis nuntiantibus sensibus iudex ratio. homines autem possunt interrogare, ut invisibilia dei per ea, quae facta sunt, intellecta conspiciant, sed amore subduntur eis et subditi iudicare non possunt. nec respondent ista interrogantibus nisi iudicantibus, nec vocem suam mutant, id est speciem suam, si alius tantum videat, alius autem videns interroget, ut aliter illi appareat, aliter huic, sed eodem modo utrique apparens illi muta est, huic loquitur: immo vero omnibus loquitur, sed illi intellegunt, qui eius vocem acceptam foris intus cum veritate conferunt. veritas enim dicit mihi: non est deus tuus caelum et terra neque omne corpus. hoc dicit eorum natura. vident: moles est minor in parte quam in toto. iam tu melior es, tibi dico, anima, quoniam tu vegetas molem corporis tui praebens ei vitam, quod nullum corpus praestat corpori. deus autem tuus etiam tibi vitae vita est.