26. Kapitel: Zusammenfassendes Urteil des heiligen Augustinus; zur Erlangung der ewigen Seligkeit sind zwei Dinge vonnöten: der wahre Glaube und ein gutes sittliches Betragen. — Bemerkung über die drei Arten menschlicher Sünde
48. Mit Hilfe des Herrn, unseres Gottes, wollen wir uns demnach sorgfältig davor in acht nehmen, die Menschen dadurch in gefährliche Sicherheit zu wiegen, daß wir ihnen sagen, sie würden, einmal in Christus getauft, zum ewigen Heil gelangen, was für ein Leben sie auch in diesem Glauben führten. Wir wollen niemanden in gleicher Weise zum Christen machen, wie die Juden ihre Proselyten; denn zu diesen Juden sagt der Herr: "Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, die ihr Meer und Land durchzieht, um einen einzigen Proselyten zu machen, und wenn ihr ihn dazu gebracht habt, ihn zu einem Sohn der Hölle macht, zweimal mehr als ihr selber seid1 ." Wir wollen vielmehr in beiden Stücken die Lehre des göttlichen Meisters einhalten: der Taufe entspreche ein christliches Leben und niemandem S. 381soll, wenn eines von diesen Stücken fehlt, das ewige Leben versprochen werden. Denn der gleiche [göttliche Meister], der gesprochen hat: "Wenn jemand nicht wiedergeboren ist aus dem Wasser und dem Heiligen Geiste, so wird er nicht in das Himmelreich eingehen2 ", hat auch [von den Juden] gesagt: "Wenn euere Gerechtigkeit nicht vollkommener ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen3 ." Über die nämlichen Juden äußerte er sich aber noch folgendermaßen: "Schriftgelehrte und Pharisäer sitzen auf dem Lehrstuhl des Moses. Was die euch sagen, das tut; was sie aber selber tun, das tut nicht! Denn sie sagen es wohl, befolgen es aber selber nicht4 ." Ihre Gerechtigkeit besteht also darin, etwas zwar zu sagen, es aber nicht zu tun; und darum wollte er, daß unsere Gerechtigkeit vollkommener sei als die ihrige: wir aber sollen etwas sagen und es zugleich auch tun. Ist die Gerechtigkeit nicht von der Art, so kann man ins Himmelreich nicht eingehen. [Hat einer aber eine solche Gerechtigkeit,] so darf er sich trotzdem darob nicht erheben, um nicht gar zu sagen, sich vor anderen damit brüsten, sondern er soll nur bei sich selbst sich zu sagen getrauen, er sei in diesem Leben ohne Sünde.
Es gibt aber einige Sünden, die so schwer sind, daß man sie mit der Exkommunikation bestrafen muß. Denn sonst würde der Apostel ja nicht sagen: "[Ich habe entschieden,] da ihr und mein Geist versammelt seid, einen solchen Menschen5 dem Satan zum Verderben des Fleisches zu überliefern, auf daß seine Seele am Tage unseres Herrn Jesus Christus gerettet werde. Darum sagt er auch: " ... um nicht über viele trauern zu müssen, die vordem gesündigt und doch für ihre Unzucht und Ausschweifung, die sie getrieben haben nicht Buße getan haben6 ." Wenn es sodann nicht S. 382ebenso einige Sünden gäbe, die nicht durch demütigende, von der Kirche über die eigentlichen Büßer verhängte Buße, sondern bloß durch heilsame Zurechtweisung geheilt werden müssen, so würde der Herr nicht sagen: "Weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein; hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen7 ." Und wenn es endlich nicht auch gewisse, in diesem Leben unvermeidliche Sünden gäbe, so würde er uns nicht in dem von ihm gelehrten Gebete ein tägliches Heilmittel bieten, da wir sagen: "Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern8 ."
