12. Kap. Daß die Vorschrift der Monogamie nicht für die Bischöfe und den Klerus allein gelte, folge aus der Analogie der übrigen, an den Klerus gestellten sittlichen Anforderungen.
Vernimm nun eine höchst feine Beweisführung von der Gegenseite: Der Apostel hat so sehr, sagen sie, die Wiederholung der Ehe gestattet, daß er einzig denjenigen, welche zum Klerus gehören, das Joch der Monogamie auferlegte. Denn, was er nur einigen vorschreibt, das schreibt er nicht allen vor. - Dann hat er also auch wohl, was er allen vorschreibt, bloß den Bischöfen allein nicht vorgeschrieben, wenn er, was er den Bischöfen vorschreibt, nicht auch allen vorschreibt? Oder hat er es nicht vielmehr gerade darum allen vorgeschrieben, weil auch den Bischöfen? Und darum den Bischöfen, weil auch allen? Woher kommen denn Bischöfe und Klerus? Kommen sie nicht aus der Allgemeinheit? Wenn also die Verbindlichkeit zur Monogamie nicht eine allgemeine ist, woher sollen denn die Monogamischen für den Klerus kommen? Oder soll vielleicht etwa ein besonderer Stand von Monogamischen errichtet werden, aus welchem die Auswahl und Aufnahme in den Klerus geschieht? Ja, wenn es gilt, sich zu erheben und aufzublasen gegen den Klerus, dann sind wir alle eine Einheit, dann sind wir alle Priester, weil Christus uns „alle zu Priestern für Gott und den Vater gemacht habe“1. Wenn wir aber aufgefordert werden, uns in der Disziplin den Priestern gleich zu stellen, dann legen wir unsere Infuln ab und sind wir in Stufen eingeteilt2. S. 509
Es handelte sich aber um die kirchlichen Stände, was für Leute zu ordinieren seien. Es mußte also die volle Gestalt der allgemeinen kirchlichen Sittenzucht in ihrer Stirn3 vor Augen gestellt werden, gewissermaßen ein Edikt für die Zukunft, für alle durch seine Ausprägung4, damit um so mehr das Volk wisse, daß es die Ordnung einhalten müsse, die zum Vorsteher tauglich macht, und damit nicht einmal sogar auch der höhere Stand sich etwas herausnehme in Bezug auf die Freiheit, als ob er infolge seiner Stellung ein Vorrecht habe. Der Hl. Geist hat wohl vorausgesehen, daß manche sagen würden: „den Bischöfen ist alles erlaubt“, sowie denn auch euer wohlbekannter Utinenser sich nicht einmal aus dem Scantinischen Gesetze5 etwas gemacht hat. Denn wie viele Digami sind bei euch nicht Vorsteher, jedenfalls des Apostels spottend oder ganz gewiß nicht errötend, wenn jene Stelle in ihrer Gegenwart vorgelesen wird6. Wohlan denn, wenn du glaubst, daß die Monogamie als eine Ausnahme nur für die Bischöfe aufgestellt sei, so verzichte auch auf die übrigen Titel deiner Disziplin, welche zugleich mit der Monogamie den Bischöfen vorgeschrieben werden. Sei also nicht untadelhaft, mäßig, wohlgesittet, anständig, gastfrei, lehrtüchtig7, dafür aber dem Wein ergeben, schlaglustig und streitbar, liebe das Geld, stehe ferner deinem S. 510Hause nicht gut vor, kümmere dich nicht um die Sittenzucht der Kinder; verlange auch keinen guten Namen bei denen, die draußen sind8. Denn wenn die Bischöfe ihr besonderes Gesetz hinsichtlich der Monogamie haben, so wird auch das übrige, was zur Monogamie hinzukommen muß, nur für die Bischöfe geschrieben sein. Den Laien aber, als welchen die Monogamie nicht zukommt, ist auch das übrige fremd. So bist du, Psychiker, wenn du Lust hast, sämtlichen Banden der Sittenzucht glücklich entschlüpft. Bleibe getreulich bei der Einrede: was einzelnen vorgeschrieben ist, ist nicht allen vorgeschrieben, oder wenn auch die übrigen Vorschriften allgemein sind, so ist die Monogamie doch nur den Bischöfen auferlegt. Verdienen vielleicht etwa auch bloß die den Namen Christen, denen die Moral in ihrer ganzen Ausdehnung auferlegt ist?
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Off. 1,6. ↩
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Die Lesart pares sumnus ist unmöglich, da sie dem Sinne und Zusammenhang widerspricht. Deshalb setzte man impares sumus. Es wird aber zu lesen sein patres sumus als Gegensatz zu unum sumus = sind wir eingeteilt, so daß die einen eine höhere Stellung einnehmen (und deshalb für sie eine eigene Disziplin gilt), als die anderen. Vgl. adv. Hermog. 2: non in patres devenire, ut ... eundem semper. ↩
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sua fronte, nämlich beim Klerus. ↩
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an der Stirn; das am meisten verbürgte impressione bedarf keiner Änderung. T. denkt an das ebengenannte sua fronte. Diese Ausprägung ist allen deutlich und allen sichtbar. Indem der Apostel sie vornahm, hat er somit gleichsam ein Edikt an die gesamte Kirche für die Zukunft erlassen. ↩
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Utina ist eine Stadt in der Provinz Afrika. Die lex Scantinia setzte die Strafen für ehebrecherische Männer fest. ↩
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wenn die Stelle 1 Tim. 3,1 beim Gottesdienst zur Vorlesung kommt. ↩
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docibilis (διδακτικός, in der Vulgata doctor übersetzt) ist mit lehrtüchtig zu übersetzen (nicht lernbegierig); auch probabilis bedeutet, wie die ersten Kapitel de praescr. beweisen, erprobt = probatus. ↩
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1 Tim. 3,2. ↩