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S. 454 Es gibt nun aber auch Leute, die glauben, solche, die nur vom Namen Christi nicht abfallen, die nur in seiner Kirche im Bade (der Wiedergeburt) getauft und durch keine Trennung und keine Irrlehre von dieser Kirche abgeschnitten werden, könnten in den denkbar größten Sünden dahinleben, ohne diese Sünden durch Reue auszulöschen oder durch Almosen wieder gut zu machen, und sie könnten darin bis zum letzten Augenblick ihres Lebens hartnäckig verharren; sie könnten eben dann doch noch selig werden durch Feuer; und zwar würden solche Menschen allerdings je nach der Größe ihrer Sünden und Verbrechen mit einem langen, aber keineswegs ewig dauernden Feuer bestraft. Wer jedoch einen solchen Glauben hegt und dabei doch katholisch ist, der läßt sich meiner Ansicht nach durch ein gewisses menschliches Mitgefühl beirren. Ziehen wir nämlich die Heilige Schrift zu Rate, so erhalten wir eine ganz andere Antwort. Übrigens habe ich über diese Frage ein besonderes Buch unter dem Titel „Vom Glauben und von den Werken1“ geschrieben. Darin habe ich, soweit ich es mit Gottes Hilfe vermochte, auf Grund der Heiligen Schrift nachgewiesen, daß nur der Glaube selig macht, den der Apostel Paulus deutlich genug mit den Worten bezeichnet hat: „In Christus Jesus gilt weder die Beschneidung (der Juden) etwas, noch auch die Unbeschnittenheit (der Heiden), sondern der Glaube, der durch die Liebe wirksam ist2.“ Ein Glaube jedoch, der Böses und nichts Gutes wirkt, ist ohne Zweifel nach dem Apostel Jakobus „in sich selbst tot3“. Derselbe Apostel spricht ferner: „Wenn einer sagt, er habe Glauben, hat aber keine Werke, kann ihn da wohl der Glaube retten4?“ Wenn aber nun ein verbrecherischer S. 455 Mensch nur wegen seines Glaubens durch Feuer gerettet würde und wenn das Wort des heiligen Paulus: „Er wird zwar gerettet werden, aber so wie durch Feuer5“ in diesem Sinne zu verstehen wäre, dann würde ja der Glaube ohne Werke selig machen können und das, was Jakobus, der Mitapostel des heiligen Paulus, sagt, wäre falsch. Falsch wäre dann sogar auch, was der nämliche Apostel Paulus selbst sagt: „Täuscht euch nicht! Weder Schamlose noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Weichlinge, noch Knabenschänder, weder Diebe noch Habsüchtige, weder Trunkenbolde noch Lästerer, noch Räuber werden das Reich Gottes besitzen6.“ Denn wenn sie trotz ihres Verharrens in diesen Verbrechen dennoch durch den Glauben an Christus selig würden, wie könnten sie da vom Reiche Gottes ausgeschlossen sein?