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De civitate Dei (CCSL)
Caput IX: De longa uita hominum, quae fuit ante diluuium et de ampliore humanorum corporum forma.
Quamobrem nullus prudens rerum existimator dubitauerit Cain non solum aliquam, uerum etiam magnam potuisse condere ciuitatem, quando in tam longum tempus protendebatur uita mortalium; nisi forte infidelium quispiam ex ipsa numerositate annorum nobis ingerat quaestionem, qua uixisse tunc homines scriptum est in auctoritatibus nostris, et hoc neget esse credendum. ita quippe non credunt etiam magnitudines corporum longe ampliores tunc fuisse quam nunc sunt. unde et nobilissimus eorum poeta Vergilius de ingenti lapide, quem in agrorum limite infixum uir fortis illorum temporum pugnans et rapuit et cucurrit et intorsit et misit: uix illum - inquit - lecti bis sex ceruice subirent, qualia nunc hominum producit corpora tellus, significans maiora tunc corpora producere solere tellurem. quanto magis igitur temporibus recentioribus mundi ante illud nobile diffamatumque diluuium. sed de corporum magnitudine plerumque incredulos nudata per uetustatem siue per uim fluminum uariosque casus sepulcra conuincunt, ubi apparuerunt uel unde ceciderunt incredibilis magnitudinis ossa mortuorum. uidi ipse non solus, sed aliquot me cum in Vticensi litore molarem hominis dentem tam ingentem, ut, si in nostrorum dentium modulos minutatim concideretur, centum nobis uideretur facere potuisse. sed illum gigantis alicuius fuisse crediderim. nam praeter quod erant omnium multo quam nostra maiora tunc corpora, gigantes longe ceteris anteibant; sicut aliis deinde nostrisque temporibus rara quidem, sed numquam ferme defuerunt, quae modum aliorum plurimum excederent. Plinius Secundus, doctissimus homo, quanto magis magisque praeterit saeculi excursus, minora corpora naturam ferre testatur; quod etiam Homerum commemorat saepe carmine fuisse conquestum, non haec uelut poetica figmenta deridens, sed in historicam fidem tamquam miraculorum naturalium scriptor adsumens. uerum, ut dixi, antiquorum magnitudines corporum inuenta plerumque ossa, quoniam diuturna sunt, etiam multo posterioribus saeculis produnt. annorum autem numerositas cuiusque hominis, quae temporibus illis fuit, nullis nunc talibus documentis uenire in experimentum potest. nec tamen ideo fides sacrae huic historiae deroganda est, cuius tanto inpudentius narrata non credimus, quanto inpleri certius praenuntiata conspicimus. dicit tamen etiam idem Plinius esse adhuc gentem, ubi ducentos annos uiuitur. si ergo humanarum uitarum diuturnitates, quas experti non sumus, hodie habere creduntur incognita nobis loca, cur non habuisse credantur et tempora? an uero credibile est alicubi esse quod hic non est, et incredibile est aliquando fuisse quod nunc non est?
Übersetzung
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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
9. Die lange Lebensdauer der Menschen vor der Sündflut und deren gewaltigere leibliche Erscheinung.
Wer also die Verhältnisse umsichtig in Anschlag bringt, wird nicht bezweifeln, daß Kain sogar eine große Stadt hat gründen können, da sich ja das Leben der Sterblichen über einen so langen Zeitraum erstreckte. Freilich einer aus den Reihen der Ungläubigen könnte unsere Voraussetzung anstreiten, die große Zahl der Lebensjahre, die den damaligen Menschen in unseren Glaubensschriften zugeteilt wird, und könnte dieser Voraussetzung die Glaubwürdigkeit absprechen. So glauben sie wohl auch nicht, daß die Körpergröße damals viel beträchtlicher gewesen sei als jetzt. Und doch sagt darüber ihr eigener hochberühmter Dichter Band 16, S. 821Vergilius1, wo er von einem ungeheuren Steine spricht, einem Feldgrenzstein, den ein Held jener Zeit im Kampfe herausriß, damit enteilend ihn im Kreise schwang und schleuderte:
„Schwerlich hätten ihn zwölf der erlesensten Männer gehoben,
Deren, wie heutzutage die Erde die Leiber hervorbringt“;
womit er andeutet, daß die Erde damals gewaltigere Leiber hervorzubringen pflegte. Um wieviel mehr demnach als in diesen jüngeren Weltzeiten erst vor der berühmten, weithin bekannten Sündflut! Indes, was die gewaltige Körpergröße der frühzeitlichen Menschen betrifft, so werden die, die daran nicht glauben wollen, oft überführt durch alte Gräber, die durch den Zahn der Zeit oder durch Wassergewalt oder durch Zufälle mancherlei Art freigelegt worden sind und in denen zum Vorschein kamen oder aus denen herausfielen Totengebeine von unglaublicher Größe. Ich habe selbst — und nicht ich allein, sondern mehrere mit mir — an der Küste von Utica einen menschlichen Backenzahn gesehen, so ungeheuer groß, daß er nach unserer Schätzung wohl hundert heutige hätte ausmachen mögen, wenn man ihn in kleine Stücke wie unsere Zähne zerschlagen hätte. Der mag indes einem Riesen angehört haben. Diese überragten an Körpergröße die übrigen noch weit, obwohl schon die Durchschnittsgröße der damaligen Menschen viel bedeutender war als die unsrige; wie es ja auch in den folgenden Zeiten bis herab zu den unsrigen fast immer, wenn auch nur vereinzelt, Leute gab, die an Körpergröße das Durchschnittsmaß weit überschritten. Plinius Secundus, der große Gelehrte, versichert2, daß die Natur mit dem allmählichen Voranschreiten des Weltverlaufes immer kleinere Leiber hervorbringe; er hebt ferner hervor, daß auch Homer oft darüber klage in seinem Gedichte, und er macht sich nicht etwa darüber lustig als über eine Ausgeburt der dichterischen Phantasie, sondern führt es als ein Band 16, S. 822geschichtliches Zeugnis an, wo er über die Wunder in der Natur schreibt. Indes, wie gesagt, die Größe der Leiber der Vorzeit wird ja durch häufige Funde von Gebeinen, da diese sehr haltbar sind, auch viel jüngeren Zeiten vor Augen geführt. Dagegen kann die damalige lange Lebensdauer des Menschen nicht durch derartige Zeugnisse der Beobachtung zugänglich gemacht werden. Aber man darf deshalb der heiligen Geschichte nicht die Glaubwürdigkeit absprechen, was ihren Berichten gegenüber um so vermessener wäre, als wir ja ihre Vorhersagungen so sicher in Erfüllung gehen sehen. Übrigens spricht doch auch der genannte Plinius3 von einem zeitgenössischen Volke, wo die Leute zweihundert Jahre alt werden. Wenn man also eine lange Lebensdauer, über die wir keine unmittelbare Erfahrung haben, gelten läßt in uns unbekannten Gegenden, warum nicht auch in fernliegenden Zeiten? Gibt es irgendwo etwas, was es bei uns nicht gibt, so kann es geradesogut irgendwann etwas gegeben haben, was es jetzt nicht mehr gibt.