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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
14. Pietätlosigkeit äußert sich in dem Kriege der Römer gegen die Albaner und der Sieg war eine Frucht der Herrschsucht.
Wie ging es also unter den Nachfolgern Numas zu? Welches Unheil für die Albaner sowohl wie für die Römer beschwor der Krieg herauf, zu dem man die Albaner reizte, weil nun einmal der lange Friede, den Numa aufrecht erhalten hatte, nicht mehr geschätzt wurde! Wie oft wurde bald das römische bald das albanische Heer zusammengehauen, wie sehr die eine wie die andere Stadt geschwächt! Alba .nämlich, von Ascanius, dem Sohn des Äneas gegründet, die Mutter Roms im eigentlicheren Sinne als Troja, wurde von König Tullus Hostilius herausgefordert und nahm den Kampf auf, unterlag und siegte, bis man der vielen Kämpfe, beiderseits erschöpft, müde wurde. Man vereinbarte nun, die Entscheidung des Krieges auf Drillingsbrüder von hüben und drüben zu stellen; auf seiten der Römer traten die drei Horatier, auf Seiten der Albaner die drei Curiatier in die Schranken. Von den drei Curatiern wurden zwei Band 1, S. 149Horatier, von dem dritten Horatier aber die drei Curiatier überwunden und erschlagen. So gewann Rom auch in diesem letzten Kampf den Sieg nur um schweren Blutpreis; denn nur einer von den sechs kehrte heim. Wer hatte den Schaden, wer die Trauer? Es war hier wie dort des Äneas Stamm, die Nachkommenschaft des Ascanius, das Geschlecht der Venus, die Enkelschar Jupiters. Denn auch dieser Krieg war nicht ein gewöhnlicher Bürgerkrieg, es war vielmehr die Tochterstadt, die wider die Mutterstadt die Waffen führte. Diesem Entscheidungskampf der Drillingspaare folgte aber noch weiteres, furchtbares und entsetzliches Unheil. Die Schwester der Horatier war nämlich mit einem der Curiatier verlobt; die beiden Völker standen ja als Nachbarn und Stammverwandte vor dem Krieg in freundschaftlicher Beziehung zu einander. Als nun diese Schwester die Waffen ihres Bräutigams bei ihrem obsiegenden Bruder erblickte und darüber in Tränen ausbrach, wurde sie von ihrem eigenen Bruder erschlagen. Dieses eine Weib fühlte nach meinem Empfinden menschlicher als das ganze römische Volk. Ihr Weinen war, denke ich, frei von Schuld; denn es galt dem Manne, dem sie bereits als ihrem Gemahl durch den Schwur der Treue verbunden war, es galt vielleicht auch dem Bruder selbst, der den erschlagen hatte, dem er die eigene Schwester verlobt. Warum rühmt denn Vergil1 an Äneas, daß er den von ihm selbst erschlagenen Feind betrauert? Warum durfte Marcellus Tränen des Mitleids vergießen über die Stadt Syrakus, als er sich vor Augen führte, wie sie, eben noch auf dem Gipfel des Ruhmes, mit einem Schlage in seine Gewalt kam und zusammenbrach, das allgemeine Schicksal alles Irdischen teilend? Soviel Verständnis wollen wir, ich bitte, dem menschlichen Fühlen entgegenbringen, daß ein Weib ihren Bräutigam, den ihr der Bruder erschlug, ohne Schuld beweinen darf, wenn Männer für ihre Tränen um Feinde, die von ihnen besiegt wurden, sogar Lob ernten. Während also dieses Weib den Verlobten beweinte, der durch die Hand ihres Bruders gefallen war, freute sich Band 1, S. 150Rom, gegen die Mutterstadt einen so verlustreichen Krieg geführt und mit ganzen Strömen stammverwandten Blutes den Sieg erkauft zu haben,
Was hält man mir die tönenden Wörter Ruhm und Sieg entgegen? Wollen wir doch den Schleier, den eine irregeführte Meinung über die Ereignisse breitet, wegheben und die Tatsachen in ihrer Nacktheit ins Auge fassen, auf uns wirken lassen und beurteilen. Man nenne die Schuld, die Alba begangen, wie man bei Troja auf den Ehebruch hinweist. Nichts derart findet sich, nichts, was auch nur ähnlich wäre; lediglich die müßigen
„Mannen wollte zu Schlachten Tullus wieder erregen
Und die triumphentwöhnten Geschwader2“.
Dieser verwerflichen Neigung zuliebe also wurde das schwere Verbrechen eines Krieges zwischen Genossen und Verwandten begangen. Sallust freilich spricht nur ganz nebenher von dieser frevelhaften Absicht. Im Anschluß an die rühmende Erwähnung der alten Zeiten, da das Leben der Menschen ohne Begehrlichkeit dahinfloß und jeder mit dem Seinigen zufrieden war, sagt er nämlich3: „Nachher aber, als Cyrus in Asien und die Lacedämonier und Athener in Griechenland darangingen, Städte und Völker zu unterwerfen, Kriege aus Herrschsucht zu unternehmen und den höchsten Ruhm in den Besitz einer möglichst ausgedehnten Herrschaft zu setzen“ usw., wie man bei ihm selbst nachlesen kann; für meine Zwecke genügt dieser Teil seiner Worte. Ja die Herrschsucht ist es, die das Menschengeschlecht mit schwerem Unheil heimsucht und schlägt. Von ihr besiegt, frohlockte Rom ob seines Sieges über Alba und nannte die lobende Anerkennung seines Frevels Ruhm; „denn der Sünder“, sagt unsere Schrift4, „rühmt sich in den Lüsten seiner Seele und wer unrecht tut, wird gepriesen“. Man nehme also die täuschenden Umhüllungen und die irreführenden Beschönigungen hinweg von den Dingen, um sie mit unbefangenem Blick zu prüfen. Was soll es heißen: Der und der ist ein großer Mann, er Band 1, S. 151hat mit dem und dem gekämpft und den Sieg davongetragen! Auch die Gladiatoren kämpfen, auch sie tragen Siege davon und auch diese Grausamkeit wird durch Beifall geehrt; allein ich glaube, es wäre besser, die schlimmen Folgen von Tatenlosigkeit aller Art über sich ergehen zu lassen, als nach solchem Ruhme zu geizen. Und doch, würden zum Zweikampf in die Arena Gladiatoren steigen, die zu einander Vater und Sohn sind, wer könnte ein solches Schauspiel aushalten? wer würde nicht davon abhalten? Wie hätte demnach der Waffengang zwischen Mutter- und Tochterstadt ruhmvoll sein können? Oder war der Fall anders, lediglich deshalb, weil die Stätte nicht die Arena war und nicht die Leichen zweier Gladiatoren, sondern die Haufen der Toten zweier Völker das weite Gefilde bedeckten? weil der Kampf nicht zwischen den Mauern des Amphitheaters stattfand, sondern das unwürdige Schauspiel vor den Augen der ganzen Welt, der zeitgenössischen und der späteren Generationen, soweit sich der Ruf davon erstreckt, über die Bühne ging?
Noch nicht genug! Noch fühlten sich diese Schirmgötter des römischen Reiches, gleichsam das Theaterpublikum bei solchen Kämpfen, nicht gesättigt, bis nicht auch die Schwester der Horatier — wegen der drei erschlagenen Curiatier mußten es doch auf der andern Seite auch drei sein — durch das Schwert des eigenen Bruders ihren zwei Brüdern nachgesandt wurde, damit Rom, die Siegerin, nicht weniger Erschlagene zähle. Darauf wurde als Opfer des Sieges Alba zerstört, nach Ilion, das die Griechen vernichteten, und nach Lavinium, wo Äneas ein Fremdlings- und Flüchtlingsreich gegründet hatte, die dritte Stätte, an der die trojanischen Gottheiten ihren Wohnsitz genommen hatten. Aber vielleicht konnte Alba nur deshalb zerstört werden, weil die Götter nach ihrer Gepflogenheit auch von hier bereits abgezogen waren.
„Alle Götter waren ja
Aus den Tempeln geflohen, von ihren Altären gewichen,
Sie, die Schirmer des Reichs.“
Ei, schon zum drittenmal sind sie entwichen; wie Band 1, S. 152umsichtig, daß man ihnen an vierler Stelle Rom anvertraute! In Ungnade war nämlich Alba gefallen, wo Amulius nach Vertreibung seines Bruders die Herrschaft geführt hatte; dagegen war Rom zu Gnaden gekommen, wo Romulus nach Ermordung seines Bruders König gewesen war. Man weist darauf hin, daß die Einwohnerschaft von Alba vor der Zerstörung der Stadt nach Rom verpflanzt worden sei, so daß aus den beiden Städten eine einzige wurde. Gut, es sei so; gleichwohl ist die Stadt Alba, die Residenz des Ascanius und der dritte Wohnsitz der trojanischen Götter, zerstört worden, die Mutterstadt von der Tochterstadt; und damit die Bevölkerungsreste, die der Krieg übrig gelassen hatte, aus zwei Völkern doch noch eines ergäben, ein trauriges Gemengsel, wurde vorher das Blut beider in Strömen vergossen. Wozu soll ich noch im einzelnen die unter den übrigen Königen folgenden Kriege anführen? Immer wieder erneuerten sie sich, nachdem sie dem Anschein nach siegreich beendigt waren, immer wieder führten sie zu furchtbaren Blutbädern, immer wieder brachen sie aus trotz Bündnis und Friedensschluß zwischen den Schwiegervätern und ihren Schwiegersöhnen und deren Kindern und Kindeskindern. Als ernstes Wahrzeichen dieses jammervollen Zustandes mag es gelten, daß keiner der Könige die Kriegspforten schloß. Keiner von ihnen also genoß Frieden unter dem Schutz der zahlreichen Götter.
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De civitate Dei (CCSL)
Caput XIV: De inpietate belli, quod Albanis Romani intulerunt, et de uictoria dominandi libidine adepta.
Quid deinde post Numam sub aliis regibus? quanto malo non solum suo, sed etiam Romanorum in bellum Albani prouocati sunt, quia uidelicet pax Numae tam longa uiluerat. quam crebrae strages Romani Albanique exercitus fuerunt et utriusque comminutio ciuitatis. Alba namque illa, quam filius Aeneae creauit Ascanius, Romae mater proprior ipsa quam Troia, a Tullo Hostilio rege prouocata conflixit, confligens autem et adflicta est et adflixit, donec multorum taederet pari defectione certaminum. tunc euentum belli de tergeminis hinc atque inde fratribus placuit experiri; a Romanis tres Horatii, ab Albanis autem tres Curiatii processerunt; a Curiatiis tribus Horatii duo, ab uno autem Horatio tres Curiatii superati et extincti sunt. ita Roma extitit uictrix ea clade etiam in certamine extremo, ut de sex unus rediret domum. cui damnum in utrisque, cui luctus, nisi Aeneae stirpi nisi Ascanii posteris, nisi proli Veneris nisi nepotibus Iouis? nam et hoc plus quam ciuile bellum fuit, quando filia ciuitas cum ciuitate matre pugnauit. accessit aliud huic tergeminorum pugnae ultimae atrox atque horrendum malum. nam ut erant ambo populi prius amici - uicini quippe atque cognati - , uni Curiatiorum desponsata fuerat Horatiorum soror; haec posteaquam sponsi spolia in uictore fratre conspexit, ab eodem fratre, quoniam fleuit, occisa est. humanior huius unius feminae quam uniuersi populi Romani mihi fuisse uidetur adfectus. illa quem uirum iam fide media retinebat, aut forte etiam ipsum fratrem dolens, qui eum occiderat cui sororem promiserat, puto quod non culpabiliter fleuerit. unde enim apud Vergilium pius Aeneas laudabiliter dolet hostem etiam sua peremptum manu? unde Marcellus Syracusanam ciuitatem recolens eius paulo ante culmen et gloriam sub manus suas subito concidisse communem cogitans condicionem flendo miseratus est? quaeso ab humano inpetremus adfectu, ut femina sponsum suum a fratre suo peremptum sine crimine fleuerit, si uiri hostes a se uictos etiam cum laude fleuerunt. ergo sponso a fratre inlatam mortem quando femina illa flebat, tunc se contra matrem ciuitatem tanta strage bellasse et tanta hinc et inde cognati cruoris effusione uicisse Roma gaudebat. quid mihi obtenditur nomen laudis nomenque uictoriae? remotis obstaculis insanae opinionis facinora nuda cernantur, nuda pensentur, nuda iudicentur. causa dicatur Albae, sicut Troiae adulterium dicebatur. nulla talis, nulla similis inuenitur; tantum ut resides moueret Tullus in arma uiros et iam desueta triumphis agmina. illo itaque uitio tantum scelus perpetratum est socialis belli atque cognati, quod uitium Sallustius magnum transeunter adtingit. cum enim laudans breuiter antiquiora commemorasset tempora, quando uita hominum sine cupiditate agitabatur et sua cuique satis placebant: postea uero, inquit, quam in Asia Cyrus, in Graecia Lacedaemonii et Athenienses coepere urbes atque nationes subigere, libidinem dominandi causam belli habere, maximam gloriam in maximo imperio putare, et cetera quae ipse instituerat dicere. mihi hucusque satis sit eius uerba posuisse. libido ista dominandi magnis malis agitat et conterit humanum genus. hac libidine Roma tunc uicta Albam se uicisse triumphabat et sui sceleris laudem gloriam nominabat, quoniam laudatur, inquit scriptura nostra, peccator in desideriis animae suae et qui iniqua gerit benedicitur. fallacia igitur tegmina et deceptoriae dealbationes auferantur a rebus, ut sincero inspiciantur examine. nemo mihi dicat: magnus ille atque ille, quia cum illo et illo pugnauit et uicit. pugnant etiam gladiatores, uincunt etiam ipsi, habet praemia laudis et illa crudelitas; sed puto esse satius cuiuslibet inertiae poenas luere quam illorum armorum quaerere gloriam. et tamen si in harenam procederent pugnaturi inter se gladiatores, quorum alter filius, alter esset pater, tale spectaculum quis ferret? quis non auferret? quomodo ergo gloriosum alterius matris, alterius filiae ciuitatis inter se armorum potuit esse certamen? an ideo diuersum fuit, quod harena illa non fuit, et latiores campi non duorum gladiatorum, sed in duobus populis multorum funeribus inplebantur, nec amphitheatro cingebantur illa certamina, sed uniuerso orbe et tunc uiuis et posteris, quousque ista fama porrigitur, inpium spectaculum praebebatur? uim tamen patiebantur studii sui di illi praesides imperii Romani et talium certaminum tamquam theatrici spectatores, donec Horatiorum soror propter Curiatios tres peremptos etiam ipsa tertia ex altera parte fraterno ferro duobus fratribus adderetur, ne minus haberet mortium etiam Roma quae uicerat. deinde ad fructum uictoriae Alba subuersa est, ubi post Ilium, quod Graeci euerterunt, et post Lauinium, ubi Aeneas regnum peregrinum atque fugitiuum constituerat, tertio loco habitauerant numina illa Troiana. sed more suo etiam inde iam fortasse migrauerant, ideo deleta est. discesserant uidelicet omnes adytis arisque relictis di, quibus imperium illud steterat. discesserant sane ecce iam tertio, ut eis quarta Roma prouidentissime crederetur. displicuerat enim et Alba, ubi Amulius expulso fratre, et Roma placuerat, ubi Romulus occiso fratre regnauerat. sed antequam Alba dirueretur, transfusus est, inquiunt, populus eius in Romam, ut ex utraque una ciuitas fieret. esto, ita factum sit; urbs tamen illa, Ascanii regnum et tertium domicilium Troianorum deorum, ab urbe filia mater euersa est; ut autem belli reliquiae ex duobus populis unum facerent, miserabile coagulum multus ante fusus utriusque sanguis fuit. quid iam singillatim dicam sub ceteris regibus totiens eadem bella renouata, quae uictoriis finita uidebantur, et tantis stragibus iterum iterumque confecta, iterum iterumque post foedus et pacem inter soceros et generos et eorum stirpem posterosque repetita? non paruum indicium calamitatis huius fuit, quod portas belli nullus clausit illorum. nullus ergo illorum sub tot dis praesidibus in pace regnauit.