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Gegen Faustus
47.
Wenn Faustus im weitern Jakob, dem Sohn Isaaks seinen Umgang mit vier Frauen als schweres Vergehen anlastet (594,22), so lässt sich der Vorwurf mit einer Vorbemerkung allgemeiner Art aus dem Weg räumen: Wenn dies damals der Sitte entsprach, war es kein Vergehen; jetzt aber ist es ein Vergehen, weil es nicht mehr der Sitte entspricht. Denn eine Sache sind die Sünden gegen die Naturordnung, eine andere die Sünden gegen die herrschenden Sitten, eine dritte die Sünden gegen die Gebote. Bei diesem Sachverhalt stellt sich die Frage, welcherart nun das Vergehen ist, das dem tugendhaften Ehegatten Jakob mit seinen gleichzeitig vier Ehefrauen zur Last gelegt wird. Zieh die Naturordnung zu Rate: Jakob nahm sich jene Ehefrauen nicht, um ein Lasterleben zu führen, sondern aus Sorge um die Nachkommenschaft; oder die Sitte: die Vielehe war zu jener Zeit und in jenen Ländern allgemein gebräuchlich; oder das Gebot: durch kein Gesetz war sie untersagt. Warum aber ist sie heute ein Vergehen? Doch nur weil sie sowohl durch die Sitten als auch durch die Gesetze verboten ist. Ein jeder, der diese zwei Ordnungen missachtet, macht sich – auch wenn er vielleicht einzig aus Sorge um die Nachkommenschaft mit mehreren Frauen Umgang hat – schuldig und verletzt die Regeln der menschlichen Gesellschaft, für deren Weiterexistenz doch die Fortpflanzung notwendig ist. Da nun aber die Menschen von heute, nachdem sich Sitten und Gesetze bereits gewandelt haben, den einzigen Anreiz, mit mehreren Frauen Umgang zu pflegen, in der Steigerung der Lust sehen, glauben sie irrigerweise, dass Vielehen zu allen Zeiten einzig in der Glut fleischlicher Begierden und schmutziger Lüsternheit Bestand haben konnten. Dieses Missverständnis widerfährt ihnen, weil sie ja nicht andersgesinnte Männer zum Vergleichsmassstab nehmen, deren Charakterstärke für sie völlig unbegreifbar ist, sondern, wie der Apostel sagt (cf. II Kor. 10,12) nur sich selbst mit sich selbst vergleichen. Und angesichts dessen, dass sie selber, obzwar nur mit einer Frau verheiratet, sich dieser nicht nur in männlicher Selbstbeherrschung nähern, vom Pflichtgefühl geleitet, für Nachkommenschaft zu sorgen, sondern immer wieder, vom Paarungstrieb überwältigt, als schwächliche Memmen zu ihr hingezogen werden, bilden sie sich ein, den Schluss ziehen zu dürfen, dass andere Menschen, die eine Vielzahl von Ehefrauen haben, Sklaven einer noch viel stärkeren Sucht sein müssen, wenn sie selber sich ausserstande sehen, einer einzigen Ehefrau gegenüber die Selbstbeherrschung zu bewahren.
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Reply to Faustus the Manichaean
47.
Again, Jacob the son of Isaac is charged with having committed a great crime because he had four wives. But here there is no ground for a criminal accusation: for a plurality of wives was no crime when it was the custom; and it is a crime now, because it is no longer the custom. There are sins against nature, and sins against custom, and sins against the laws. In which, then, of these senses did Jacob sin in having a plurality of wives? As regards nature, he used the women not for sensual gratification, but for the procreation of children. For custom, this was the common practice at that time in those countries. And for the laws, no prohibition existed. The only reason of its being a crime now to do this, is because custom and the laws forbid it. Whoever despises these restraints, even though he uses his wives only to get children, still commits sin, and does an injury to human society itself, for the sake of which it is that the procreation of children is required. In the present altered state of customs and laws, men can have no pleasure in a plurality of wives, except from an excess of lust; and so the mistake arises of supposing that no one could ever have had many wives but from sensuality and the vehemence of sinful desires. Unable to form an idea of men whose force of mind is beyond their conception, they compare themselves with themselves, as the apostle says, 1 and so make mistakes. Conscious that, in their intercourse though with one wife only, they are often influenced by mere animal passion instead of an intelligent motive, they think it an obvious inference that, if the limits of moderation are not observed where there is only one wife, the infirmity must be aggravated where there are more than one.
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2 Cor. x. 12. ↩