10. Erwiderung auf den Einwand, daß sich alles Auferstehen nur auf den Leib, nicht auch auf die Seele beziehe.
Manche allerdings meinen, man könne nur von einer Auferstehung des Leibes reden; es müsse sich also auch bei dieser ersten Auferstehung um eine leibliche handeln. Denn alles Aufstehen habe zur Voraussetzung einen Fall; was aber im Tode falle, sei ein Leib, der denn auch als Leiche „cadaver“ heiße, eben von „cadere“. Also könne es keine Auferstehung von Seelen geben, sondern nur eine der Leiber. Allein diese Behauptung widerspricht schnurstracks dem Apostel, der von einer seelischen Auferstehung spricht. „Wenn ihr auferstanden seid mit Christus, so sinnt auf das, was oben ist“1; diese Worte ruft er doch solchen zu, die dem inneren Menschen nach auferstanden sind, nicht dem äußeren nach. Er drückt dasselbe an anderer Stelle mit den Worten aus2: „Damit auch wir, ebenso wie Christus Band 28, S. 1246auferstanden ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, in einem neuen Leben wandeln“; und hierher bezieht sich auch die Aufforderung3: „Erhebe dich, du Schläfer, und stehe auf von den Toten, so wird Christus dich erleuchten.“ Und wie oberflächlich ist die Begründung, deshalb könnten nur die Leiber, nicht auch die Seelen auferstehen, weil dem Aufstehen der Fall vorhergehen müsse und ein solcher nur beim Leibe stattfinde; als ob es nicht hieße4: „Weichet nicht von mir, damit ihr nicht fallet“, oder5: „Seinem Herrn steht oder fällt er“, oder6: „Wer da meint, er stehe, der sehe zu, daß er nicht falle.“ Meint hier der Apostel vielleicht das körperliche Stehen? Wenn also das Aufstehen den Fall zur Voraussetzung hat und es auch einen seelischen Fall gibt, so muß es auch eine seelische Auferstehung geben.
Im Anschluß an die Worte: „Über solche wird der zweite Tod keine Gewalt haben“ heißt es in der Geheimen Offenbarung weiter7: „Vielmehr werden sie Priester Gottes und Christi sein und mit ihm herrschen tausend Jahre“; das bezieht sich natürlich nicht allein auf Bischöfe und Presbyter, die man heutzutage in der Kirche Priester im eigentlichen Sinne nennt, sondern alle bezeichnen wir als Priester, weil sie Glieder des einen Priesters sind, wie wir ja auch alle als Christusse bezeichnen im Hinblick auf das geheimnisvolle Chrisma; redet sie doch der Apostel Petrus8 an als „heiliges Volk und königliche Priesterschaft“. Übrigens hat hier die Offenbarung, wenn auch nur kurz und flüchtig, die Gottheit Christi angedeutet in den Worten: „Priester Gottes und Christi“, d. h. des Vaters und des Sohnes; obwohl ja Christus selbst auch Priester geworden ist auf ewig nach der Ordnung des Melchisedech9 in der Knechtsgestalt, so gut wie er darin Mensch geworden ist. Davon habe ich jedoch in diesem Werke schon mehr als einmal gesprochen.