5. Kap. Ähnlich ist es mit den Opfern des Alten Bundes, anstatt deren ein neues, reines Opfer verheißen wird, das an allen Orten dargebracht werden soll.
In derselben Weise vermögen wir auch darzutun, daß die Opfer von irdischen Gaben sowie auch die geistigen Opfer vorherverkündet sind, und zwar wurde an Kain bereits von Anbeginn an gezeigt, daß die Opfer des älteren Sohnes, d. i. Israels, irdische seien; die Opfer des jüngeren Sohnes Abels dagegen, d. i. die unseres Volkes, sind als Opfer ganz verschiedener Art hingestellt worden. Der ältere nämlich, Kain, brachte Gott von den Früchten der Erde Gaben dar, der jüngere aber, Abel, vom Ertrag seiner Schafe. „Gott richtete seinen Blick auf Abel und seine Opfer, auf Kain aber und seine Opfer nicht“. Und Gott sprach zu Kain: „Warum ist dein Antlitz eingefallen ? Hast du nicht, wenn du zwar richtig opfertest, aber nicht richtig teiltest, gesündigt? Sei ruhig, denn bei dir steht deine Bekehrung und er selbst wird über dich herrschen“. Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: „Gehen wir hinaus auf das Feld“, und er ging mit ihm hinaus und tötete ihn. Da sprach Gott zu Kain: „Wo ist Abel, dein Bruder?“ Und er antwortete: „Ich weiß es nicht, bin ich etwa der Hüter meines Bruders?“ Gott sprach zu ihm: „Das Blut deines Bruders schreit zu mir von der Erde. Deshalb sei die Erde verflucht, die ihren Mund geöffnet hat, um das Blut deines Bruders zu trinken. Seufzend S. 313und furchtsam wirst du sein auf der Erde und jeder, der dich findet, wird dich töten“. Aus diesem Vorgange erkennen wir, daß bereits damals zu Anbeginn die zweierlei Opfer der beiden Völker vorgebildet würden.
Als endlich das Gesetz für die Priester durch Moses im Levitikus niedergeschrieben wurde, finden wir, daß dem Volke Israel die Vorschrift gegeben ward, die Opfer an keinem ändern Orte Gott darzubringen, als im Lande der Verheißung, welches Gott dem Volke Israel und seinen Vätern geben wollte. Dort als auf heiliger Erde sollten nach Israels Einführung in das Land die Opfer und Brandopfer sowohl für die Sünden als auch für die Seelen dargebracht werden und nirgendwo anders. Warum verkündigt also nachher der Heilige Geist durch die Propheten noch weiter, daß an allen Orten und in jedem Lande Gott Opfer würden dargebracht werden? wie durch den Boten Malachias, einen von den zwölf Propheten, der da sagt: „Ich werde kein Opfer annehmen von euren Händen; denn vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang wird mein Name verherrlicht werden unter allen Völkern, spricht der Herr, der Allmächtige, und an jedem Orte werden sie meinem Namen reine Opfer darbringen“1. Ähnlich heißt es in den Psalmen Davids: „Opfert Gott, ihr Länder der Heiden!“2 ohne Zweifel deshalb, weil die Predigt der Apostel in jedes Land hinausgehen sollte, „Bringet Gott dar Herrlichkeit und Ehre, bringet Gott dar die Opfer seines Namens. Erhebet die Opfergaben und tretet ein in seine Vorhöfe.“ Denn daß man Gott nicht mit irdischen, sondern mit geistigen Sühnopfern dienen solle, das lesen wir, wie es geschrieben steht: „Ein zerknirschtes und gedemütigtes Herz ist ein Opfer für Gott“3. Und anderwärts: „Opfere Gott Lobopfer und bringe dem Allerhöchsten Deine Gelübde dar“4.
In dieser Weise also werden die geistigen Lobopfer angekündigt und ein zerknirschtes Herz als annehmbares S. 314Opfer für Gott hingestellt. Wie die fleischlichen Opfer als solche dastehen, die zurückgewiesen werden, von welchen auch Isaias redet und sagt: „Was soll mir die Menge eurer Opfer? spricht der Herr“5, so werden die geistigen Opfer als wohlgefällig gepriesen laut der Verkündigung der Propheten, „Auch wenn ihr mir Mehl herbeibringt, so ist es ein vergebliches Sühnmittel und ein Abscheu vor mir,“ Und ferner sagt er noch: „Eure Brandopfer und eure Opfer, sowie das Fett der Böcke und das Blut der Stiere mag ich nicht, auch nicht, wenn ihr kommt, vor mir zu erscheinen. Wer hat dergleichen denn von euren Händen verlangt? Denn vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang ist mein Name verherrlicht unter den Völkern, spricht der Herr“, In betreff der geistigen Opfer aber fügt er noch bei und sagt: „An allen Orten bringen sie meinem Namen reine Opfer dar, spricht der Herr“6.
