VI. 10.
Darum schreibt der Apostel Johannes in der Geheimen Offenbarung „an sieben Kirchen“1. Die Kirche aber wird in der Heiligen Schrift, da sie auf unserem sterblichen Leben aufgebaut ist, gerade wegen ihrer Veränderlichkeit mit dem Monde verglichen. Deshalb heißt es: „Sie haben Pfeile im Köcher bereit gehalten, um sie bei dunklem Monde auf diejenigen abzuschießen, die geraden Herzens sind“2. Bevor nämlich nicht in Erfüllung geht, was der Apostel sagt: „Wenn Christus, euer Leben, erscheint, dann werdet auch ihr in Herrlichkeit mit ihm erscheinen“3, erscheint die Kirche während der Zeit ihrer Pilgerschaft als dunkel und seufzend in der Mitte so vieler Bosheit; da hat sie die Arglist täuschender Verführer zu fürchten, und diese ist es, die sie unter den „Pfeilen“ verstanden wissen will. Wegen der so getreuen Verkündiger der Wahrheit, die die Kirche allerorten hervorbringt, heißt es darum auch: „Der Mond ist ein getreuer Zeuge am Himmel“4. Und wenn der Psalmist das Reich des Herrn besingt, spricht er: „Emporkommen wird in seinen Tagen Gerechtigkeit und Friedensfülle, bis der Mond erlischt“5; das soll heißen: die Fülle des Friedens wird wachsen, bis alle der Sterblichkeit anhaftende Veränderlichkeit hinweggetilgt ist. Dann „wird zuletzt der uns feindliche Tod S. 227 vernichtet werden“6, und alles, was uns wegen der Schwachheit des Fleisches Beschwerde macht und die Vollkommenheit unseres Friedens hindert, wird ganz hinweggenommen werden, und „dieses Verwesliche wird sich mit Unverweslichkeit, dieses Sterbliche sich mit Unsterblichkeit bekleiden“7. Darum zerfielen auch die Mauern der Stadt Jericho, deren Namen im Hebräischen ‚Mond’ bedeutet, als die Bundeslade das siebente Mal um sie getragen wurde8. Denn bewirkt nicht auch jetzt noch die frohe Botschaft vom Himmelreich, die durch den Umzug der Bundeslade versinnbildet wurde, daß alle Stützpunkte dieses sterblichen Lebens, das heißt alle zeitlichen Hoffnungen, die der Hoffnung auf das ewige Leben hindernd im Wege stehen, vermöge der siebenfachen Gabe des Heiligen Geistes durch den freien Willen zerstört werden? Deshalb fielen auch die Mauern bei dem Umzug der Bundeslade nicht infolge gewaltsamer Erstürmung, sondern von selbst. Es gibt noch andere Schriftstellen, die uns die Kirche unter dem Bilde des Mondes darstellen, weil sie in diesem sterblichen Leben unter Sorgen und Mühen ferne von jenem Jerusalem pilgert, dessen Bewohner die heiligen Engel sind.