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Bibliothek der Kirchenväter
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Œuvres Augustin d'Hippone (354-430) Ausgewählte Briefe (BKV)
Drittes Buch (Jahre 411—430).
IX. (Nr. 153.) An Macedonius

20.

Wenn es dann in deinem Briefe weiter heißt: „Aber bei den jetzt herrschenden Sitten wünschen die Leute zwar, daß man ihnen die Strafe für ihr Verbrechen erlasse, wollen aber das, weshalb sie das Verbrechen “begangen haben, im Besitz behalten“, so erwähnst du hiermit die schlechteste Menschenklasse, bei der das Heilmittel der Buße durchaus versagt. Denn wenn das fremde Eigentum, um dessentwillen man gesündigt hat, nicht zurückerstattet wird, obwohl es noch möglich wäre, so tut man nicht Buße, sondern man heuchelt Buße. Wenn man aber auch wahrhaft Buße tut, so wird doch die Sünde nicht nachgelassen, wofern das Entwendete nicht zurückerstattet wird, vorausgesetzt, daß es zurückerstattet werden kann. Denn sehr häufig verliert der Dieb das Gestohlene, mag sich nun ein anderer an ihm als schlecht erweisen, oder durch sein eigenes schlechtes Leben; dann kann er sehr leicht nichts mehr haben, wovon er Wiederersatz leisten könnte. Zu diesem können wir gewiß nicht sagen: „Erstatte, was du genommen hast“; es sei denn, wir glaubten, er besitze so viel und gestehe es nicht ein. Wenn er hierbei auch von dem, der die Forderung an ihn stellt, einige Belästigungen zu ertragen hat, weil man ihn der Wiedererstattung für fähig hält, so ist dies keine Ungerechtigkeit. Denn obwohl er die entwendete Summe nicht zu ersetzen S. 581 vermag, so leidet er doch verdientermaßen eine. Strafe für seinen Diebstahl, indem man ihn durch Leibespein zum Ersatz anhält. Doch ist es nicht gegen die Menschenfreundlichkeit, auch für solche Fürbitte einzulegen, da auch sie sich eines Verbrechens schuldig gemacht haben. Dabei setzt man sich nicht zum Ziele, daß auf die Wiedererstattung fremden Gutes verzichtet wird, sondern man will verhindern, daß ein Mensch den anderen nutzlos quäle, besonders wenn dieses Verbrechen doch schon nachgelassen ist und es sich nur noch um das Geld handelt und alle Verfolgung bei offenbarer Erfolglosigkeit eingestellt wird1. Wenn wir also in solchen Fällen den Beweis zu liefern vermögen, daß unsere Schützlinge der an sie gestellten Forderung nicht zu entsprechen imstande sind, so gewährt man uns sofort die Einstellung der gegen sie verhängten Zwangsmaßregeln. Bisweilen wollen aber barmherzige Menschen gerade wegen des obwaltenden Zweifels nicht für ungewisses Geld2 eine gewisse Strafe verhängen. Es geziemt uns, auch euch zu solcher Barmherzigkeit einzuladen und zu ermahnen. Denn besser ist es, dein Geld zu verlieren, auch wenn jener es bezahlen könnte, als ihn zu quälen oder zu töten, während er nicht bezahlen kann. Jedoch ist es allerdings mehr am Platze, für solche bei ihren Gläubigern und nicht bei den Richtern Fürbitte einzulegen, damit nicht derjenige selbst das Geld zu entwenden scheint, der, obwohl er die Macht dazu besitzt, nicht zum Wiederersatze zwingt. Jedoch muß er bei diesem Zwange die Gerechtigkeit so üben, daß er die Menschlichkeit dabei nicht verletzt.


  1. Augustinus denkt hier an die Schuldhaft. ↩

  2. Ungewiß insofern, als es sehr zweifelhaft ist, ob die Schuldhaft zu einer Bezahlung führen kann. ↩

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