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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
11. Vom Fall des ersten Menschen, wobei die gut erschaffene Natur verschlechtert ward, die nun nur von ihrem Schöpfer wiederhergestellt werden kann.
Indes Gott hat alles vorhergewußt, und deshalb konnte ihm auch nicht unbekannt sein, daß der Mensch sündigen würde; und so müssen wir die heilige Stadt Band 16, S. 767Gottes in der Gestalt nehmen, wie Gott sie vorhergewußt und bestimmt hat, nicht in einer Gestalt, die in den Gesichtskreis des uns Bekannten gar nicht treten konnte, weil sie nicht in Gottes Plane lag. Der Mensch konnte ja durch seine Sünde nicht einen göttlichen Ratschluß umstoßen, als hätte er Gott genötigt, seinen Beschluß zu ändern; Gottes Vorherwissen erstreckte sich vielmehr im voraus auf beides: wie schlecht der Mensch sein werde, den er seinerseits gut erschaffen, und was er trotzdem noch Gutes mit ihm anstellen werde. Wenn es nämlich auch von Gott heißt, daß er Beschlossenes ändere [sogar von einer Reue Gottes liest man in übertragenem Sinne in der Heiligen Schrift1], so bezieht sich diese Ausdrucksweise doch eben nicht auf das, was der Allmächtige auf Grund seines Vorherwissens tut, sondern auf das, was menschliches Ermessen erwartet hätte oder der natürliche Gang der Dinge mit sich brächte. Gott hat also, wie geschrieben steht2, den Menschen recht gemacht und sonach ihn mit gutem Willen ausgestattet; denn ohne solchen wäre er nicht „recht“. Der gute Wille ist also das Werk Gottes; mit ihm ward der Mensch von Gott erschaffen. Dagegen der erste böse Wille, der ja im Menschen eintrat vor allen bösen Werken, war mehr eine Art Abfall vom Werke Gottes zu eigenen Werken als selbst ein Werk, und zwar ein Abfall zu schlechten Werken deshalb, weil diese Werke dem Menschen gemäß, nicht gottgemäß sind. Der Wille seinerseits also oder der Mensch selbst, sofern er schlechten Willens ist, ist gleichsam der schlechte Baum, der solche Werke als seine schlechten Früchte hervorbringt3. Demnach haftet der schlechte Wille, obgleich er nicht der Natur gemäß, sondern ihr als ein Gebrechen widrig ist4, doch an der Natur, deren Gebrechen er bildet, da ein Gebrechen nicht für sich, sondern nur an einer Natur bestehen kann, jedoch nur an einer, die Gott aus nichts erschaffen hat, nicht an einer, die der Schöpfer aus sich selbst gezeugt hat, wie Band 16, S. 768er das Wort gezeugt hat, durch das alles geworden ist; und wenn auch Gott den Menschen aus Erdenstaub gebildet hat, so ist doch diese Erde und jeglicher irdische Stoff völlig aus nichts, und eine aus nichts erschaffene Seele gab Gott dem Leibe bei der Erschaffung des Menschen. Aber so sehr überragt das Gute an siegreicher Kraft das Böse, daß, obgleich dem Bösen verstattet ist zu existieren, um zu zeigen, wie sich Gottes Vorsehung in ihrer Gerechtigkeit selbst des Bösen zum Guten zu bedienen weiß5, gleichwohl Gutes zwar ohne Beimischung von Bösem bestehen kann, wie da ist der höchste und wahre Gott selbst, ferner die gesamte unsichtbare und sichtbare himmlische Schöpfung oberhalb dieses dunstigen Luftkreises, nicht aber Böses ohne Gutes, weil die Naturen, woran das Böse haftet, doch eben als Naturen gut sind6. Demnach wird das Böse beseitigt nicht dadurch, daß eine Natur, die hinzugetreten wäre, oder ein Teil einer Natur aufgehoben würde, sondern dadurch, daß eine Natur, die verdorben und verschlechtert worden ist, geheilt und gebessert wird. Also ist die Wahl des Willens dann wahrhaft frei, wenn er nicht Gebrechen und Sünden unterworfen ist. Ein solcher freier Wille war es, den Gott dem Menschen gab; durch eigenen Fehl verloren gegangen, konnte er nur von dem zurückgegeben werden, der allein ihn hatte geben können. Deshalb spricht die Wahrheit7: „Wenn euch der Sohn frei macht, dann werdet ihr wahrhaft frei sein“. Es könnte gerade so gut heißen: „Wenn euch der Sohn heilt, dann werdet ihr wahrhaft gesund sein“. Denn Heiland ist der Sohn durch das gleiche Mittel wie Befreier.
Es lebte also der Mensch gottgemäß in einem leiblichen und geistigen Paradiese. Denn das Paradies war ein wirklicher Ort im Hinblick auf die leiblichen Güter, ohne daß dadurch seine geistige Bedeutung im Hinblick auf die geistigen Güter ausgeschlossen würde; und es war etwas Geistiges, das der Mensch mittels seiner Band 16, S. 769inneren Sinne genoß, ohne daß dadurch ausgeschlossen würde seine Eigenschaft als wirklicher Ort, dessen Genuß dem Menschen durch die äußeren Sinne vermittelt wurde8. Es war das eine wie das andere. Nachdem jedoch jener hochmütige und deshalb neidische Engel, eben durch seinen Hochmut von Gott ab- und sich selbst zugekehrt und mit einer Art tyrannischer Wollust seine Freude lieber darin suchend, Sklaven zu seinen Füßen zu sehen als selbst zu Füßen zu liegen, aus seinem geistigen Paradies herabgefallen war (über seinen Fall und den seiner Genossen, die aus Gottes Engeln seine Engel geworden sind, habe ich mich im elften und zwölften Buch dieses Werkes so gut als mir möglich verbreitet), ging sein Streben dahin, sich mit verführerischer Verschlagenheit in den Geist des Menschen einzuschleichen, dem er neidisch war, da er aufrecht stand, während er selbst gefallen war. Und er erwählte sich im wirklichen Paradiesesort, wo außer den beiden Menschen, Mann und Weib, auch die übrigen irdischen Lebewesen, alle zahm und unschädlich, weilten, als sein Sprachrohr, geeignet für sein Vorhaben, die Schlange, ein schlüpfriges Tier, gewandt in krummen Schleichwegen. Diese machte er sich gefügig in seiner geistigen Bosheit durch seine Engelserscheinung und seine überragende Natur und redete, sie als sein Werkzeug mißbrauchend, Lug und Trug zu dem Weibe, indem er bei dem minderen Teil des Menschenpaares den Anfang machte, um stufenweise zum Ganzen zu gelangen, in der Meinung, der Mann werde nicht so leichtgläubig sein und könne eher durch Nachgiebigkeit gegenüber fremdem Irrtum als durch eigenen Irrtum betrogen werden. Wie Aaron dem irregehenden Volke in der Anfertigung eines Götzenbildes nur aus Rücksichtnahme nachgab9, ohne selbst der Verführung zu erliegen und beizustimmen, und wie Salomon wohl kaum dem Irrtum huldigte, man müsse Götzen dienen, sondern viel wahrscheinlicher durch einschmeichelnde Weiberbitten zu solchen Gotteslästerungen sich drängen ließ10, so hat vermutlich auch der Band 16, S. 770erste Mann seinem Weibe, der einzige der einzigen, der Mensch einem Menschen, der Gatte der Gattin, in der Übertretung des Gebotes Gottes aus enger geselliger Verbindung nachgegeben, ohne ihre Worte für wahr zu halten und durch sie sich verführen zu lassen. Denn sicher mit gutem Grund sagt der Apostel11: „Und Adam ward nicht verführt, das Weib aber ward verführt“; er will damit andeuten, daß Eva die Worte, die die Schlange an sie richtete, als Wahrheit hinnahm, während Adam mit seiner einzigen Gefährtin eben verbunden bleiben wollte selbst in der Gemeinschaft der Sünde, freilich deshalb nicht minder schuldbeladen, wenn er wissentlich und mit Überlegung gesündigt hat. Darum heißt es beim Apostel nicht: „Er hat nicht gesündigt“, sondern: „Er ward nicht verführt“; denn selbstverständlich meint er ihn, wo er sagt12: „Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen“, und kurz hernach noch deutlicher: „Durch eine ähnliche Übertretung wie die Adams“. Unter Verführten dagegen versteht er solche, die ihr Tun nicht für Sünde halten; Adam jedoch war ein Wissender. Wie wäre sonst die Versicherung wahr: „Adam ward nicht verführt“? Indes, noch unerfahren der göttlichen Strenge, konnte er sich darin täuschen, daß er sein Vergehen für läßlich hielt. Sonach ward er allerdings nicht verführt in dem Sinne, wie das Weib verführt ward, aber er täuschte sich immerhin darin, wie seine Entschuldigung beurteilt werden mußte13: „Das Weib, das Du mir beigesellt, sie gab mir, und ich aß“. Also, um es kurz zu sagen: Wenn auch nicht beide durch gläubige Zustimmung sich betrügen ließen, so ließen sich doch beide durch Sündigen einfangen und in die Fallstricke des Teufels verwickeln.
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z. B. Gen. 6, 6.; 1 Kön. 15,11. Vgl. auch unten XV 25. ↩
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Ekkli. 7, 30. ↩
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Vgl. Matth. 7, 17f.; Luk. 6, 43. ↩
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Vgl. oben XI 17; XII 3. ↩
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Vgl. unten XIV 27. ↩
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Vgl. oben XII 3; unten XIX 13, 2. Absatz. ↩
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Joh. 8, 36. ↩
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Vgl. oben XIII 21. ↩
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Exod. 32, 2; 21—24. ↩
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3 Kön. 11, 4. ↩
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1 Tim. 2, 14. ↩
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Röm. 5, 12; 14. ↩
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Gen. 3, 12. ↩
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The City of God
Chapter 11.--Of the Fall of the First Man, in Whom Nature Was Created Good, and Can Be Restored Only by Its Author.
But because God foresaw all things, and was therefore not ignorant that man also would fall, we ought to consider this holy city in connection with what God foresaw and ordained, and not according to our own ideas, which do not embrace God's ordination. For man, by his sin, could not disturb the divine counsel, nor compel God to change what He had decreed; for God's foreknowledge had anticipated both,--that is to say, both how evil the man whom He had created good should become, and what good He Himself should even thus derive from him. For though God is said to change His determinations (so that in a tropical sense the Holy Scripture says even that God repented 1 ), this is said with reference to man's expectation, or the order of natural causes, and not with reference to that which the Almighty had foreknown that He would do. Accordingly God, as it is written, made man upright, 2 and consequently with a good will. For if he had not had a good will, he could not have been upright. The good will, then, is the work of God; for God created him with it. But the first evil will, which preceded all man's evil acts, was rather a kind of falling away from the work of God to its own works than any positive work. And therefore the acts resulting were evil, not having God, but the will itself for their end; so that the will or the man himself, so far as his will is bad, was as it were the evil tree bringing forth evil fruit. Moreover, the bad will, though it be not in harmony with, but opposed to nature, inasmuch as it is a vice or blemish, yet it is true of it as of all vice, that it cannot exist except in a nature, and only in a nature created out of nothing, and not in that which the Creator has begotten of Himself, as He begot the Word, by whom all things were made. For though God formed man of the dust of the earth, yet the earth itself, and every earthly material, is absolutely created out of nothing; and man's soul, too, God created out of nothing, and joined to the body, when He made man. But evils are so thoroughly overcome by good, that though they are permitted to exist, for the sake of demonstrating how the most righteous foresight of God can make a good use even of them, yet good can exist without evil, as in the true and supreme God Himself, and as in every invisible and visible celestial creature that exists above this murky atmosphere; but evil cannot exist without good, because the natures in which evil exists, in so far as they are natures, are good. And evil is removed, not by removing any nature, or part of a nature, which had been introduced by the evil, but by healing and correcting that which had been vitiated and depraved. The will, therefore, is then truly free, when it is not the slave of vices and sins. Such was it given us by God; and this being lost by its own fault, can only be restored by Him who was able at first to give it. And therefore the truth says, "If the Son shall make you free, ye shall be free indeed;" 3 which is equivalent to saying, If the Son shall save you, ye shall be saved indeed. For He is our Liberator, inasmuch as He is our Saviour.
Man then lived with God for his rule in a paradise at once physical and spiritual. For neither was it a paradise only physical for the advantage of the body, and not also spiritual for the advantage of the mind; nor was it only spiritual to afford enjoyment to man by his internal sensations, and not also physical to afford him enjoyment through his external senses. But obviously it was both for both ends. But after that proud and therefore envious angel (of whose fall I have said as much as I was able in the eleventh and twelfth books of this work, as well as that of his fellows, who, from being God's angels, became his angels), preferring to rule with a kind of pomp of empire rather than to be another's subject, fell from the spiritual Paradise, and essaying to insinuate his persuasive guile into the mind of man, whose unfallen condition provoked him to envy now that himself was fallen, he chose the serpent as his mouthpiece in that bodily Paradise in which it and all the other earthly animals were living with those two human beings, the man and his wife, subject to them, and harmless; and he chose the serpent because, being slippery, and moving in tortuous windings, it was suitable for his purpose. And this animal being subdued to his wicked ends by the presence and superior force of his angelic nature, he abused as his instrument, and first tried his deceit upon the woman, making his assault upon the weaker part of that human alliance, that he might gradually gain the whole, and not supposing that the man would readily give ear to him, or be deceived, but that he might yield to the error of the woman. For as Aaron was not induced to agree with the people when they blindly wished him to make an idol, and yet yielded to constraint; and as it is not credible that Solomon was so blind as to suppose that idols should be worshipped, but was drawn over to such sacrilege by the blandishments of women; so we cannot believe that Adam was deceived, and supposed the devil's word to be truth, and therefore transgressed God's law, but that he by the drawings of kindred yielded to the woman, the husband to the wife, the one human being to the only other human being. For not without significance did the apostle say, "And Adam was not deceived, but the woman being deceived was in the transgression;" 4 but he speaks thus, because the woman accepted as true what the serpent told her, but the man could not bear to be severed from his only companion, even though this involved a partnership in sin. He was not on this account less culpable, but sinned with his eyes open. And so the apostle does not say, "He did not sin," but "He was not deceived." For he shows that he sinned when he says, "By one man sin entered into the world," 5 and immediately after more distinctly, "In the likeness of Adam's transgression." But he meant that those are deceived who do not judge that which they do to be sin; but he knew. Otherwise how were it true "Adam was not deceived?" But having as yet no experience of the divine severity, he was possibly deceived in so far as he thought his sin venial. And consequently he was not deceived as the woman was deceived, but he was deceived as to the judgment which would be passed on his apology: "The woman whom thou gavest to be with me, she gave me, and I did eat." 6 What need of saying more? Although they were not both deceived by credulity, yet both were entangled in the snares of the devil, and taken by sin.