12.
Weil also der Schöpfer aller Wesen ohne Ausnahme unendlich gut ist, darum sind auch alle (geschaffenen) Wesen gut; aber weil sie nicht wie ihr Schöpfer unendlich und unwandelbar gut sind, darum kann das Gute an ihnen auch abnehmen oder zunehmen. Nimmt aber das Gute ab, so ist das etwas Böses; doch soviel auch von dem Guten abnimmt, etwas (Gutes) muß doch immer noch zurückbleiben, solange das Wesen selbst noch vorhanden ist; denn sonst könnte es ja seine S. 401 Wesenheit nicht behalten. Mag nämlich ein Wesen sein wie nur immer und mag es noch so unscheinbar sein, so kann doch das Gute, das in ihm kraft seiner Eigenschaft als Wesen wohnt, nur dann vernichtet werden, wenn das Wesen selbst vernichtet wird. Mit Recht wird gewiß ein unverdorbenes Wesen gerühmt; ist es aber auch noch unverderblich, so daß es einer Verderbnis überhaupt nicht ausgesetzt ist, so verdient es ohne Zweifel noch viel mehr Ruhm. Wird es aber einmal verdorben, so ist seine Verderbnis darum etwas Böses, weil sie es um irgendein Gut bringt. Würde sie es nämlich um kein Gut bringen, so wäre sie ja nicht schädlich; sie ist aber in Wirklichkeit schädlich, folglich nimmt sie ein Gut weg. Solange also ein Wesen noch dem Verderben ausgesetzt ist, besitzt es ein Gut, dessen es beraubt werden kann, und wenn darum von einem Wesen etwas übrigbleibt, was schließlich überhaupt nicht mehr verdorben werden kann, so ist es offenbar ein unverderbliches Wesen und es gelangt zu diesem so großen Gut gerade durch die Verderbnis1. Wenn aber die Möglichkeit der Verderbnis nicht aufhört, so hört das Wesen gewiß auch nicht auf, ein Gut zu besitzen, dessen es die Verderbnis berauben kann. Hat aber einmal die Verderbnis das Wesen voll und ganz zernichtet, so ist bloß deshalb nichts Gutes mehr an ihm, weil überhaupt keine Wesenheit mehr da ist. Darum kann die Verderbnis das Gute nicht vernichten, außer sie vernichtet das Wesen selbst. Jedes Wesen ist somit etwas Gutes, und zwar ein großes Gut, wenn es nicht verdorben werden kann, nur ein kleines aber dann, wenn dies möglich ist; doch (auch in diesem Falle) kann nur törichter Unverstand in Abrede stellen, daß es etwas Gutes ist. Wird aber das Wesen durch Verderbnis zerstört, dann bleibt auch die Verderbnis nicht zurück, weil ja kein Wesen mehr da ist, an dem es haften könnte.
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Erst durch die zerstörende Arbeit der Verderbnis wird klar, welch gewaltiges Gut das seiner Natur nach unverderbliche Wesen der Menschenseele ist. ↩