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Was brüstet ihr euch also mit eurer angeblichen Ausführung seiner Gebote, weil ihr das, was im Evangelium vorgeschrieben ist, tut? Denn was würden diese nützen, wo der wahre Glaube fehlt, selbst wenn sie von euch in Tat und Wahrheit erfüllt würden?
Habt ihr nicht den Apostel gehört, wie er sagte (I Kor. 13,3): Wenn ich alle meine Habe den Armen austeile und wenn ich meinen Leib hingebe zum Verbrennen, die Liebe aber nicht habe, nützt es mir nichts. Was brüstet ihr euch also mit eurer angeblich christlichen Armut, da ihr der christlichen Liebe entbehrt? Denn auch die Räuber, die gegenseitig durch ruchlose und verbrecherische Mitwisserschaft verpflichtet sind, haben unter sich so etwas, was sie Liebe nennen, nicht aber die Liebe, die der Apostel empfiehlt, und von der er an anderer Stelle (I Tim. 1,5) sagt, um sie von den andern, verwerflichen und abzulehnenden Formen der Liebe zu trennen: Das Ziel des Gebotes aber ist die Liebe aus reinem Herzen, aus gutem Gewissen und aus ungeheucheltem Glauben.
Wie könnt ihr also die wahre Liebe haben, da sich eure Liebe aus geheucheltem Glauben erhebt? Und wann werdet ihr euch endlich dafür schämen, dass euer Glaube seinen Kampf mithilfe von Lügen führt, da ihr einerseits verkündigt, euer Erster Mensch habe gegen seine Feinde, die ihrer eigentlichen Natur unveränderlich treu blieben, mit der Kriegslist der Verwandlung gekämpft, andererseits weismachen wollt, unser Christus, der da sagt (Joh. 14,6): Ich bin die Wahrheit, habe die Fleischesgestalt, den Tod am Kreuz, die Wunden der Passion, die Narben nach der Auferstehung nur vorgetäuscht?
Das Fazit: Entweder wollt ihr eurem Christus den Rang ablaufen, wenn ihr als Verkünder der Wahrheit auftritt, während er als Lügner dasteht. Oder aber, wenn ihr eurem Christus nach folgen wollt, müsste sich ein jeder auch bei euch gegen Lug und Betrug vorsehen, indem sich etwa eure Behauptung, dass ihr die Gebote erfüllt, als reines Lügengegespinst erwiese.
Wenn nun also Faustus dreist behauptete, dass ihr kein Geld in eurem Gürtel tragt – (aber vielleicht sagte er ja die Wahrheit, da ihr wirklich kein Geld in eurem Gürtel, dafür aber Gold in Geldkistchen und Geldbeuteln habt), so wisse: dies würde euch, wenn es doch der Fall wäre, gar nicht zum Vorwurf gemacht, wohl aber, dass bei euch Bekenntnis und Leben auseinanderklaffen! Immer noch unter den Lebenden weilt jener Constantius, seit kurzem als katholischer Christ unser Mitbruder, der viele von euch in Rom in seinem Haus versammelt hatte, um die Gebote des Mani zu erfüllen, die zwar ziemlich töricht und lächerlich sind, doch bei euch in hohem Ansehen stehen. Als eure Schwäche diesen Geboten nicht mehr gewachsen war, habt ihr euch voneinander getrennt und jeder ging seinen eigenen Weg. Darauf spalteten sich jene, die diesen Geboten treu bleiben wollten, von eurer Gemeinschaft ab, und nennen sich nun, da sie auf Binsenmatten schlafen, Mattarier; zu deren Schlaflager bildeten die Daunendecken des Faustus und seine Decken aus Ziegenfell einen deutlichen Kontrast, und mit diesem Überfluss an Luxus erzeugte er nicht nur bei den Mattariern Überdruss, sondern auch im Haus seines Vaters, eines bescheidenen Mannes aus Mileve.
Verbannt also eure elende Heuchelei, wenn nicht aus eurem Lebenswandel, dann wenigstens aus euren Schriften, damit nicht der Eindruck entsteht, dass eure Zunge mit eurer Lebensführung, so wie jener Erste Mensch mit dem Volk der Finsternis, – zwar nicht mittels heimtückischer Elemente, wohl aber mittels heimtückischer Reden, im Kampf liege!
