6. Kapitel. Warum sagt man nicht: Eine Person, drei Wesen?
11. Damit jedoch nicht der Anschein entstehe, als wollte ich für diese unsere lateinische Anschauung Partei ergreifen, will ich dieser Frage noch genauer nachgehen. Freilich könnten die Griechen, wenn sie wollten, wie sie den Ausdruck: drei Substanzen, drei Hypostasen verwenden, so auch den Ausdruck drei Personen, drei Prosopa verwenden. Sie zogen jedoch den ersten Ausdruck vor, wohl weil er ihrem Sprachgebrauch besser entspricht. Beim Begriffe Person liegt nämlich die Sache ebenso wie beim Begriffe Substanz. Denn nicht etwas anderes ist für Gott das Sein, etwas anderes das Personsein, sondern ganz und gar ein und dasselbe. Wenn nämlich zwischen Sein und Personsein so unterschieden wird, daß Sein eine in sich ruhende Wirklichkeit, Person eine Beziehung besagt, dann nennen wir den Vater, Sohn und Heiligen Geist drei Personen, so wie wir von drei Freunden, drei Verwandten, drei Nachbarn reden, wenn wir ihre gegenseitige Beziehung, nicht das jedem S. 254 für sich zukommende Sein ins Auge fassen. Jeder von ihnen ist so der Freund, der Verwandte, der Nachbar der beiden anderen, weil alle diese Worte eine Beziehung besagen. Wie steht es also in unserem Falle? Sollen wir den Vater die Person des Sohnes und Heiligen Geistes heißen oder den Sohn die Person des Vaters und Heiligen Geistes oder den Heiligen Geist die Person des Vaters und Sohnes? Der Ausdruck Person wird nirgends in dieser Weise verwendet. Wir meinen daher auch in dieser Dreieinigkeit, wenn wir von der Person des Vaters reden, nichts anderes als die Substanz des Vaters. Wie daher die Substanz des Vaters der Vater selbst ist, nicht sofern er Vater ist, sondern sofern er ist, so ist auch die Person des Vaters nichts anderes als der Vater selbst. In bezug auf sich selbst heißt er Person, nicht in seiner Beziehung zum Sohne oder zum Heiligen Geiste, wie er in bezug auf sich selbst Gott, groß, gut, gerecht und anderes Derartiges heißt. Und wie für ihn ein und dasselbe ist Gott sein, groß sein, gut sein, so ist für ihn ein und dasselbe das Sein und das Personsein. Warum also nennen wir nicht diese drei zusammen eine Person, wie wir von einem Wesen und von einem Gott sprechen, sondern heißen sie drei Personen, wo wir doch nicht von drei Göttern oder drei Wesen reden, warum anders, als weil wir wünschen, daß uns zur Bezeichnung der Dreieinigkeit doch wenigstens irgendein Wort zur Verfügung steht, damit wir nicht ganz schweigen müssen, wenn man uns fragt, was sind denn das für drei, wo wir bekennen, daß es drei sind? Wenn nämlich das Wesen die Gattung ist, die Substanz oder die Person aber die Art, wie manche meinen — ich will unterlassen, nochmal auszuführen, was ich schon gesagt habe, daß man nämlich dann von drei Wesen sprechen muß, wie man von drei Substanzen oder drei Personen spricht, ebenso wie man von drei Pferden spricht und diese eben auch drei Lebewesen nennt, da Pferd die Art, Lebewesen die Gattung besagt. S. 255 In diesem Fall wird ja nicht etwa die Artbezeichnung in der Mehrzahl, die Gattungsbezeichnung in der Einzahl gebraucht, als ob man die drei Pferde ein Lebewesen nennen würde. Wie man vielmehr mit dem Artwort von drei Pferden spricht, so spricht man mit dem Gattungswort von drei Lebewesen. Wenn man behauptet, daß das Wort Substanz oder Person nicht die Art, sondern etwas Einzelnes und Individuelles bezeichne, so daß Substanz oder Person nicht in dem Sinne verwendet wird wie Mensch — dies besagt etwas allen Menschen Gemeinsames —, sondern in dem Sinne wie dieser Mensch, wie zum Beispiel Abraham, Isaak oder Jakob oder irgendein anderer, der gegenwärtig ist und auf den man mit dem Finger hinzeigen kann: so stellt sich auch hier die gleiche Überlegung ein. Wie nämlich Abraham, Isaak und Jakob drei Individuen heißen, so auch drei Menschen und drei Seelen. Warum also heißen der Vater, Sohn und Heilige Geist, ob diese Namen nun Gattungs-, Art- oder Individualbezeichnungen sind, nicht in der Weise drei Wesen, wie sie drei Substanzen oder drei Personen heißen? Doch das will ich, wie gesagt, übergehen. Das will ich aussprechen, daß, wenn das Wesen eine Gattung besagt, das eine Wesen keine Arten mehr aufweist, wie ein einziges Lebewesen, wenn Lebewesen eine Gattung besagt, keine Arten mehr aufweist. Nicht also sind dann Vater, Sohn und Heiliger Geist drei Arten eines Wesens. Wenn aber das Wesen eine Art besagt, wie Mensch eine Art besagt, die drei Substanzen oder Personen aber, von denen wir sprechen, so dieselbe Art gemeinsam haben, wie Abraham, Isaak und Jakob die mit dem Wort Mensch bezeichnete Art gemeinsam haben, ein bestimmter Mensch aber nicht, wie der Begriff Mensch Abraham, Isaak und Jakob als Einzelindividuen in sich zusammenfaßt, so irgendwelche Einzelmenschen in sich wie Teile zusammenfassen kann — er kann es ganz und gar nicht, weil ein bestimmter Mensch ja schon ein Einzelmensch ist —, warum faßt S. 256 dann das eine Wesen die drei Substanzen oder Personen als Einzelwesen in sich? Wenn nämlich Wesen eine Art besagt wie Mensch, so liegt das eine Wesen in derselben Linie wie der eine Mensch. Oder können wir etwa, wie wir von drei bestimmten Menschen, die dasselbe Geschlecht, dieselbe Körperbeschaffenheit, dieselbe Seele haben, sagen, sie seien eine Natur — sie sind nämlich drei Menschen, aber eine Natur —, können wir ebenso auch hier von drei Substanzen, einem Wesen oder von drei Personen, einer Substanz oder einem Wesen sprechen? Sicherlich handelt es sich hier um die gleiche Sachlage — die alten, lateinisch schreibenden Schriftsteller haben ja, bevor sie diese Worte, nämlich Wesen und Substanz, verwendeten, deren Gebrauch vor nicht langer Zeit erst aufkam, dafür den Ausdruck Natur verwendet. Nicht also wie Gattungs- und Artbezeichnungen verwenden wir diese Worte, sondern zum Ausdruck eines gemeinsamen und gleichen inhaltlichen Bestandes. Es ist so, wie wenn aus dem gleichen Golde drei Statuen gebildet würden und wir die drei Statuen ein Gold hießen: wir würden dabei doch nicht das Gold die Gattung, die Statuen die Art oder das Gold die Art und die Statuen die Individuen heißen. Keine Art geht ja über ihre Individuen hinaus, so daß sie etwas darüber hinaus Liegendes noch umfassen würde. Wenn ich nämlich eine Wesensbestimmung des Menschen gebe — sie stellt eine Artbezeichnung dar —, dann sind alle einzelnen Menschen, die Individuen sind, in ihr enthalten, und was nicht Mensch ist, gehört nicht zu ihr. Wenn ich aber eine Wesensbestimmung des Goldes gebe, so gehören zum Golde nicht bloß die Statuen, soweit sie golden sind, sondern auch die goldenen Ringe und was sonst aus Gold gemacht ist. Auch wenn nichts daraus gemacht wird, ist es doch Gold — ebenso sind die Statuen Statuen, auch wenn sie nicht golden sind. Es geht ja die Art nicht über die Wesensbestimmung der Gattung hinaus, zu der sie gehört. Wenn ich nämlich eine S. 257 Wesensbestimmung von Lebewesen gebe, so ist, da Pferd eine Art dieser Gattung ist, jedes Pferd ein Lebewesen, nicht aber ist jede Statue Gold. Wenn wir daher auch bei drei goldenen Statuen mit Recht sagen, daß die drei Statuen ein Gold sind, so betrachten wir doch bei dieser Ausdrucksweise nicht das Gold als die Gattung, die Statuen aber als die Arten. Nicht so also heißen wir die Dreieinigkeit drei Personen oder Substanzen, ein Wesen und einen Gott, als ob drei bestimmte Subjekte in selbständigem Dasein aus einem Grundstoffe bestünden, auch wenn dieser, was immer er ist, in den dreien zur Entfaltung käme. Es gibt nämlich nichts an diesem Wesen, was außerhalb der Dreieinigkeit läge; wir sagen jedoch, daß die drei Personen von einem und demselben Wesen sind oder daß die drei Personen ein Wesen sind, nicht aber sagen wir, daß die drei Personen aus einem und demselben Wesen bestehen, gleich als ob dort etwas anderes wäre das Wesensein, etwas anderes das Personsein, wie wir sagen können, daß drei Statuen aus demselben Golde bestehen — etwas anderes ist ja dabei das Goldsein, etwas anderes das Statuesein. Und wenn man sagt, daß drei Menschen eine Natur sind oder daß drei Menschen von einer und derselben Natur sind, dann kann man auch sagen, daß drei Menschen aus einer Natur bestehen, weil aus einer und der selben Natur noch drei andere derartige Menschen in selbständigem Dasein bestehen können. In jenem Wesen der Dreieinigkeit hingegen kann in keiner Weise irgendeine weitere Person aus demselben Wesen in selbständigem Dasein bestehen. Ferner ist bei diesen Beispielen ein Mensch nicht soviel wie drei Menschen zusammen, und zwei Menschen sind mehr als einer, und bei den drei Statuen haben drei mehr Gold als eine einzelne und eine weniger als zwei. In Gott hingegen ist es nicht so. Denn nicht sind ein größeres Wesen der Vater, Sohn und Heilige Geist zusammen als der Vater allein oder der Sohn allein; vielmehr sind jene Substanzen S. 258 oder Personen, wenn man so sagen darf, zusammen jeder einzelnen gleich — das versteht freilich der irdisch gesinnte Mensch nicht; denn er kann nur in Körpern und Räumen, sei es großen, sei es kleinen, denken, indem die Vorstellungen wie Bilder von Körpern in seiner Seele herumflattern.
12. Bis er von dieser Unreinheit gereinigt wird, soll er glauben an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, den einen, alleinigen, großen, allmächtigen, guten, gerechten, barmherzigen Gott, den Begründer alles Sichtbaren und Unsichtbaren, und was sonst von ihm gemäß der menschlichen Schwachheit würdig und richtig ausgesagt werden kann. Nicht soll er, wenn er hört, der Vater sei der alleinige Gott, von ihm den Sohn absondern oder den Heiligen Geist. Mit dem ist er ja der alleinige Gott, mit dem er auch der eine Gott ist; auch wenn wir hören, der Sohn sei der alleinige Gott, dann müssen wir das hinnehmen, ohne den Vater oder Heiligen Geist irgendwie auszuschließen. Und so soll er von einem Wesen sprechen, daß er darin nicht das eine für größer oder geringer hält als das andere oder an irgendeine Verschiedenheit denkt. Nicht jedoch ist es so, daß der Vater selbst der Sohn oder der Heilige Geist ist oder, was sonst von den einzelnen in ihrem gegenseitigen Verhältnis ausgesagt wird, wie etwa Wort — Wort wird nur der Sohn genannt — oder Geschenk ― Geschenk heißt nur der Heilige Geist —: wegen dieses Sachverhalts ist auch die Mehrzahl zulässig, wie es im Evangelium heißt: „Ich und der Vater sind eins.“1 Er sagt sowohl „eins“ als auch „wir sind“, „eins“ hinsichtlich des Wesens, weil nur ein Gott ist, „wir sind“ hinsichtlich der Beziehung, weil der eine Vater, der andere Sohn ist. Manchmal wird auch von der Einheit des Wesens geschwiegen und werden allein die Beziehungen in der Mehrzahl erwähnt: „Wir werden zu ihm kommen, ich und der Vater, und Wohnung bei ihm nehmen.“2 S. 259 „Wir werden kommen“ und „wir werden Wohnung nehmen“ ist die Mehrzahl, weil vorausgeht: Ich und der Vater, das heißt der Sohn und der Vater, zwei Wirklichkeiten, die eine gegenseitige Beziehung besagen. Manchmal ist ganz verborgen auf die Beziehungen hingewiesen, wie in der Genesis: „Laßt uns den Menschen machen nach unserm Bild und Gleichnis.“3 Sowohl „laßt uns machen“ als auch „unser“ steht in der Mehrzahl und darf nur von beziehentlichen Wirklichkeiten verstanden werden. Es ist ja nicht so, als ob Götter schaffen würden oder als ob nach dem Bild und Gleichnis von Göttern geschaffen würde. Vielmehr ist es so, daß der Vater, Sohn und Heilige Geist nach dem Bilde des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes schufen, auf daß der Mensch als Bild Gottes existiere. Gott aber ist Dreieinigkeit. Weil aber dieses Bild Gottes nicht vollständig gleich wurde, da es ja nicht von Gott geboren, sondern von ihm geschaffen wurde — eben diesen Sachverhalt sollte es darstellen —, so ist es in der Weise Bild, daß es nach dem Bilde ist, das heißt: Es kommt nicht gleich in Gleichförmigkeit, sondern nähert sich an in einer gewissen Ähnlichkeit. Nicht in räumlichen Abständen nämlich, sondern durch Ähnlichkeit nähert man sich Gott, und durch Unähnlichkeit entfernt man sich von ihm. Es gibt Leute, welche so unterscheiden, daß sie unter dem Bilde den Sohn verstehen wollen, den Menschen aber nicht Bild, sondern „nach dem Bilde“ sein lassen. Es weist sie aber der Apostel mit den Worten zurück: „Der Mann braucht das Haupt nicht zu verhüllen, da er das Bild und die Herrlichkeit Gottes ist.“4 Er sagte nicht: Nach dem Bilde, sondern Bild. Wenn es statt Bild anderswo heißt „nach dem Bilde“, so bedeutet das nicht soviel wie nach dem Sohne, der das dem Vater gleiche Bild ist. Sonst würde es nicht heißen: nach unserem Bilde. Was hätte denn „unser“ für einen Sinn, da doch der Sohn das Bild allein des Vaters ist? S. 260 Vielmehr wird vom Menschen wegen der ungleichen Ähnlichkeit, wie wir sagten, ausgesagt, daß er nach dem Bilde ist, und nach unserem Bilde heißt es, auf daß der Mensch Bild der Dreieinigkeit sei, nicht ein der Dreieinigkeit gleiches Bild, wie der Sohn dem Vater gleich ist, sondern, wie ich sagte, ein in einer gewissen Ähnlichkeit sich annäherndes Bild, wie man bei wesensverschiedenen Dingen von einer gewissen Nachbarschaft, nicht der räumlichen Nähe, sondern im Sinne einer gewissen Nachahmung spricht. In diesem Sinne nämlich heißt es: „Gestaltet euch um in der Neuheit eures Geistes!“5 Ebenso sagt der Apostel: „Seid daher Nachahmer Gottes als geliebte Kinder!“6 Dem neuen Menschen wird gesagt: „Der erneuert wird zur Erkenntnis Gottes gemäß dem Bilde dessen, der ihn schuf.“7 Wenn man aber schon, unter dem Zwange, über die Dreieinigkeit zu sprechen, sich entschlossen hat, auch außer bei beziehentlichen Ausdrücken die Mehrzahl zuzulassen, damit man auf die Frage, was denn die drei seien, doch ein Wort zur Antwort zur Verfügung habe, und von drei Substanzen oder von drei Personen zu sprechen, dann soll man nicht an stoffliche Masse oder räumliche Trennung denken, an keine wenn auch noch so kleine Verschiedenheit und Unähnlichkeit, so daß man dort das eine wenn auch nur um ein weniges für geringer als das andere hielte, an welche Möglichkeit des Geringerseins man immer denken mag, auf daß man nicht zu einer Vermischung der Personen und auch nicht zu einem solchen Unterschied kommt, daß eine Ungleichheit herauskommt. Wenn man das mit der Vernunft nicht fassen kann, so soll man es im Glauben festhalten, bis jener in den Herzen sein Licht leuchten läßt, der durch den Propheten sagt: „Wenn ihr nicht glaubt, dann werdet ihr nicht einsehen.“8
