1. Cap. Veranlassung dieser Schrift. Praxeas war unter einem frühern Papste in Rom eifrig gegen die Montanisten thätig gewesen, hatte aber gleichzeitig dort und anderwärts die Keime seiner eigenen Häresie, des Patripassianismus, ausgestreut.
S. 510 Der Teufel hat die Wahrheit auf gar verschiedene Weise bekämpft. Er liebt es manchmal, sie durch Verteidigen zu schädigen. Er behauptet einen einzigen Herrgott, allmächtigen Schöpfer der Welt — um in betreff dieses einzigen eine Häresie hervorzurufen, und sagt, der Vater selbst sei in die Jungfrau herabgestiegen, aus ihr geboren, habe gelitten, mit einem Wort, er selbst sei Jesus Christus. Darin ist die Schlange aus der Rolle gefallen. Denn als sie Jesus Christus nach der Taufe durch Johannes in Versuchung führte, behandelte sie ihn als den Sohn Gottes, in der festen Meinung, dass Gott einen Sohn habe, dessen belehrt aus der hl. Schrift selbst, auf welche sie damals ihre Versuchung begründete. „Wenn Du Gottes Sohn bist, so sprich, dass diese Steine Brot werden.”1 Ebenso: „Wenn Du Gottes Sohn bist, so stürze Dich hier hinab; denn es steht geschrieben, dass er” — nämlich der Vater — „den Engeln Deinetwegen befohlen hat, dass sie Dich auf den Händen tragen sollen, auf dass Du Deinen Fuss an keinen Stein stossest”. Oder wird sie etwa die Evangelisten der Lüge zeihen2 und sagen: Mögen Matthäus und Lukas sehen, wie sie zurechtkommen; ich aber habe Gott selbst herausgefordert, ich habe den Allmächtigen unmittelbar in Versuchung geführt. Gerade darum bin ich zu ihm gegangen und habe ihn versucht. Wenn er nur der Sohn Gottes wäre, so hätte ich mich vielleicht niemals mit ihm befasst.
Aber freilich, der Teufel ist Lügner von Anbeginn, wenn er auch manchmal einen Menschen mit seinen Mitteln ausrüstet, wie z. B. den Praxeas. Dieser war es nämlich, der zuerst diese Art Schlechtigkeit aus Asien S. 511 in Rom einführte; ein Mensch, der auch sonst keine Ruhe hatte halten können, überdies aufgeblasen durch das Prahlen mit seinem Martyrium, einer bloss kurzen Kerkerhaft, da er doch, selbst wenn er seinen Leib hätte verbrennen lassen, nichts gewonnen haben würde, weil er keine Liebe zu Gott besass, dessen Gnadengaben er sogar bekämpfte. Denn eben er war es, der dem damaligen Bischofe von Rom, der schon im Begriff stand, die Prophezeiungen des Montanus, der Priscilla und Maximilla anzuerkennen und den Kirchengemeinden von Asien und Phrygien infolge dieser Anerkennung den Frieden wieder zu gewähren, falsche Angaben über die Propheten selbst und ihre Kirchengemeinden machte, die Autorität der Vorfahren desselben Bischofs in Anspruch nahm und ihn dadurch nötigte, die bereits erlassenen Friedensbriefe zu widerrufen und von seinem Vorhaben, die Gnadengaben anzunehmen, abzustehen. So hat Praxeas in Rom für den Teufel zwei Geschäfte besorgt, die Prophezie ausgetrieben und die Häresie eingeführt, den Paraklet verjagt und den Vater gekreuzigt.
Der Windhafer des Praxeas, der auch hier ausgestreut wurde, trieb seine Schösslinge, da viele in der Einfalt der Lehre schliefen. In der Folge wurde er erkannt und überführt durch den, welchen Gott dazu bestimmt hatte, und schien ausgerottet zu sein. Der ehemalige Lehrmeister gab endlich Bürgschaften seiner Sinnesänderung, und die Psychiker besitzen noch ein handschriftliches Dokument von ihm darüber. Bei ihnen nämlich wurde damals die ganze Sache verhandelt. Darnach hörte man nichts mehr davon. Zwischen uns und den Psychikern hat die dem Paraklet von uns gezollte Anerkennung und Verteidigung später eine Trennung herbeigeführt. Jener Windhafer hatte aber doch damals seinen Samen überallhin ausgestreut. Daher hat er eine Zeit lang heuchlerisch seine heimliche Lebenskraft verborgen gehalten und ist nun aufs neue aufgekeimt. Aber er wird aufs neue ausgejätet werden, wenn es dem Herrn gefällt in dieser Frist; wo nicht, so werden alle unechten Früchte zu ihrer bestimmten Zeit gesammelt und mit den übrigen Ärgernissen im unauslöschlichem Feuer verbrannt werden.