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De civitate Dei (CCSL)
Caput XIV: Meliorem fuisse Platonem, qui poetis locum in bene morata urbe non dederit, quam hos deos, qui se ludis scaenicis uoluerint honorari.
Deinde quaerimus, ipsi poetae talium fabularum conpositores, qui duodecim tabularum lege prohibentur famam laedere ciuium, tam probrosa in deos conuicia iaculantes cur non ut scaenici habeantur inhonesti. qua ratione rectum est, ut poeticorum figmentorum et ignominiosorum deorum infamentur actores, honorentur auctores? an forte Graeco Platoni potius palma danda est, qui cum ratione formaret, qualis esse ciuitas debeat, tamquam aduersarios ueritatis poetas censuit urbe pellendos? iste uero et deorum iniurias indigne tulit et fucari corrumpique figmentis animos ciuium noluit. confer nunc Platonis humanitatem a ciuibus decipiendis poetas urbe pellentem cum deorum diuinitate honori suo ludos scaenicos expetente, ille, ne talia uel scriberentur, etsi non persuasit disputando, tamen suasit leuitati lasciuiaeque Graecorum; isti, ut talia etiam agerentur, iubendo extorserunt grauitati et modestiae Romanorum. nec tantum haec agi uoluerunt, sed sibi dicari, sibi sacrari, sibi sollemniter exhiberi. cui tandem honestius diuinos honores decerneret ciuitas? utrum Platoni haec turpia et nefanda prohibenti, an daemonibus hac hominum deceptione gaudentibus, quibus ille uera persuadere non potuit? hunc Platonem Labeo inter semideos commemorandum putauit, sicut Herculem, sicut Romulum. semideos autem heroibus anteponit; sed utrosque inter numina conlocat. uerumtamen istum, quem appellat semideum, non heroibus tantum, sed etiam dis ipsis praeferendum esse non dubito. propinquant autem Romanorum leges disputationibus Platonis, quando ille cuncta poetica figmenta condemnat, isti autem poetis adimunt saltem in homines maledicendi licentiam; ille poetas ab urbis ipsius habitatione, isti saltem actores poeticarum fabularum remouent a societate ciuitatis; et si contra deos ludorum scaenicorum expetitores aliquid auderent, forte undique remouerent. nequaquam igitur leges ad instituendos bonos aut corrigendos malos mores a dis suis possent accipere seu sperare Romani, quos legibus suis uincunt atque conuincunt. illi enim honori suo deposcunt ludos scaenicos, isti ab honoribus omnibus repellunt homines scaenicos; illi celebrari sibi iubent figmentis poeticis obprobria deorum, isti ab obprobriis hominum deterrent inpudentiam poetarum. semideus autem ille Plato et talium deorum libidini restitit, et ab indole Romanorum quid perficiendum esset ostendit, qui poetas ipsos uel pro arbitrio mentientes uel hominibus miseris quasi deorum facta pessima imitanda proponentes omnino in ciuitate bene instituta uiuere noluit. nos quidem Platonem nec deum nec semideum perhibemus, nec ulli sancto angelo summi dei nec ueridico prophetae nec apostolo alicui nec cuilibet Christi martyri nec cuiquam Christiano homini conparamus; cuius nostrae sententiae ratio deo prosperante suo loco explicabitur. sed eum tamen, quandoquidem ipsi uolunt fuisse semideum, praeferendum esse censemus, si non Romulo et Herculi - quamuis istum nec fratrem occidisse, nec aliquod perpetrasse flagitium quisquam historicorum uel poetarum dixit aut finxit - , certe uel Priapo uel alicui Cynocephalo, postremo uel Febri, quae Romani numina partim peregrina receperunt, partim sua propria sacrauerunt. quomodo igitur tanta animi et morum mala bonis praeceptis et legibus uel inminentia prohiberent, uel insita extirpanda curarent di tales, qui etiam seminanda et augenda flagitia curauerunt, talia uel sua uel quasi sua facta per theatricas celebritates populis innotescere cupientes, ut tamquam auctoritate diuina sua sponte nequissima libido accenderetur humana, frustra hoc exclamante Cicerone, qui cum de poetis ageret: ad quos cum accessit, inquit, clamor et adprobatio populi quasi cuiusdam magni et sapientis magistri, quas illi obducunt tenebras, quos inuehunt metus, quas inflammant cupiditates.
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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
14. Plato, der den Dichtern in seinem Musterstaat keinen Platz gewährte, war besser als diese Götter, die sich durch Schauspiele verehren ließen.
Sodann stellen wir die Frage, warum denn die Dichter, denen durch das Zwölftafelgesetz die Verunglimpfung von Bürgern verboten ist, als die Verfasser solcher Bühnenstücke, in welchen schimpfliche Lästerungen wider die Götter geschleudert werden, nicht ebenso wie die Schauspieler für unehrlich gelten. Wie läßt es sich rechtfertigen, daß die Mimen poetischer Fabeleien und schandbarer Götter in Verruf erklärt und die Dichter in Ehren gehalten werden? Oder hat man vielleicht dem Griechen Plato die Palme zu reichen, der, als er das Ideal eines Staatswesens im Geiste entwarf, die Dichter als Feinde der Wahrheit aus dem Staate vertrieben wissen wollte? Er war eben entrüstet über die Schmähung der Götter und mochte es nicht leiden, daß der Sinn der Bürger durch Fabeleien auf Abwege geführt und verdorben werde. Und nun stelle man den Menschen Plato, der die Dichter aus dem Staate vertreiben Band 1, S. 97will, damit sie nicht die Bürger betrügen, neben die Götter, die zu ihren Ehren Bühnenspiele heischen! Der eine riet, wenn er auch durch seine Ausführungen nicht zu überreden vermochte, den leichtsinnigen und ausgelassenen Griechen, derlei gar nicht schreiben zu lassen; die andern zwangen durch ihren Befehl die ernsten und ehrbaren Römer, derlei sogar aufführen zu lassen. Und sie begnügten sich nicht mit der Aufführung, sie ließen sich derlei auch noch widmen, sich weihen, sich feierlich darbringen. Wem doch würde der Staat mit mehr Schicklichkeit göttliche Ehren zuerkennen, dem Plato, der solch schändliche und sündliche Dinge zu hindern suchte, oder den Dämonen, die sich über diese Berückung von Menschen freuen, welche jener von der Wahrheit nicht zu überzeugen vermochte?
Diesen Plato glaubte Labeo zu den Halbgöttern zählen zu sollen wie einen Herkules oder einen Romulus. Und die Halbgötter stellt er über die Heroen, beide jedoch zu den Gottheiten. Ich würde indes kein Bedenken tragen, diesen sogenannten Halbgott nicht nur über die Heroen, sondern auch über die Götter selbst zu stellen. Zwischen den Gesetzen der Römer aber und den Anschauungen Platos besteht insofern eine Verwandtschaft, als Plato alle dichterischen Fabeleien verwirft, während die Römer den Dichtern wenigstens die Schmähfreiheit den Menschen gegenüber benehmen; jener die Dichter vom Aufenthalt im Staate fernhält, diese wenigstens die Darsteller dichterischer Fabeleien von der bürgerlichen Gemeinschaft ausschließen und sie, wenn sie den Göttern gegenüber als den Urhebern der Schauspiele sich's getrauten, vielleicht ganz wegweisen würden. Gewiß hätten also die Römer Gesetze zur Begründung guter oder zur Besserung schlechter Sitten von ihren Göttern nicht überkommen oder erhoffen können, da sie ja durch ihre eigenen Gesetze die Götter übertreffen und des Unrechts überführen. Denn diese heischen zu ihren Ehren Bühnenspiele, und die Römer versagen alle Ehre den Bühnenspielern; die Götter befehlen, ihre Schmach in dichterischen Fabeleien zu feiern, und die Römer schrecken die Zügellosigkeit der Dichter von Schmähungen der Menschen ab. Jener Halbgott Plato Band 1, S. 98aber trat nicht nur dem Begehren solcher Götter entgegen, sondern deutete auch an, was die Römer ihrer natürlichen Veranlagung gemäß hätten ausführen sollen, indem er sich dagegen aussprach, daß den Dichtern, die entweder willkürlich Lügen erfinden oder den unglücklichen Menschen verruchte Taten vorgeblicher Götter zur Nachahmung vor Augen stellen, in einem wohl eingerichteten Staate ein Platz gewährt werde. Wir halten zwar Plato weder für einen Gott noch für einen Halbgott, noch stellen wir ihn auf eine Stufe mit irgend einem Engel des höchsten Gottes oder mit einem Propheten der Wahrheit oder mit einem Apostel oder mit einem Märtyrer Christi oder mit irgend einem christlichen Menschen; den Grund dafür werden wir mit Gottes Gnade in anderem Zusammenhang darlegen. Immerhin aber sind wir, da sie selbst ihn zu einem Halbgott machen, der Ansicht, er sei, wenn nicht über Romulus und Herkules zu stellen (obwohl ihm kein Geschichtsschreiber und kein Dichter einen Brudermord noch sonst eine Untat nachgesagt oder angedichtet hat), so doch gewiß über Priapus oder einen Kynokephalus oder gar die Febris, Gottheiten, die die Römer teils von auswärts übernahmen, teils selbst dazu geweiht haben. Wie sollten sich nun also um gute Vorschriften und Gesetze zur Hintanhaltung oder Bekämpfung einer solchen Verheerung der Gesinnung und Gesittung Götter kümmern, die sich im Gegenteil die Entstehung und Ausbreitung von Lastern angelegen sein ließen durch das Verlangen, daß ihre derartigen Taten oder Scheintaten durch theatralische Feiern den Völkern bekannt gemacht würden, damit durch den Anschein eines göttlichen Vorbildes die schon aus eigenem Antrieb grundschlechte menschliche Lust entfacht werde, unter deren Ansturm Ciceros Wort1 verhallt, der von den Dichtern sagt: „Wenn ihnen nur erst das Beifallsgeschrei der Menge zuteil wird, die ihnen als ein gewichtiger und einsichtsvoller Lehrmeister gilt, welche Finsternis verbreiten sie dann über sie, welche Schrecknisse jagen sie ihr ein, welche Begierden entflammen sie in ihr!“
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De republ. 4, 9. ↩