46.
S. 436 Dabei ist auch die Behauptung nicht unwahrscheinlich, daß den Kindern auch noch die (persönlichen) Sünden ihrer Eltern nachhängen, d. h. also nicht bloß die Sünden der ersten Menschen, sondern auch die der eigenen Eltern, von denen sie geboren sind. Jener göttliche Ausspruch: „Ich werde die Sünden der Väter an den Kindern strafen1“ liegt sicher wenigstens solange auf ihnen, als sie nicht durch die Wiedergeburt (in der Taufe) dem Neuen Testament einverleibt sind. Dieses (Neue) Testament aber wurde vorausverkündet, als durch Ezechiel das Wort erging, die Kinder würden die Sünden ihrer Väter nicht mehr erben und es werde in Israel nicht mehr länger der Spruch gelten: „Unsere Väter haben sauere Trauben gegessen und den Kindern sind davon die Zähne stumpf geworden2.“ Denn zu dem Zweck wird jeder wiedergeboren, damit er von jeder angeborenen Sünde befreit werde. Diejenigen Sünden nämlich, die erst später durch (eigenes) böses Tun begangen werden, können ja auch durch Buße wieder gut gemacht werden, wie wir es auch tatsächlich nach der Taufe geschehen sehen. Und somit ist folglich die Wiedergeburt nur deshalb angeordnet, weil unsere Geburt eine verderbte ist, und dies bis zu dem Grade, daß der doch aus rechtmäßiger Ehe stammende (David ) von sich sagt: „In Ungerechtigkeiten bin ich empfangen und in Sünden hat mich meine Mutter in ihrem Schoße genährt3.“ Auch David sagt hier nicht: „in Ungerechtigkeit oder in Sünde“ (Einzahl!), sondern er wollte lieber von „Ungerechtigkeiten und Sünden“ (Mehrzahl!) reden, obwohl er ganz richtig auch so hätte sagen können; denn auch in jener einen Sünde, die auf alle Menschen überging und die so groß ist, daß durch ihre Schuld die menschliche Natur ganz umgestaltet und der Notwendigkeit des Sterbens unterworfen wurde, findet sich, wie ich weiter oben ausgeführt habe, eine Mehrheit von Sünden. Zudem teilen auch die anderen (persönlichen) Sünden der Eltern, wenn sie auch S. 437 keine ähnliche Umgestaltung der Natur bewirken können, den Kindern doch eine gewisse Verschuldung mit, wenn ihnen nicht die unverdiente göttliche Gnade und Erbarmung zu Hilfe kommt.