18. Der Beischlaf ist ganz allgemein Gegenstand schamhaften Verhüllens, selbst auch der eheliche.
Was aber die Ausübung dieser Art von Lust betrifft, so meidet dabei die Lust die Öffentlichkeit, und zwar nicht etwa bloß bei strafbaren Schändlichkeiten aller Art, wo man die Verborgenheit aufsucht, um sich der gesetzlichen Strafe zu entziehen, sondern auch beim Umgang mit Dirnen, einer Schmach, die der irdische Staat zu einer erlaubten gemacht hat. Auch hier also, wo es sich um etwas handelt, was kein Strafgesetz dieses Staates ahndet, entzieht sich die verstattete und straffreie Lust doch dem Auge der Öffentlichkeit, und aus natürlichem Schamgefühl haben die schlechten Häuser Heimlichkeit vorgesehen, und wenn es auch der Unzucht gelang, die Fesseln des Verbotes zu sprengen, so ließ doch eine gewisse Züchtigkeit es nicht zu, die Verborgenheit des Schlupfwinkels aufzugeben für solche Schmach. Die Schändlichen selbst vielmehr nennen diese Schmach eine Schändlichkeit, und so sehr sie sie lieben, wagen sie doch nicht, öffentlich damit ans Tageslicht zu treten. Aber selbst das eheliche Beilager, das nach den Vorschriften der Ehegesetztafeln zur Gewinnung von Nachkommenschaft vollzogen wird, sucht nicht auch dieses, obwohl es erlaubt und ehrbar ist, die Heimlichkeit des zeugenlosen Schlafgemaches auf? Werden nicht alle Diener und sogar die Brautführer und wem Band 16, S. 783sonst noch irgendein Geschäft den Zutritt gewährte, aus dem Gemache geschafft, bevor der Gatte die Gattin zu liebkosen beginnt? Und wenn alle guten Taten, wie ebenfalls ein gewisser „größter Meister der römischen Sprache“1 sagt2, ans Licht gestellt, d. i. zur Kenntnis gebracht sein wollen, so gilt solches von dieser guten Tat doch nur mit Einschränkung: sie will zur Kenntnis gebracht sein, aber sie schämt sich, sich sehen zu lassen. Jeder hat Kenntnis davon, was zwischen Gatten vorgeht, um Kinder zu gewinnen; wird ja, damit dies vor sich gehen könne, mit so großer Feierlichkeit die Gattin heimgeführt; und doch läßt man, wenn das vor sich geht, was Kindern das Leben geben soll, nicht einmal etwa schon vorhandene Kinder der Ehe als Zeugen zu. So sehr eben diese gute Tat, um sich zur Kenntnis zu bringen, dem geistigen Auge sich aufdrängt, so ängstlich meidet sie das leibliche Auge. Warum? Weil das, was von Natur aus völlig in Ordnung ist, doch bei seinem Vollzug aus Strafe zugleich die Scham zur Begleiterin hat.