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Œuvres Augustin d'Hippone (354-430) De Trinitate Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit
ELFTES BUCH.

8. Kapitel. Bedeutung des Gedächtnisses und des Willens für das Zustandekommen von Sinneswahrnehmungen.

Weil aber die Sehkraft der Seele nicht zugleich alles, was das Gedächtnis festhält, mit einem einzigen Blick schauen kann, wechseln die Dreiheiten der Vorstellungen ab, indem die einen kommen, die anderen gehen, und so entsteht jene unzählbar zahlreiche Dreiheit. Unendlich ist sie jedoch nicht, da ja die im Gedächtnis verborgenen Dinge nicht jenseits der Zahl liegen. Wenn man nämlich alles, seit man durch irgendeinen Leibessinn Körper wahrzunehmen begann, zusammennimmt,S. 117 wenn man auch, was man vergaß, mit hinzunimmt, so würde das in Wirklichkeit eine bestimmte und begrenzte Zahl geben, wenngleich eine unzählbare. Unzählbar heißen wir ja nicht nur das Unendliche, sondern auch, was so endlich ist, daß es die Fähigkeit des Zählenden übersteigt.

13. Von hier aus läßt sich aber ein wenig klarer erkennen, daß etwas anderes ist, was das Gedächtnis birgt und festhält, etwas anderes, was sich hiervon im Gedanken des sich Erinnernden abprägt, wenngleich beides, da eine Einung der beiden stattfindet, als eine und dieselbe Wirklichkeit erscheint. Erinnern können wir uns nämlich nur an soviele Körpergestalten, als wir wahrgenommen haben, in der Größe und in der Weise, wie wir sie wahrgenommen haben. Mittels des Leibessinnes trinkt sie ja die Seele in das Gedächtnis hinein. Jene Schau jedoch, die sich beim Denken vollzieht, geschieht zwar auf Grund der Dinge, die im Gedächtnis sind, aber sie wird doch unzählbar, ja unendlich vervielfältigt und abgewandelt. So erinnere ich mich nur einer Sonne, weil ich auch, wie es nur eine gibt, nur eine gesehen habe; wenn ich aber will, denke ich zwei oder drei oder soviel ich eben will; aber aus demselben Gedächtnis, mit dem ich mich an die eine erinnere, wird die Sehkraft geformt, mit der ich mir viele denke. Ferner erinnere ich mich an jene Größe, die ich sah. Wenn ich mich nämlich an eine größere oder kleinere erinnere, als ich sah, dann erinnere ich mich nicht mehr dessen, was ich sah, und deshalb erinnere ich mich überhaupt nicht mehr. Weil ich mich aber erinnere, erinnere ich mich an jene Größe, die ich sah. Nach Belieben stelle ich sie mir aber größer oder kleiner vor. Ich erinnere mich an die Sonne in jener Zuständlichkeit, in der ich sie sah. Aber wie ich will, denke ich, daß sie läuft; ich denke, daß sie stehenbleibt, wo ich will, daß sie kommt, woher und wohin ich will. Leicht ist es mir auch, sie viereckig zu denken, während sie nach S. 118 meiner Erinnerung rund ist; ebenso denke ich sie in irgendeiner Farbe, während ich doch niemals eine grüne Sonne gesehen habe und mich daher auch nicht daran erinnere. Und wie es mit der Sonne ist, so ist es mit allem übrigen. Freilich irrt die Seele, wenn sie, weil diese Formen der Dinge körperlich und sinnfällig sind, sich der Meinung hingibt, daß sie in der gleichen Weise draußen sind, wie sie dieselben drinnen denkt, während sie draußen schon untergegangen sind und nur noch im Gedächtnis aufbewahrt werden, oder da, was in unserer Erinnerung ist, seine Gestalt ändert, nicht durch die Treue der Erinnerung, sondern durch die Abwandlung in der Vorstellung.

14. Sehr häufig kommt es indes auch vor, daß wir auf eine Erzählung hin etwas Wahres glauben, das die Erzähler selbst mit den Sinnen wahrgenommen haben. Wenn wir uns dies beim Hören, während es erzählt wird, vorstellen, dann scheint sich die Sehkraft nicht dem Gedächtnis zuzuwenden, auf daß die im Denken sich vollziehende Schau geschieht. Wir bilden uns ja die Vorstellung nicht, indem wir uns selbst erinnern, sondern während jemand anderer erzählt. So scheint hier jene Dreiheit nicht zustandezukommen, die entsteht, wenn die im Gedächtnis verborgene Gestalt und die Schau des sich Erinnernden durch den Willen als Drittes geeint werden. Nicht nämlich, was in meinem Gedächtnis verborgen war, sondern was ich höre, stelle ich mir vor, wenn mir etwas erzählt wird. Ich sage nicht: die Klanglaute des Sprechenden, damit man nicht glaube, ich sei zu der Dreiheit hinausgegangen, die sich draußen im Sinnfälligen und in den Sinnen begibt. Ich denke vielmehr die Gestalten der Körper, welche der Erzählende mit seinen Worten und Lauten bezeichnet; sicherlich erinnere ich mich dieser nicht; aber indem ich sie höre denke ich sie. Wenn wir indes sorgfältiger achtgeben, dann wird auch in diesem Falle das Maß des Gedächtnisses nicht überschritten. Ich könnte nämlich S. 119 den Erzähler nicht verstehen, wenn ich, was er sagt, und dessen Zusammenhang dabei zum erstenmal hörte und nicht eine allgemeine Erinnerung an die einzelnen Angaben hätte. Wenn mir zum Beispiel jemand von einem des Waldes beraubten und mit Ölbäumen bepflanzten Berg erzählt, dann erzählt er das einem Manne, der sich an die Gestalt von Bergen, Wäldern, Ölbäumen erinnert. Hätte ich dies alles vergessen, dann würde ich gar nicht wissen, was er sagt, und daher könnte ich mir bei seiner Erzählung nichts denken. So kommt es, daß jeder, der Körperliches denkt, mag er sich selbst ein Bild hiervon machen, mag er hören oder lesen, was jemand an Vergangenem erzählt oder an Zukünftigem vorhersagt, auf sein Gedächtnis zurückgreift und dort die Weise und das Maß aller Formen findet, die er im Denken schaut. Denn niemand kann eine Farbe oder eine körperliche Gestalt, die er niemals sah, oder einen Ton, den er niemals hörte, oder einen Geschmack, den er niemals kostete, oder einen Geruch, den er niemals roch, oder irgendeine körperliche Betastung, die er niemals spürte, sich irgendwie vorstellen. Wenn sonach niemand etwas Körperliches denkt, wenn er es nicht wahrnahm, weil niemand sich an etwas Körperliches erinnert, wenn er es nicht wahrnahm, so ist, wie die Körper das Maß des Wahrnehmens sind, das Gedächtnis das Maß des Denkens. Der Sinn empfängt nämlich die Gestalt von dem Körper, wenn wir eine Sinneswahrnehmung vollziehen; vom Sinne empfängt sie das Gedächtnis, vom Gedächtnis aber die Sehkraft dessen, der sich eine Vorstellung bildet.

15. Der Wille sodann eint, wie er den Sinn mit dem Körper verbindet, so die Sehkraft dessen, der eine Vorstellung bildet, mit dem Gedächtnis. Der aber diese Wirklichkeiten vereint und verbindet, der ist es auch, der sie sondert und scheidet, nämlich eben derselbe Wille. Von den wahrzunehmenden Körpern scheidet er durch eine körperliche Bewegung die Leibessinne, damit S. 120 wir nichts wahrnehmen oder etwas wahrzunehmen aufhören, so zum Beispiel, wenn wir die Augen von dem, was wir nicht sehen wollen, wegwenden oder schließen, oder wenn wir die Ohren von den Lautklängen oder die Nase vom Geruche wegwenden. Ebenso wenden wir uns, indem wir den Mund schließen oder etwas aus dem Munde ausspucken, von der Geschmacksempfindung weg. Handelt es sich um die Berührung, so ziehen wir entweder den Leib zurück, damit wir nicht berühren, was wir nicht wollen, oder wenn wir es schon berührten, werfen wir den Gegenstand weg oder stoßen ihn zurück. So bewirkt der Wille durch eine körperliche Bewegung, daß der Sinn mit den sinnfälligen körperlichen Dingen nicht in Verbindung kommt. Er bewirkt dies, so gut er kann: da er nämlich bei diesem Bewirken wegen der Beschaffenheit der knechtischen Sterblichkeit Beschwer erleidet, so ist die Folge für ihn Qual, so daß dem Willen nichts übrig bleibt als Ertragung. Das Gedächtnis aber wendet der Wille vom Sinne ab, wenn er, auf etwas anderes aufmerksam, ihm nicht gestattet, sich dem Gegenwärtigen hinzugeben. Das läßt sich leicht feststellen. Oft scheint es uns nämlich, wenn jemand mit uns spricht, während wir an etwas anderes denken, als hätten wir ihn nicht gehört. Das ist jedoch falsch. Wir haben ihn nämlich gehört; aber wir erinnern uns nicht, da die Klanglaute zwar durch den Gehörsinn glitten, die Richtung des Willens aber, durch den sie dem Gedächtnis eingesenkt zu werden pflegen, anderswohin ging. Wenn so etwas vorkommt, ist es sonach richtiger, zu sagen: wir erinnern uns nicht, statt: wir haben nicht gehört. Auch beim Lesen kommt es ja vor ― mir widerfährt es sehr oft ―, daß ich, wenn ich eine Seite oder einen Brief durchgelesen habe, nicht weiß, was ich gelesen habe, und es nochmals lesen muß. Wenn nämlich die Neigung des Willens sich auf etwas anderes hinwendet, dann ist das Gedächtnis nicht in der Weise auf den Leibessinn hingerichtet, wie der Sinn selbst S. 121 auf die Buchstaben hingerichtet ist. So weiß man, wenn man spazieren geht, während die Aufmerksamkeit des Willens sich anderswohin wendet, nicht, wo man vorübergegangen ist. Hätte man die betreffenden Orte nicht gesehen, dann wäre man beim Spazierengehen gar nicht vorbeigekommen oder man hätte beim Gehen zu große Aufmerksamkeit auf das Auftreten verwendet, zumal wenn es über unbekannte Wege ging; weil man aber leicht dahingegangen ist, hat man sie sicherlich gesehen. Weil indes nicht, wie der Gesichtssinn jedem Ort, wohin immer man sich wandte, zugewandt war, so auch das Gedächtnis mit dem Sinne geeint war, konnte man sich auf keine Weise an das, was man sah, erinnern, obgleich es eben geschah. Von dem, was im Gedächtnis ist, die Sehkraft des Geistes abwenden wollen, heißt sonach nichts anderes als nicht daran denken.

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On the Trinity - Introductory Essay

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