8. Kap. Im Neuen Bunde begegnen uns gleich an der Schwelle Zacharias, Simeon, Anna und Johannes als Belege für die Monogamie sowohl als die Enthaltsamkeit. Die Apostel mit Ausnahme des Petrus erscheinen als Unverheiratete.
Wenden wir uns nun zu unserem eigenen Gesetze, d. h. zum Evangelium, was für Beispiele warten unser da erst, bevor wir zu den festen Bestimmungen1 vorgedrungen sind! Siehe, sogleich auf der Schwelle treten uns die beiden Wächterinnen der christlichen Heiligkeit, die Monogamie und die Enthaltsamkeit, entgegen, die eine in ihrer Ehrbarkeit in dem Priester Zacharias, die andere in ihrer Unversehrtheit2 in Johannes, dem Vorläufer; die eine versöhnt Gott, die andere verkündet Christum; die eine verkündet den vollkommenen Priester, die andere stellt mehr vor als einen Propheten, jenen nämlich, der Christum nicht bloß verkündete oder vor aller Augen auf ihn hinwies, sondern auch ihn taufte. Denn wer wäre würdiger gewesen, dem Leibe des Herrn jene Weihe zu erteilen, als ein Leib, der demjenigen glich, der ihn empfing und gebar! Und Christum gebar die Jungfrau, die sich nur einmal nach seiner Geburt verheiraten sollte3, damit S. 494die beiden Titel der Heiligkeit in der Abstammung Christi sich vollenden sollten4 durch eine Mutter, die einerseits Jungfrau und anderseits eine nur einmal Vermählte war. Bei der Darstellung des Kindes im Tempel, wer nimmt es in seine Hände? Wer erkannte es im Geiste zuerst? Ein gerechter und keuscher Mann, der gewiß kein Digamus war und es schon um deswillen nicht sein durfte, damit nicht Christus gleich darauf von einem Weibe in würdigerer Weie gepriesen werde, die eine alte und eingattige Witwe war, die, ganz dem Tempel sich widmend, genugsam an sich zu erkennen gab, wie die beschaffen sein müssen, die dem geistigen Tempel, d. i. der Kirche, eingegliedert sind.
Solche Zeugen fand der Herr als Kind; als Erwachsener hatte er keine anderen. Nur von Petrus finde ich, dadurch daß er eine Schwiegermutter hatte, daß er verheiratet gewesen; daß er in Monogamie lebte, darf ich annehmen wegen seiner Stellung zur Kirche5, die, auf ihn erbaut, alle Grade ihrer Weihen aus Monogamischen errichten sollte. Da ich nicht finde, daß die übrigen verheiratet gewesen seien, so muß ich sie entweder für geistig Verschnittene6 oder für Enthaltsame halten. Denn wenn auch die Weiber und die Gattinnen bei den Griechen mit einem gemeinschaftlichen Namen benannt werden, entsprechend dem kürzeren Sprachgebrauch7 - übrigens gibt es eine eigene Bezeichnung für Gattin -, so werden wir darum Paulus doch nicht so verstehen, als wolle er sagen, die Apostel hätten Gattinnen gehabt. Wenn er von ehelichen Verhältnissen hätte sprechen wollen, was er im folgenden tut, wo er eher ein Beispiel hätte namhaft machen können, so hätte er sich, wie es scheint, richtig so ausdrücken müssen: „Hätten wir nicht S. 495auch das Recht, Gattinnen mit uns umherzuführen, so gut wie die übrigen Apostel und Kephas?“8 Aber da, wo er seinen Verzicht auf Gewährung des Lebensunterhaltes9 klarlegt, sagt er: „Haben wir nicht auch Erlaubnis, zu essen und zu trinken?“10 Damit zeigt er, daß die Apostel keine Ehefrauen mit sich herumgeführt haben, da die Erlaubnis, zu essen und zu trinken, auch Leute haben, welche deren keine besitzen, sondern daß es nur Weiber schlechthin waren, welche ihnen in derselben Art wie die Begleiterinnen des Herrn dienten.
Wenn Christus gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer, die auf dem Lehrstuhl des Moses saßen und nicht handelten, wie sie lehrten, seine Mißbilligung ausspricht, in welchem Lichte würde er uns erscheinen, wenn er auf seinen eigenen Lehrstuhl Leute setzte, welche mehr darauf bedacht wären, die Heiligkeit des Leibes vorzuschreiben, als sie selbst zu üben, eine Heiligkeit, in Betreff derer er ihnen auf alle Weise eingeschärft hatte, sowohl sie zu lehren als sie zu betätigen, vor allem durch sein eigenes Beispiel, sodann durch die übrigen ihnen vorgeführten Lehrbeispiele, wie z. B., wenn er das Reich Gottes den Kleinen zuspricht11, wenn er diesen als desselben Reiches teilhaftig andere Kinder zugesellt, solche, die es auch nach der Heirat noch sind 12, wenn er sie zur Einfalt der Tauben auffordert13, eines nicht bloß unschuldigen, sondern auch keuschen Vögleins, bei denen immer nur ein Männchen ein Weibchen nimmt; wenn er es in Abrede stellt, daß die Samariterin einen Ehemann habe, um jeden ihrer zahlreichen Ehemänner als Ehebrecher hinzustellen14, wenn er bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit von all den vielen Heiligen lieber den Moses und Elias bei sich sehen wollte, wovon der eine nur einmal, der andere keinmal vermählt war,S. 496 - denn bei Elias war es nicht anders als bei Johannes15, der da in der Kraft und im Geiste des Elias kam; - wenn ferner er, jener „Fresser und Säufer“16, er, der die Früh- und die Hauptmahlzeiten bei den Zöllnern und Pharisäern so häufig besucht, doch nur einmal bei einer einzigen Hochzeit mitißt, obwohl sicherlich noch viele andere Leute Hochzeit hielten! Er wollte sie eben nur so oft besuchen, als er wollte, daß sie sein sollen17.
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ad sententias, nicht mehr Vorbilder, figurae, imagines, sondern feste klare Bestimmungen formae, definitiones vgl. vorher cap. 6 . ↩
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integra, als vollständige continentia, als unversehrte, jungfräuliche Reinheit. ↩
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semel nuptura post patrum ist die besser bezeugte und sicher richtige Lesart; Gangneius und Gelenius bieten o b patrum. Daß post patrum die richtige Lesart ist, beweist de virg. vel. 6. Hier betont nämlich T., daß Maria bis zur Geburt Christi eine Verlobte ( desponsata) war; mulier sei sie genannt worden und könne sie auch als bloße desponsata genannt werden, weil der terminus mulier nur das weibliche Geschlecht als solches benenne und somit auch von einer Jungfrau gebraucht werden könne. Quodsi ex virgine natus est, licet et desponsata, tamen integra, agnosce mulierem etiam virginem, etiam integram dici. Die Lesart „o b patrum“ ist wohl mit Rücksicht auf de carne Christi 23 entstanden, wo es heißt in partu suo nupsit. Während nach de virg. vel. 6 der Apostel (Gal. 4,4) factum ex muliere geschrieben hat, um kurzweg das weibliche Geschlecht und damit auch die Jungfrau zu bezeichnen, heißt es de carne Christi 1. c. cum hac ratione apostolus non ex virgine sed ex muliere editum filium dei pronuntiavit, agnovit adapertae vulvae nuptialem passionem. – In der Stelle per matrem et virginem et univiram mußte et ... et, um den genauen Sinn T.’s wiederzugeben, „einerseits ... andererseits“ übersetzt werden. ↩
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dispungeretur, zum Gebrauch von dispungere vgl. Hoppe 130. ↩
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per socrum – per ecclesiam. Über den Gebrauch von per vgl. Hoppe 33. Wörtlich: durch die Schwiegermutter werde ich zur Erkenntnis geführt, daß Petrus verheiratet war, und durch die Kirche werde ich zu der Annahme geführt, daß er ein Monogamus war. ↩
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spadones, die überhaupt nicht erheiratet, geistig Verschnittene waren nach Matth. 19,12. ↩
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Hierüber handelt de orat. 22; de virg. vel. 5. ↩
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1 Kor. 9,5. ↩
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den er sich selbst erwarb vgl. ebd. 9,12. 15. ↩
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1 Kor. 9,4. ↩
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Matth. 19,14. ↩
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Nach Matth. 19,12: qui se ipsos castraverunt propter regnum coelorum; vgl. Apol. 9, S. 69. ↩
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Matth. 10,16. ↩
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Joh. 4,16 ff. ↩
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Weil Johannes unverheiratet war, war es auch Elias. ↩
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Matth. 11,19. ↩
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Totiens enim voluit celebrare eas, quotiens et esse. Die Übersetzung: Er wollte, daß man nur so oft Hochzeiten feiere, als sie stattfinden dürfen, ist unrichtig. Der Sinn ist: Weil er nur ein einziges Mal eine Hochzeit besuchte, so hat er damit seinen Willen kundgetan, daß nur die Einehe gestattet ist. ↩