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Enchiridion oder Buch vom Glauben, von der Hoffnung und von der Liebe (BKV)
103.
S. 486 Wenn dem aber wirklich so ist, dann dürfen wir auch dann, wenn wir hören und in der Heiligen Schrift lesen, daß Gott will, es sollten alle Menschen selig werden1, der unendlichen Allmacht des göttlichen Willens doch nicht die geringsten Schranken ziehen, auch wenn wir noch so sicher sind, daß in Wirklichkeit nicht alle Menschen selig werden. Wir müssen vielmehr die Stelle: „. . . der da will, daß alle Menschen selig werden2“, so verstehen, als hieße es: Kein Mensch wird selig, außer von wem Gott will, daß er es werde. Das ist nicht so zu verstehen, als ob es keinen Menschen gebe als nur solche, von denen er wirklich will, daß sie selig werden, sondern so muß man es verstehen, daß kein anderer Mensch selig wird als nur ein solcher, von dem er es will, und daß man deshalb zu ihm flehen muß, damit er es will; wenn er nämlich einmal etwas will, dann muß es auch geschehen. Denn vom Gebet sprach ja der Apostel gerade, als er unsern Ausspruch tat. So fassen wir auch jene andere Schriftstelle: „. . . der einen jeden Menschen erleuchtet3“, nicht in dem Sinne auf, als ob es gar keinen Menschen gebe, der nicht erleuchtet würde, sondern so, daß kein Mensch erleuchtet wird als nur durch ihn. Oder es heißt wenigstens nicht in dem Sinn: „. . . der will, daß alle Menschen selig werden4“, als ob es keinen Menschen gebe, von dem der nicht wollte, daß er selig werde, der seine Wunderkraft bei denen nicht äußern wollte, die, wie er sagte, in diesem Falle Buße getan hätten5; jenes Schriftwort muß vielmehr so aufgefaßt werden, daß wir unter „allen Menschen“ jede Menschenklasse verstehen, so verschieden sie auch sein mögen: Könige oder Privatleute, Adelige oder Nichtadelige, Hohe oder Niedrige, Gelehrte S. 487 oder Ungelehrte, Gesunde oder Gebrechliche, Menschen von Geist oder von langsamer Fassungskraft oder von Geistesschwäche, Reiche oder Arme oder mäßig Bemittelte, Männer oder Frauen, Kinder oder Knaben, Jünglinge oder junge Männer, Männer von reifem Alter oder schon Greise, Menschen aller Sprachen und Sitten, aller Künste und Berufe, Menschen von den verschiedensten Willensrichtungen und von der verschiedensten Gewissensverfassung und was es sonst noch für einen Unterschied unter den Menschen geben kann. Denn was gibt es für Menschenklassen, aus denen nicht Gott durch seinen Eingeborenen, unsern Herrn, unter allen Völkern Menschen zur Seligkeit führen wollte und an denen er nicht darum, weil sein Wollen doch kein leeres sein kann, auch wirklich all das erfüllte, was er will. Der Apostel hatte befohlen, es solle „für alle Menschen6“ gebetet werden und hatte hinzugefügt, in Sonderheit „für die Könige und für die Obrigkeiten, die an leitender Stelle sind7“, von denen man hätte glauben können, sie wollten infolge des weltlichen Prunkes oder Hochmutes von der Demut des christlichen Glaubens nichts wissen. Der Apostel fährt dann weiter: „denn das ist gut vor dem Heiland, unserm Gott8“ ― er meint nämlich, daß für solche Menschen gebetet werde ―; und um jede Hoffnungslosigkeit zu beseitigen, fügt er sofort bei: „(Gott,) der da will, daß alle Menschen selig werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen9.“ Denn das hat Gott für gut erachtet, daß durch das Gebet der Niedrigen das Heil der Hochstehenden bewirkt werde, was sich, wie wir jetzt sehen, in der Tat erfüllt hat. ― Jener Ausdrucksweise hat sich auch der Herr im Evangelium bedient, wo er zu den Pharisäern sagte: „Ihr verzehntet die Minze und die Raute und jedes Kraut10“ Denn auch die Pharisäer verzehnteten ja doch nicht alle fremden Kräuter und alle Kräuter aller anderen Völker aller Länder. Wie wir nun hier an dieser Stelle unter S. 488 „jedem Kraut“ nur alle Arten von Kräutern verstehen, so können wir an jener Stelle unter „allen Menschen11“ alle Klassen von Menschen verstehen. Man kann die Stelle schließlich auch noch irgendwie anders verstehen, wenn wir durch diese Auffassung nur nicht zu dem Glauben genötigt werden, der Allmächtige habe etwas geschehen lassen wollen und es sei dann doch tatsächlich nicht geschehen; denn wenn Gott, wie die Wahrheit von ihm singt, „im Himmel und auf Erden alles getan hat, was nur immer er wollte12“, dann hat er sicherlich all das, was er nicht getan hat, auch wirklich nicht tun wollen.
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The Enchiridion
Chapter 103.--Interpretation of the Expression in I Tim. II. 4: "Who Will Have All Men to Be Saved."
Accordingly, when we hear and read in Scripture that He "will have all men to be saved," 1 although we know well that all men are not saved, we are not on that account to restrict the omnipotence of God, but are rather to understand the Scripture, "Who will have all men to be saved," as meaning that no man is saved unless God wills his salvation: not that there is no man whose salvation He does not will, but that no man is saved apart from His will; and that, therefore, we should pray Him to will our salvation, because if He will it, it must necessarily be accomplished. And it was of prayer to God that the apostle was speaking when he used this expression. And on the same principle we interpret the expression in the Gospel: "The true light which lighteth every man that cometh into the world:" 2 not that there is no man who is not enlightened, but that no man is enlightened except by Him. Or, it is said, "Who will have all men to be saved;" not that there is no man whose salvation He does not will (for how, then, explain the fact that He was unwilling to work miracles in the presence of some who, He said, would have repented if He had worked them?), but that we are to understand by "all men," the human race in all its varieties of rank and circumstances,--kings, subjects; noble, plebeian, high, low, learned, and unlearned; the sound in body, the feeble, the clever, the dull, the foolish, the rich, the poor, and those of middling circumstances; males, females, infants, boys, youths; young, middle-aged, and old men; of every tongue, of every fashion, of all arts, of all professions, with all the innumerable differences of will and conscience, and whatever else there is that makes a distinction among men. For which of all these classes is there out of which God does not will that men should be saved in all nations through His only-begotten Son, our Lord, and therefore does save them; for the Omnipotent cannot will in vain, whatsoever He may will? Now the apostle had enjoined that prayers should be made for all men, and had especially added, "For kings, and for all that are in authority," who might be supposed, in the pride and pomp of worldly station, to shrink from the humility of the Christian faith. Then saying, "For this is good and acceptable in the sight of God our Saviour," that is, that prayers should be made for such as these, he immediately adds, as if to remove any ground of despair, "Who will have all men to be saved, and to come unto the knowledge of the truth." 3 God, then, in His great condescension has judged it good to grant to the prayers of the humble the salvation of the exalted; and assuredly we have many examples of this. Our Lord, too, makes use of the same mode of speech in the Gospel, when He says to the Pharisees: "Ye tithe mint, and rue, and every herb." 4 For the Pharisees did not tithe what belonged to others, nor all the herbs of all the inhabitants of other lands. As, then, in this place we must understand by "every herb," every kind of herbs, so in the former passage we may understand by "all men," every sort of men. And we may interpret it in any other way we please, so long as we are not compelled to believe that the omnipotent God has willed anything to be done which was not done: for setting aside all ambiguities, if "He hath done all that He pleased in heaven and in earth," 5 as the psalmist sings of Him, He certainly did not will to do anything that He hath not done.