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Enchiridion oder Buch vom Glauben, von der Hoffnung und von der Liebe (BKV)
106.
Die erstere Art von Unsterblichkeit hat die Menschennatur durch ihren freien Willen verloren, die letztere Art wird sie empfangen durch die Gnade; diese hätte sie im Falle, daß sie nicht in Sünde gefallen wäre, als Verdienst empfangen, obgleich es auch in diesem Falle ohne Gnade keinerlei Verdienst hätte geben können. Denn wenn auch die Sünde einzig und allein im freien Willen ihre Begründung hatte, so genügte doch der freie Wille nicht dazu, die Gerechtigkeit zu bewahren. Es mußte vielmehr die teilnehmende Liebe des (trotz aller Beleidigung) unveränderlich gut bleibenden Gottes Hilfe bringen. So liegt es auch in der Gewalt des Menschen, zu sterben, wenn er will; denn es gibt, um kein anderes Beispiel anführen zu müssen, keinen Menschen, der sich nicht durch bloße Enthaltung vom Essen selbst ums Leben bringen könnte; um aber das Leben zu erhalten, dazu genügt der bloße Wille nicht: es darf auch die S. 490 Hilfe der Nahrung und all der anderen Schutzmittel nicht fehlen. Geradeso war der Mensch im Paradies kraft seines Willens imstande, die Gerechtigkeit zu verlassen und sich das Leben zu rauben; allein um das Leben der Gerechtigkeit zu bewahren, dazu reichte sein Wille noch nicht aus; es mußte ihm derjenige, der ihn geschaffen hatte, auch wieder zu Hilfe kommen. Aber seit jenem Fall ist die Barmherzigkeit Gottes noch größer; muß ja doch jetzt sogar auch noch der Wille selbst befreit werden, über den nun neben dem Tod auch noch die Sünde Herrschaft gewonnen hat. Davon wird der Wille aber durchaus nicht von selber befreit, sondern ganz allein durch die Gnade Gottes, die im Glauben an Christus ihre Begründung hat. So wird also der Wille selbst nach dem Worte der Schrift1 von Gott vorbereitet, damit er die übrigen Gaben Gottes aufnehmen kann, durch die der Mensch erst zur Gabe der ewigen Seligkeit gelangt.
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Sprichw. 8, 35. ↩
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The Enchiridion
Chapter 106.--The Grace of God Was Necessary to Man's Salvation Before the Fall as Well as After It.
The former immortality man lost through the exercise of his free-will; the latter he shall obtain through grace, whereas, if he had not sinned, he should have obtained it by desert. Even in that case, however, there could have been no merit without grace; because, although the mere exercise of man's free-will was sufficient to bring in sin, his free-will would not have sufficed for his maintenance in righteousness, unless God had assisted it by imparting a portion of His unchangeable goodness. Just as it is in man's power to die whenever he will (for, not to speak of other means, any one can put an end to himself by simple abstinence from food), but the mere will cannot preserve life in the absence of food and the other means of life; so man in paradise was able of his mere will, simply by abandoning righteousness, to destroy himself; but to have maintained a life of righteousness would have been too much for his will, unless it had been sustained by the Creator's power. After the fall, however, a more abundant exercise of God's mercy was required, because the will itself had to be freed from the bondage in which it was held by sin and death. And the will owes its freedom in no degree to itself, but solely to the grace of God which comes by faith in Jesus Christ; so that the very will, through which we accept all the other gifts of God which lead us on to His eternal gift, is itself prepared of the Lord, as the Scripture says. 1
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Prov xvi. 1. ["The preparation of the heart in man... is from the Lord." A.V.] ↩