27. Kapitel
53. Denn alles, was du jetzt in der Kirche Gottes und im Namen Christi auf dem ganzen Erdkreis vor sich gehen siehst, war schon Jahrhunderte früher vorausgesagt; und so wie wir es lesen, ebenso sehen wir es auch; und daraus werden wir zum Glauben auferbaut.1
Einstmals breitete sich die Sintflut über die ganze Erde aus zur Vertilgung der Sünder: Jene Menschen aber, die dabei in der Arche entkamen, stellten uns das Heilssymbol der zukünftigen Kirche vor Augen, welche jetzt in den Fluten dieser Welt schwimmt und durch das Kreuzesholz Christi vor dem Versinken bewahrt wird.
Vorausgesagt wurde Abraham, dem treuen Diener Gottes, einem einzelnen Menschen, daß von ihm einmal das Volk abstammen werde, das mitten unter allen übrigen Völkern, die die Götzenbilder verehrten, den einen Gott verehren werde. Und alles, was diesem Volk gemäß der Voraussage in S. 91 Zukunft widerfahren sollte, ging genauso in Erfüllung, wie es vorausgesagt war.2
Prophezeit wurde auch, daß in jenem Volk einmal Christus, König aller Heiligen und Gott, aus dem Samen des genannten Abraham dem Fleische nach, das er annahm, hervorgehen werde, damit alle, die Abraham im Glauben nachfolgten, auch seine Söhne seien.3 Und so geschah es; Christus wurde geboren aus der Jungfrau Maria, die aus jenem Geschlecht stammte.
Vorausgesagt wurde durch die Propheten, daß Christus durch dasselbe Volk der Juden, von dem er dem Fleische nach abstammte, den Kreuzestod erleiden werde; und so geschah es.4
Vorausgesagt wurde, daß er aufstehen werde: Er ist auferstanden. Und genau nach den Vorhersagen der Propheten stieg er in den Himmel auf und schickte seinen Jüngern den Heiligen Geist.5
Nicht nur durch die Propheten, sondern auch durch den Herrn Jesus Christus selber wurde vorhergesagt, daß die Kirche sich über den ganzen Erdkreis ausbreiten werde,6 ausgesät durch das Martyrium und die Leiden seiner Heiligen. Und dies wurde zu einer Zeit vorhergesagt, als Christi Name bei den meisten Völkern noch verborgen war oder aber, wo er bekannt war, verspottet wurde. Aber schon können wir sehen, daß auch diese Voraussage Wirklichkeit wurde, da die Wundertaten Christi – sowohl jene, die er selbst wirkte, wie auch jene, die er durch seine Jünger wirken ließ – verkündet und gläubig aufgenommen werden. Und wir sehen, daß sich sogar die Beherrscher der Erde, welche vorher die Christen verfolgten, unter das Joch Christi beugten.
Vorausgesagt wurde auch, daß von der Kirche Christi Schismen S. 92 und Häresien ausgehen werden,7 die in seinem Namen, wo immer es ihnen gelingt, ihre eigene, nicht aber Christi Ehre suchen werden: Auch diese Voraussage erfüllte sich.8
54. Wie sollten also jene Prophezeiungen, deren Erfüllung noch aussteht, sich nicht bewahrheiten? Genauso wie die genannten Vorhersagen eingetroffen sind, werden doch offensichtlich auch all jene Heimsuchungen für die Gerechten noch eintreffen, die bisher ausgeblieben sind, ebenso der Tag des Gerichtes, der bei der Auferstehung der Toten sämtliche Gottlosen von den Gerechten trennen wird, der also nicht nur jene, die außerhalb der Kirche sind, für das ihnen zustehende Feuer aussondern wird, sondern auch die Spreu im Innern der Kirche, die von ihr noch bis zum letzten Aussieben in aller Geduld ertragen werden muß.9 Jene aber, die über die Auferstehung spotten in der Meinung, das Fleisch könne, weil es verwest, nicht auferstehen, werden in eben diesem Fleisch zu ihrer Bestrafung auferstehen10. Und Gott wird ihnen zeigen, daß er, der imstande war, ihre Körper zu erschaffen, als sie noch nicht waren, sie auch in einem Augenblick so wiederherstellen kann, wie sie waren.11 Alle Gläubigen aber, die einmal mit Christus zusammen herrschen werden, werden im selben Leib auferstehen, um gemäß ihrem Verdienst in die Unvergänglichkeit, wie sie den Engeln eigen ist, umgewandelt zu werden, um den Engeln Gottes gleich zu werden,12 so wie der Herr selber es versprochen hat, und um Gott ohne Ermüdung und Überdruß zu lobpreisen, ewig in ihm und aus ihm lebend, in solcher Freude und Glückseligkeit, wie der Mensch sie weder aussprechen noch ausdenken kann. S. 93
55. Glaube also an diese Vorhersagen und hüte dich deshalb vor Versuchungen, denn der Teufel sucht, wer mit ihm zugrunde gehe!13 So wird dich jener Feind weder durch Menschen verführen können, die außerhalb der Kirche stehen, seien es Heiden, Juden oder Häretiker, noch wirst du solche nachahmen, die du in der katholischen Kirche selber einen üblen Lebenswandel führen siehst, die maßlos sind in den Genüssen des Bauches und der Kehle, die Unzüchtigen, jene, die sinnlosem und verbotenem Nervenkitzel frönen, seien es Schauspiele, Zauberheilkünste oder teuflische Wahrsagerei, jene, die im aufgeblasenen Pomp der Habgier und des Hochmuts oder sonst in einer Weise, die das Gesetz verurteilt und bestraft, leben; du wirst dich vielmehr den Guten anschließen, die du leicht finden kannst, sobald du einmal selber so sein wirst; und mit ihnen zusammen wirst du Gott verehren und lieben, ohne auf Belohnung zu warten, denn er selber wird unser ganzer Lohn sein, indem wir uns in jenem ewigen Leben an seiner Güte und Schönheit erquicken werden. Freilich dürfen wir Gott nicht so lieben, wie man etwas liebt, was mit den Augen gesehen wird, vielmehr so, wie man die Weisheit liebt, die Wahrheit, die Heiligkeit, die Gerechtigkeit und Liebe oder andere derartige geistige Werte; und zwar nicht wie diese in den Menschen vorkommen, sondern so wie sie am Urquell der unvergänglichen und unveränderlichen Weisheit vorhanden sind. Wo immer du Menschen siehst, deren Liebe auf solche Werte gerichtet ist, schließe dich ihnen an, damit du durch Christus, der Mensch geworden ist, um Mittler zwischen Gott und den Menschen zu werden,14 mit Gott versöhnt wirst. Und glaube nicht, daß verdorbene Menschen, auch wenn sie in Kirchengebäude eintreten, je in das Himmelreich eintreten werden: Zu gegebener Zeit werden sie ausgesondert, falls sie sich nicht vorher zum Besseren gewandelt haben. Den guten Menschen also S. 94 folge nach, die Schlechten ertrage, alle aber liebe! Denn du weißt ja nicht, was einer morgen sein wird, der heute schlecht ist. Liebe aber nicht ihre Ungerechtigkeit, sondern liebe sie als Menschen, damit sie die Gerechtigkeit erlangen! Denn nicht allein die Liebe zu Gott ist uns vorgeschrieben, sondern auch die Liebe zum Nächsten; und an diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.15 Nur der erfüllt dieses Gesetz, welcher den Heiligen Geist als Gabe empfangen hat, der ja wesensgleich ist mit dem Vater und dem Sohn. Denn diese Dreiheit ist Gott, und auf diesen Gott müssen wir unsere ganze Hoffnung setzen,16 nicht aber auf den Menschen,17 mag er noch so gut sein. Denn es ist ein Unterschied zwischen jenem, von dem wir gerechtfertigt werden, und jenen, mit denen zusammen wir gerechtfertigt werden.
Doch nicht nur durch den Reiz der Begierden will uns der Teufel versuchen, sondern auch durch die Schrecken der Anfeindungen, der Qualen, ja sogar des Todes. Wieviel auch immer aber der Mensch für den Namen Christi und für die Hoffnung auf das ewige Leben erleiden und beharrlich durchstehen wird, größer noch wird der Lohn sein, der ihm einmal zuteil wird; falls er aber dem Teufel nachgibt, wird er mit ihm zusammen verdammt werden. Doch die Werke der Barmherzigkeit, in frommer Demut geleistet, erreichen beim Herrn, daß er seine Knechte keinen Versuchungen aussetzt, die ihre Kräfte übersteigen.18
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Vgl. Jud 17-20. ↩
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Vgl. Gen 12,2 ff. ↩
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Vgl. Gal 3,7. ↩
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Vgl. Jes 53,3ff.; Zach 12,10. ↩
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Vgl. Joel 2,28-32 (Vg); 3,1-5. ↩
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Vgl. Jes 2,2; Mi 4,1 ff.; Mt 24,14. ↩
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Vgl. 1 Kor 11,19. ↩
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Vgl. Joh 7,18. ↩
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Vgl. Mt 3,12. ↩
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Vgl. 1 Kor 15,15.35. ↩
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Vgl. 1 Kor 15,51 ff. ↩
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Vgl. Mt 22,30; Mk 12,25; Lk 20,36. ↩
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Vgl. 1 Petr 5,8. ↩
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Vgl. 1 Tim 2,5. ↩
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Vgl. Mt 22,37-40. ↩
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Vgl. Ps 77,7. ↩
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Vgl. Jer 17,5a. ↩
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Vgl. 1 Kor. 10,13. ↩