8. Kapitel. Letztlich wirkt Gott auch die Wunder der Zauberer.
S. 116 13. Man darf sich jedoch durch solche Vorkommnisse nicht zu der Meinung verführen lassen, als ob die sichtbare körperliche Welt dem Willen der widersetzlichen Engel dienstbar wäre. Sie ist vielmehr nur Gott dienstbar, von dem diese Macht verliehen wird, soweit der Unveränderliche es auf seinem erhabenen geistigen Throne für gut findet. Steht doch auch den zur Arbeit in den Erzbergwerken verurteilten Verbrechern Wasser, Feuer und Erde zur Verfügung, so daß sie daraus machen können, was sie wollen, freilich nur soweit man es ihnen gestattet. Auf keinen Fall kann man jene bösen Engel Schöpfer nennen, weil mit ihrer Hilfe die dem Diener Gottes sich widersetzenden Zauberer Frösche und Schlangen hervorbrachten. Denn nicht sie waren es, die diese Tiere schufen. Es sind nämlich von allen Dingen, die im Bereiche des Körperlichen und Sichtbaren werden, in den stofflichen Elementen dieser Welt gewisse unsichtbare Samen verborgen. Manche von diesen Samen sind für unsere Augen schon wahrnehmbar an den Pflanzen und Tieren, andere sind uns verborgen und sind Samen dieser Samen. So brachte auf Geheiß des Schöpfers das Wasser die ersten schwimmenden und fliegenden Tiere, die Erde die ersten Pflanzen ihrer Art und die ersten Tiere ihrer Art hervor.1 Und diese hervorgebrachten Wesen wurden damals nicht in der Weise mit Fruchtbarkeit ausgestattet, daß in den von ihnen hervorgebrachten Dingen die hervorbringende Kraft aufgebraucht wurde. Doch fehlen vielfach für fruchtbare Vermischung die passenden Gelegenheiten, durch welche die Dinge ihre fruchtbare Kraft betätigen und ihre Art weitergeben würden. So ist ein ganz kleiner Setzling ein Same. Wenn man ihn nämlich richtig in die Erde steckt, dann treibt er einen Baum. Der feinere S. 117 Same dieses Setzlings aber ist ein Kern von derselben Art. Dieser ist uns noch sichtbar. Den Samen dieses Kerns jedoch können wir zwar mit den Augen nicht mehr wahrnehmen, wohl aber mit dem Verstande erschließen. Wenn es nämlich nicht irgendeine fruchtbare Kraft in den Elementen gäbe, dann würden nicht manchmal Dinge aus dem Boden herauswachsen, die dort gar nicht gesät sind. Ebensowenig würden auf der Erde und im Wasser so viele Tiere entstehen, ohne daß eine Verbindung von männlichen und weiblichen Tieren vorausging. Diese Tiere wachsen und bringen in geschlechtlicher Verbindung andere hervor, während sie selber ohne diese entstanden sind. Sicher empfangen die Bienen den Samen für die Erzeugung von Jungen nicht durch geschlechtliche Verbindung, sondern lesen ihn gleichsam mit dem Munde vom Boden auf, wo er zerstreut ist. Der Schöpfer des unsichtbaren Samens ist der Schöpfer aller Dinge selbst. Denn alles, was wird und vor unsere Augen hintritt, empfängt von verborgenem Samen die ersten Gründe seines Entstehens, und das Wachstum zu gehöriger Größe und die Gliederung seines Leibes verdankt es Keimen, die wie feste Gesetze wirken. Wir nennen also die Eltern nicht die Schöpfer der Menschen, die Bauern nicht die Schöpfer der Früchte, wenngleich ihre von außen die Dinge anfassende Tätigkeit notwendig ist, damit Gottes Schöpferkraft innerlich wirkt. Ebenso dürfen wir weder die guten noch die bösen Engel für Schöpfer halten, wenn sie gemäß der Feinheit ihres Wahrnehmens und ihres Körpers die uns verborgenen Samen kennen und, indem sie die Elemente entsprechend mischen, verborgene Saaten legen und so Anlaß geben für Entstehen und beschleunigtes Wachsen der Dinge. Aber die guten Engel tun das nur, soweit es ihnen Gott gebietet, die bösen Engel in unrechtem Sinnen nur, soweit Gott in gerechtem Wollen es zuläßt. Die Bosheit des Ungerechten macht nämlich seinen Willen ungerecht. Macht bekommt er jedoch nur aus gerechtem S. 118 Grunde, sei es zu seiner eigenen oder zu anderer Wesen Strafe oder zur Bestrafung der Bösen oder zum Lobe der Guten.
14. Deshalb lehrt der Apostel Paulus einen inneren Unterschied zwischen dem Wirken des schaffenden und gestaltenden Gottes und der Wirksamkeit der Geschöpfe, die von außen her die Dinge anfaßt, und veranschaulicht das durch ein Gleichnis aus dem Ackerbau: „Ich habe gepflanzt, Apollo hat begossen, Gott aber hat das Wachstum gegeben.“2 Wie also in diesem Leben unseren Geist nur Gott durch seine rechtfertigende Tätigkeit formen kann, das Evangelium aber auch die Menschen äußerlich hörbar verkündigen können, nicht nur die Guten in aufrichtiger Gesinnung, sondern auch die schlechten mit Nebenabsichten,3 so wirkt Gott durch seine schöpferische Tätigkeit auf das innerste Sein der sichtbaren Dinge ein, während er das an der Außenseite verbleibende Wirken der Guten oder Bösen, seien es Engel, seien es Menschen, oder auch irgendwelcher Tiere, das gemäß seinem Gebote und dem von ihm jedem Geschöpf in verschiedenem Ausmaß geschenkten Können und Zweckmäßigkeitsstreben erfolgt, so an die Natur der Dinge, welche alles seinem schöpferischen Tun verdanken, heranträgt, wie die Arbeit des Bauern an den Boden. Deshalb kann ich ebensowenig sagen, daß die bösen Engel, durch die Zauberkünste aufgerufen, die Schöpfer der Frösche und Schlangen gewesen seien, wie ich sagen kann, daß die bösen Menschen die Schöpfer der Saaten sind, welche ich durch ihre Mühen werden sehe.
15. So war auch Jakob nicht der Schöpfer der Farbe in den Tieren, weil er vor die trinkenden Muttertiere die verschiedenfarbigen Stäbe legte, damit sie diese anblickten.4 Aber auch die Tiere selbst waren nicht die Schöpfer der Verschiedenfarbigkeit ihrer Jungen, weil etwa durch den Anblick der verschiedenfarbigen Stäbe ein buntfarbiges Vorstellungsbild durch ihre Augen S. 119 eingegangen und ihrer Seele eingeprägt war. Dieses konnte ja nur auf den Körper, der durch die solcherart beeinflußte Seele belebt war, auf Grund der geschlechtlichen Vermischung einwirken, wodurch die Jungen schon im frühesten Beginn ihres Lebens gesprenkelt wurden. Daß sie so aufeinander einwirken, der Leib auf die Seele oder die Seele auf den Leib, verursachen angemessene Gründe, die in der höchsten Weisheit Gottes, die selbst kein Raum zu fassen vermag, ein unwandelbares Leben führen. Während sie selbst unwandelbar ist, sorgt sie sich doch auch um alles Wandelbare, weil ja alles durch sie allein geschaffen ist. Daß nämlich von den Tieren nicht Stäbe, sondern Tiere geboren wurden, bewirkte das unwandelbare und unsichtbare Wesen der Weisheit Gottes, durch die alles geschaffen ist. Daß aber von der Verschiedenfarbigkeit der Stäbe die Farbe der empfangenen Tiere beeinflußt wurde, das bewirkte die Seele des trächtigen Tieres, welche von außen her durch die sinnliche Wahrnehmung beeindruckt wurde, innen aber in ihrem gestaltenden Tun dem Gesetz folgte, welches die bis in das Innerste reichende Macht ihres Schöpfers ihr auferlegt hatte. Wie groß jedoch die Gewalt der Seele ist, auf körperliches Sein umgestaltend einzuwirken — Schöpferin des Körpers kann sie indes nicht genannt werden, weil jede Ursache eines wandelbaren und sinnfälligen Seins und jegliches Maß, jegliche Zahl und jegliches Gewicht, Wirklichkeiten, denen die Natur ihr Sein und ihr Sosein verdankt, vom geistigen und unwandelbaren Leben, das über allem ist, ihr Dasein empfangen und herabschreiten bis zum untersten und körperlichen Wesen —, darüber müßte man eine lange Abhandlung schreiben, die jetzt nicht nötig ist. Ich wollte aber Jakobs Handlungen an den Tieren erwähnen, um klar zu machen, daß der Mensch, der die Stäbe in der geschilderten Weise hinlegte, nicht der Schöpfer der Farbe in den Lämmern und Böcken war, daß das ebenso nicht die Seelen der Muttertiere waren, S. 120 welche das durch die Augen aufgenommene Vorstellungsbild von der Buntfarbigkeit bei der Begattung ihren Jungen einsprenkelten, soweit die Natur es zuließ, daß daher noch viel weniger die bösen Engel, mit deren Hilfe die Zauberer Pharaos ihre Kunststücke vollführten, Schöpfer der Frösche und Schlangen genannt werden können.