22. Kapitel: Was der Mensch alles lieben muß
S. 3022. Aber nicht alles, was bloß zum Gebrauch bestimmt ist, darf man auch schon lieben, sondern nur das, was sozusagen zugleich mit uns auf Gott bezogen wird, wie z. B. Menschen und Engel oder auch, was sich nur auf uns Menschen selbst bezieht und um unsertwegen des göttlichen Segens bedarf, wie z. B. den Leib. Geliebt haben sicherlich die Märtyrer die Freveltaten ihrer Verfolger nicht, aber sie gebrauchten sie, um Gott dadurch zu dienen. Vier Dinge sind es also, die wir lieben müssen: Das erste steht über uns (Gott), das zweite sind wir selbst, das dritte ist neben uns (die Mitmenschen), das vierte endlich steht unter uns (unser Leib). Bezüglich des zweiten und vierten ist kein Gebot notwendig; denn mag sich ein Mensch auch noch so sehr von der Wahrheit entfernen, so bleibt ihm doch die Liebe zum eigenen Ich und zu seinem Leib. Selbst dann nämlich, wenn der Menschengeist von dem unveränderlichen, allbeherrschenden Licht hinwegstrebt, verfolgt er damit ja nur das Ziel, die Herrschaft über sich und seinen Leib selbst ausüben zu dürfen: er muß daher sich und seinen Leib lieben.
