13. Kap. Die Aussprüche des Apostels, 1 Tim. 5, 14 und Röm. 7, 2-4, seien im Sinne dieser Monogamie zu verstehen.
Aber in seinem Schreiben an Timotheus wünscht doch der Apostel, daß die jungen Weibspersonen heiraten, Kinder haben und die Familienmütter machen!1 Er wendet sich damit an solche, die er kurz vorher tadelt2, an junge Witwen, die in ihrer Witwenschaft zum Glauben berufen, eine Zeitlang der Zahl der Witwen eingereiht waren, dann aber, nachdem sie die Liebe zu Christus aufgegeben haben, gern heiraten wollen3. Sie trifft das Urteil, daß sie ihre erste Treue gebrochen haben, nämlich jene, von der sie in der Witwenschaft S. 511gefunden wurden und die sie bekannt haben, ohne auszuharren. - Er will deswegen, daß sie heiraten, damit sie nicht die zuerst gelobte Witwenschaft4 nachher brechen, nicht aber, damit sie so vielmal heiraten, als sie in der versuchsweise übernommenen, ja sogar liebgewonnenen Witwenschaft etwa nicht verharren wollen5. Wir lesen auch, daß er im Briefe an die Römer schreibt: „Das Weib aber, welches unter dem Manne steht, ist an den Mann gebunden, so lange er lebt; wenn er aber gestorben ist, so ist sie vom Gesetze des Mannes befreit. Folglich wird sie, wenn sie sich bei Lebzeiten ihres Mannes mit einem andern Mann verbindet, für eine Ehebrecherin gehalten werden. Wenn aber ihr Mann gestorben ist, so ist sie von dem Gesetze befreit, so daß sie keine Ehebrecherin ist, wenn sie einem andern Manne zugehörig geworden ist“6. Betrachte aber auch das folgende, wodurch jene Auffassung, die dir zusagt, hinschwindet: „So werdet denn auch ihr, o Brüder, dem Gesetze getötet durch den Leib Christi, damit ihr einem andern angehört, nämlich dem, der von den Toten auferstanden ist, damit wir Früchte bringen für Gott. Denn als wir im Fleische waren, da wurden die sündhaften Leidenschaften, die durch das Gesetz waren, wirksam gemacht in unsern Gliedern, um Früchte des Todes zu bringen. Jetzt aber sind wir befreit vom Gesetze, indem wir dem, worin wir gehalten wurden, gestorben sind, um Gott zu dienen in der Neuheit des Geistes und nicht in dem alten Buchstaben“7. Wenn Paulus uns also dem Gesetze absterben heißt durch den Leib Christi, welcher die Kirche ist, die in dem neuen Geist besteht, nicht durch den alten Buchstaben des Gesetzes, S. 512indem er das Gesetz, das da der Frau nach dem Tode ihres Mannes nicht verwehrt, einem andern Manne anzugehören, von dir nimmt, so bringt er dich auf den entgegengesetzten Zustand zurück, d. h. auf den, daß du nach dem Verlust deines Mannes durch den Tod nicht mehr heiraten darfst. So wenig du, wenn du noch nach dem Gesetze handeln dürftest, für eine Ehebrecherin gehalten würdest, wenn du nach dem Tode deines Mannes einem andern Mann angehörest, so sehr verdammt er dich nun, wegen der Verschiedenheit deiner Lage, von vornherein als Ehebrecherin, wenn du nach dem Tode deines Mannes einen andern heiratest. Weil du dem Gesetze bereits abgestorben bist, kann dir diese Freiheit nicht mehr gestattet sein; denn du bist vom Gesetze, unter welchem es dir gestattet gewesen wäre, zurückgetreten.
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Ebd. 5,14. ↩
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Ebd. 5,11 ff.; denotare steht hier, wie gewöhnlich, in tadelndem Sinne. ↩
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aliquamdiu adsectatae, postquam in deliciis habuerunt Christum, nubere volunt. Diese Stelle wird von Oehler falsch erklärt und von Kellner falsch übersetzt „die eine Zeitlang Freier gehabt haben, und nachdem sie Christus liebgewonnen, nacher doch noch gern heiraten wollen“. Adsectatae (vgl. Marc. V, 14 [626/6] humilibus adsectantes) heißen sie, weil sie der Zahl der Witwen beigetreten, in den besonderen Stand der Witwen eingetreten waren und bleibende Witwenschaft versprochen hatten; postquam in deliciis habuerunt Christum bedeutet, nachdem sie die (besondere) Liebe zu Christus aufgegeben haben. Vgl. kurz nachher viduitate in deliciis habita. ↩
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primam fidem susceptae viduitatis darf nicht übersetzt werden „den ersten Glauben nach angetretener Witwenschaft“; es ist die im Eifer des ersten Glaubens versprochene, gelobte Witwenschaft, oder fides steht hier = Treue. ↩
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quotiens in viduitate temptata immo et in deliciis habita darf nicht übersetzt werden: „so oft als man ihnen in der Witwenschaft Anträge macht“ oder besser „so oft man an ihnen Gefallen findet“. Es ist von dem Stand der Witwen die Rede. ↩
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Röm. 7,2 f. ↩
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Ebd. 7,4 f. ↩