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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
5. Die Affekte, die dem christlichen Gemüt zusetzen, reißen es nicht zum Bösen hin, sondern dienen zur Übung in der Tugend.
Es ist hier nicht nötig, ausführlich und eingehend zu zeigen, was die göttliche Schrift, die die Unterweisung der Christen enthält, über diese Affekte lehrt. Unterstellt sie doch der Gottheit den Geist selbst zur Leitung und Stärkung, und dem Geist die Affekte zur Mäßigung und Zügelung, so daß sie zur Ausübung der Gerechtigkeit dienen müssen. Auch handelt es sich in der christlichen Anschauung nicht so fast um die Frage, ob frommer Sinn überhaupt zürne, sondern weshalb er zürne; oder ob er überhaupt traurig sei, sondern warum er traurig sei; oder ob er sich überhaupt fürchte, sondern was er fürchte. Könnte es wohl auch jemand bei vernünftiger Überlegung tadeln, wenn man dem Sünder zürnt, damit er sich bessere, mit dem Bedrängten trauert, um ihn zu befreien, für den Gefährdeten fürchtet, damit er nicht zugrunde gehe? Freilich, bei den Stoikern ist es üblich, auch das Erbarmen zu mißbilligen; aber weit edler wäre es für jenen Stoiker gewesen, wenn er sich, statt aus Furcht vor dem Schiffbruch, aus Erbarmen mit dem in Not befindlichen Menschen aufgeregt hätte. Viel besser Band 16, S. 481und menschlicher und mildem Empfinden angemessener ist, was Cicero zum Lobe Cäsars sagt1: „Keine von deinen Tugenden ist so bewundernswert und liebenswürdig wie dein Erbarmen.“ Und was ist das Erbarmen anderes als eine Art von Mitleiden, das unser Herz ergreift fremdem Elend gegenüber und uns doch wohl antreibt, zu helfen, wenn wir können? Diese Regung erscheint dann der Vernunft untergeordnet, wenn das Erbarmen in der Weise betätigt wird, daß die Gerechtigkeit bewahrt bleibt, gleichviel ob man einem Dürftigen mitteilt oder einem Reuigen verzeiht. Ein solches Erbarmen hat der ausgezeichnete Redner Cicero unbedenklich als eine Tugend bezeichnet, während die Stoiker es ungescheut zu den Gebrechen zählen und andrerseits doch wieder, wie das Buch Epiktets, des berühmten Stoikers, im Anschluß an die Lehrmeinungen des Zenon und Chrysippos, der Gründer dieser Schule, lehrt, derartige Affekte im Gemüt des Weisen, der nach ihnen von allen Gebrechen frei sein soll, Eingang finden lassen. Daraus muß man doch schließen, daß sie die Affekte nicht für Gebrechen halten, wofern sie dem Weisen derart zustoßen, daß sie wider die Tugend des Geistes und die Vernunft nichts vermögen, und daß demnach die Stoiker der gleichen Ansicht sind wie die Peripatetiker oder auch die Platoniker und nur eben, wie Tullius sagt2, die Sucht, um Worte zu streiten, schon lange die Schulweisen plagt, denen das Streiten wichtiger ist als die Wahrheit. Doch könnte man mit Recht die Frage aufwerfen, ob es nur der Unvollkommenheit des irdischen Lebens eigen sei, auch bei allen guten Verrichtungen solche Affekte zu erleiden, und ob dagegen die heiligen Engel ohne Zorn die Strafe vollziehen an denen, die ihnen durch Gottes ewige Bestimmung zur Bestrafung überwiesen werden, ob sie den Elenden ohne Mitgefühl für das Elend beispringen, ob sie ihren Freunden, wenn sie gefährdet sind, ohne Furcht zu Hilfe eilen, so daß man also bei ihnen in menschlicher Ausdrucksweise von solchen Affekten nur wegen einer gewissen Analogie des Eingreifens, nicht wegen einer in Band 16, S. 482Affekten sich äußernden Schwäche spricht, wie es von Gott selbst in der Heiligen Schrift heißt, daß er zürnt, während er doch nicht von irgend einem Affekte erregt wird. Denn das Wort Zorn ist hier gebraucht im Hinblick auf die Wirkung, die in einer Strafe besteht, nicht mit Beziehung auf den stürmischen Affekt, den es bezeichnet.
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The City of God
Chapter 5.--That the Passions Which Assail the Souls of Christians Do Not Seduce Them to Vice, But Exercise Their Virtue.
We need not at present give a careful and copious exposition of the doctrine of Scripture, the sum of Christian knowledge, regarding these passions. It subjects the mind itself to God, that He may rule and aid it, and the passions, again, to the mind, to moderate and bridle them, and turn them to righteous uses. In our ethics, we do not so much inquire whether a pious soul is angry, as why he is angry; not whether he is sad, but what is the cause of his sadness; not whether he fears, but what he fears. For I am not aware that any right thinking person would find fault with anger at a wrongdoer which seeks his amendment, or with sadness which intends relief to the suffering, or with fear lest one in danger be destroyed. The Stoics, indeed, are accustomed to condemn compassion. 1 But how much more honorable had it been in that Stoic we have been telling of, had he been disturbed by compassion prompting him to relieve a fellow-creature, than to be disturbed by the fear of shipwreck! Far better and more humane, and more consonant with pious sentiments, are the words of Cicero in praise of Caesar, when he says, "Among your virtues none is more admirable and agreeable than your compassion." 2 And what is compassion but a fellow-feeling for another's misery, which prompts us to help him if we can? And this emotion is obedient to reason, when compassion is shown without violating right, as when the poor are relieved, or the penitent forgiven. Cicero, who knew how to use language, did not hesitate to call this a virtue, which the Stoics are not ashamed to reckon among the vices, although, as the book of the eminent Stoic, Epictetus, quoting the opinions of Zeno and Chrysippus, the founders of the school, has taught us, they admit that passions of this kind invade the soul of the wise man, whom they would have to be free from all vice. Whence it follows that these very passions are not judged by them to be vices, since they assail the wise man without forcing him to act against reason and virtue; and that, therefore, the opinion of the Peripatetics or Platonists and of the Stoics is one and the same. But, as Cicero says, 3 mere logomachy is the bane of these pitiful Greeks, who thirst for contention rather than for truth. However, it may justly be asked, whether our subjection to these affections, even while we follow virtue, is a part of the infirmity of this life? For the holy angels feel no anger while they punish those whom the eternal law of God consigns to punishment, no fellow-feeling with misery while they relieve the miserable, no fear while they aid those who are in danger; and yet ordinary language ascribes to them also these mental emotions, because, though they have none of our weakness, their acts resemble the actions to which these emotions move us; and thus even God Himself is said in Scripture to be angry, and yet without any perturbation. For this word is used of the effect of His vengeance, not of the disturbing mental affection.