19. Der Sinn der Stelle: „Gott schied das Licht von der Finsternis“ (Gen. 1, 4.).
Die Dunkelheit des göttlichen Wortes erweist sich also1 auch darin nutzbringend, daß sie eine Mehrzahl von richtigen Auffassungen ins Leben und in das Licht der Erkenntnis treten läßt, indem der eine es so, der andere es anders versteht (allerdings muß stets der Sinn, den man einer dunklen Stelle beilegt, entweder durch das Zeugnis offenkundiger Tatsachen oder durch andere Stellen, deren Sinn keinem Zweifel unterliegt, eine Bestätigung erfahren, gleichviel ob eine der Auslegungen den vom Verfasser beabsichtigten Sinn trifft oder ob dieser verborgen bleibt und andere Wahrheiten bei Gelegenheit der Behandlung solch tiefsinniger und dunkler Stellen vorgebracht werden). So erscheint mir mit den Werken Gottes wohl vereinbar die Auslegung, daß, wenn man unter dem Werden des ersten Lichtes Band 16, S. 614die Erschaffung der Engel versteht, auf die Scheidung zwischen den heiligen und den unreinen Engeln die Stelle gehe: „Und Gott schied zwischen Licht und Finsternis; und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht“. Er allein ja vermochte die Scheidung vorzunehmen, da er allein schon vor dem Fall vorauszuwissen vermochte, daß sie fallen und des Lichtes der Wahrheit verlustig, in der Finsternis des Hochmutes verharren würden. Denn die Scheidung zwischen Tag und Nacht im üblichen Sinn, d. i. zwischen dem irdischen Licht und der irdischen Finsternis, hat er den unseren Sinnen sehr wohl bekannten Leuchten des Himmels aufgetragen und überlassen mit den Worten: „Es sollen Leuchten an der Feste des Himmels entstehen, daß sie leuchten über die Erde und scheiden zwischen Tag und Nacht“. Und im Anschluß daran heißt es: „Und Gott schuf zwei große Leuchten, eine größere zur Herrschaft über den Tag und eine kleinere zur Herrschaft über die Nacht, und die Sterne; und Gott setzte sie an die Feste des Himmels zu leuchten über die Erde und vorzustehen dem Tag und der Nacht und zu scheiden zwischen Licht und Finsternis“. Zwischen jenem Licht dagegen, das die heilige Genossenschaft der Engel vorstellt, die da leuchtet im Lichte der Wahrheit auf eine nur dem Geistesauge erkennbare Weise, und der ihr entgegengesetzten Finsternis, d. i. den umdüsterten Geistern der vom Licht der Gerechtigkeit abgewandten bösen Engel, konnte nur der die Scheidung vornehmen, dem auch das künftige, nicht in der Natur, sondern im Willen begründete Böse nicht verborgen oder ungewiß sein konnte.
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Der Gedankengang schließt sich an die Ausführungen im 7. Kapitel an. ↩