9.
Oft reden wir nämlich so, daß wir zum Beispiel bei Annäherung des Osterfestes von dem morgigen oder übermorgigen Leiden des Herrn sprechen, während doch der Herr schon vor so vielen Jahren gelitten und sein Leiden doch nur einmal stattgefunden hat. Auch sagen wir am Sonntage: „Heute ist der Herr auferstanden“, während doch seit seiner Auferstehung schon so viele Jahre verflossen sind. Warum ist niemand so albern, uns wegen dieses Ausdruckes der Lüge zu zeihen? Doch nur deshalb, weil wir diese Tage so bezeichnen wegen ihrer Verwandtschaft mit jenen Tagen, an denen sich diese Vorgänge ereignet haben! Man sagt also, es sei S. 403 Tag selbst, meint aber nur den Tag, der im Zeitenlaufe eine ähnliche Stellung einnimmt. Und so sagt man auch wegen der Feier des Geheimnisses, an dem betreffenden Tage sei geschehen, was doch nicht an ihm, sondern schon längst geschehen ist. Hat sich denn nicht Christus nur einmal in eigener Person geopfert? Und doch opfert er sich im Sakramente nicht nur an allen Osterfeiertagen, sondern jeden Tag für das Volk; nicht lügt also, wer auf eine Frage antwortet, Christus werde noch geopfert. Denn wenn die Sakramente nicht eine Ähnlichkeit mit jenen Dingen hätten, deren Sakramente sie sind, so wären sie überhaupt keine Sakramente1. Um dieser Ähnlichkeit willen erhalten sie meistens den Namen jener Dinge selbst. Denn wie in gewisser Weise das Sakrament des Leibes Christi der Leib Christi, das Sakrament des Blutes Christi das Blut Christi ist, so ist auch das Sakrament des Glaubens der Glaube. Glauben heißt nichts anderes als den Glauben besitzen2. Wenn man also antwortet, daß das Kind glaube, das noch kein Verlangen nach dem Glauben hat, so will man damit sagen, es besitze den Glauben in Hinsicht auf das Sakrament des Glaubens und bekehre sich zu Gott in Hinsicht auf das Sakrament der Bekehrung, weil nämlich gerade diese Antwort zum Empfange dieses Sakramentes gehört. So sagt ja auch der Apostel von der Taufe: „Wir sind mit Christus begraben durch die Taufe zum Tode“3. Er sagt nicht: „Wir haben sein Begräbnis versinnbildet“, sondern geradezu: „Wir sind mit ihm begraben.“ Er hat also das Sakrament einer so wichtigen Sache4 nicht anders bezeichnet als mit dem Namen eben der Sache.
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Die äußeren Zeichen bei den heiligen Sakramenten bewirken die innere Gnade, so daß ohne sie das Sakrament nicht gespendet werden kann; jedoch deuten sie sie auch an, da sie nicht ohne Grund von Christus gewählt wurden. So bewirkt das Taufwasser die Taufgnade, aber es ist auch ein Sinnbild der inneren Reinigung. Dies hat der hl. Augustinus an verschiedenen Stellen seiner Schriften näher erklärt. ↩
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Nihil est aliud credere quam fidem habere. Im Deutschen ist diese Bemerkung ein Pleonasmus, nicht so im Lateinischen. ↩
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Röm. 6, 4. ↩
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Das heißt: das sichtbare Zeichen einer so großen Gnade. ↩