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Werke Augustinus von Hippo (354-430) De catechizandis rudibus Vom ersten katechetischen Unterricht (BKV)
Zweiter Teil
Kap. 16.-25. Die grosse Kathechese

20. Kapitel: Der Aufenthalt des israelitischen Volkes in Ägypten und seine mystische Vorbedeutung

34. Dieses Volk wurde nun nach Ägypten verpflanzt, mußte dort einem sehr harten König dienen und lernte in der Schule der härtesten Mühsale in Gott seinen Befreier suchen1 . Aber einer aus diesem Volke selbst, der heilige Diener Gottes, Moses, wurde ihnen gesandt, der in der Kraft Gottes durch große Wunderzeichen das damals gottlose Volk der Ägypter in Schrecken setzte und das Volk Gottes von dort hinaus und durch das Rote Meer führte2 ; hier wich das Wasser auseinander und ließ ihnen freie Bahn zum Hindurchschreiten. Ihre Verfolger aber, die Ägypter, gingen in den in sich wieder zusammensinkenden Fluten zugrunde. Wie also bei der Sintflut die Erde durch das Wasser von der Bosheit der Sünder gereinigt wurde, die damals bei der Überschwemmung ihren Untergang fanden, während die Gerechten3 durch das Holz [die S. 285Arche] dem Verderben entgingen, so fand auch das Volk Gottes bei seinem Auszug aus Ägypten einen Weg durch das Wasser, während seine Feinde gerade durch dieses Wasser vernichtet wurden. Aber auch dabei fehlte das Geheimnis des Holzes nicht; denn mit einem Stabe schlug Moses [auf das Wasser] um das Wunder zu bewirken4 . In beiden Fällen liegt ein Bild der heiligen Taufe vor, durch welche die Gläubigen zu einem neuen Leben hindurchschreiten, während ihre Sünden als ihre Feinde vernichtet werden und sterben müssen. Noch deutlicher aber wurde das Leiden Christi an jenem Volke damals vorgebildet, als ihm befohlen wurde, ein Lamm zu schlachten und zu essen und mit dessen Blut seine Türpfosten zu bestreichen, diesen Brauch alljährlich so zu begehen und diese Feier Pascha des Herrn zu heißen5 . Ganz klar sagte einmal die Prophezeiung von dem Herrn Jesus Christus: „Wie ein Schaf ist er zur Opferung geführt worden6 .“ Mit dem Zeichen dieses Leidens und Kreuzes sollst du heute an deiner Stirne wie an einem Türpfosten bezeichnet werden, so wie alle Christen damit bezeichnet werden.

35. Darauf wurde jenes Volk vierzig Jahre lang durch die Wüste geführt. Es empfing auch ein Gesetz, geschrieben vom „Finger Gottes7 “, ein Ausdruck, womit nach der ganz deutlichen Erklärung des Evangeliums8 der Heilige Geist bezeichnet wird. Gott ist ja von keiner körperlichen Gestalt begrenzt und man darf sich an ihm nicht Glieder und Finger denken, wie wir sie an uns sehen. Allein da durch den Heiligen Geist die Gaben Gottes den Heiligen so ausgeteilt werden, daß sie zwar verschiedene Fähigkeiten haben, aber dennoch der Einheit der Liebe nicht verlustig gehen und da sich ferner [am Leibe] gerade in den Fingern am meisten eine gewisse Trennung zeigt, jedoch ohne daß dabei eine Lostrennung von der Einheit stattfände, so wird aus S. 286diesem [oder einem andern] Grunde der Heilige Geist Finger Gottes genannt; wenn wir dies hören, dürfen wir aber nicht an die Gestalt eines menschlichen Körpers denken. Jenes Volk empfing also das vom Finger Gottes geschriebene Gesetz auf Tafeln, und zwar auf steinernen, um ihre Herzenshärtigkeit anzudeuten: sie sollten ja dieses Gesetz nicht erfüllen. Denn da sie nur irdische Güter von Gott verlangten, so wurden sie auch mehr von fleischlicher Furcht als von geistiger Liebe geleitet: das Gesetz aber erfüllt nichts als nur die Liebe9 . So fühlten sie sich denn belastet mit vielen sichtbaren, sakramentalen Anordnungen und niedergehalten in einem Sklavenjoch durch Beobachtung von Speisegesetzen, Tieropfern und unzähligen anderen Vorschriften: das waren jedoch alles nur Bilder geistiger Dinge, die sich auf Christus, den Herrn, und auf die Kirche bezogen; von den wenigen Heiligen der damaligen Zeit wurden sie auch tatsächlich zu ihrem eigenen Heil so verstanden und jener Zeit entsprechend beobachtet; von der großen Masse der fleischlich Gesinnten wurden sie jedoch ohne Verständnis beobachtet.

36. Mit so vielen und mancherlei Zeichen für die künftigen Geschehnisse, deren vollständige Aufzählung zu weit führen würde und die wir jetzt in der Kirche in Erfüllung gehen sehen, wurde jenes Volk in das Land der Verheißung geführt, um dort seinem Wunsche gemäß eine zeitliche und fleischliche Herrschaft zu begründen. Aber auch dieses irdische Reich trug die Züge eines geistigen Reiches an sich. Dort wurde Jerusalem erbaut, die hochberühmte Stadt Gottes, die als Vorbild dienen sollte für jene freie Stadt, die das himmlische Jerusalem heißt10 . — Jerusalem ist ein hebräisches Wort und bedeutet soviel wie „Erscheinung des Friedens“. — Bürger dieser Stadt sind alle geheiligten Menschen, die jemals waren, jetzt sind oder einmal sein werden, und auch alle geheiligten Geister, die da in den himmlischen Höhen in frommer Anbetung Gott dienen S. 287und es nicht dem frechen Hochmut des Teufels und seiner Engel gleichtun wollen. König dieser Stadt ist der Herr Jesus Christus, das Wort Gottes, der Herrscher über die höchsten Engel, das Wort, welches Menschennatur angenommen hat, um auch über die Menschen zu herrschen, die einst alle zusammen mit ihm herrschen sollen in ewigem Frieden. Das hervorragendste Vorbild dieses Königs war in jenem irdischen Reich des Volkes Israel der König David, aus dessen Samen ein wahrer König, unser Herr Jesus Christus, der da ist unser alles, Gott, hochgelobt in Ewigkeit11 , dem Fleische nach hervorgehen sollte12 . Vieles ist in jenem Lande der Verheißung geschehen, was auf den kommenden Christus und seine Kirche hinwies und was du nach und nach aus den heiligen Schriften wirst lernen können.


  1. Exod. 1,8ff. ↩

  2. Ebd. 8ff. ↩

  3. Noe und die Seinigen. ↩

  4. Exod. 14,16. ↩

  5. Ebd. 12,3ff. ↩

  6. Vgl. Is. 53,7. ↩

  7. Exod. 31,18. ↩

  8. Luk. 11,20; Matth. 12,28. ↩

  9. Nach Röm. 13,8 oder 10. ↩

  10. Hebr. 12,22. ↩

  11. Röm. 9,5. ↩

  12. Ebd. 1,3. ↩

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