Kap. 7. Das gleiche düstere Bild zeigen die Städte mit der unmenschlichen Grausamkeit der Gladiatorenspiele.
Wendest du nunmehr deine Augen und dein Gesicht den Städten zu, so wirst du da ein Gewühl finden, noch betrübender als alle Einsamkeit. Da rüstet man zu einem Fechterspiele, damit Blut die Gier grausamer Augen letze. Damit der Körper zur Vollkraft sich entwickelt, wird er erst mit besonders kräftigen Speisen gefüttert, und die starken, massigen Glieder nehmen zu, bis sie Polster von Fett ansetzen, damit der für diese Grausamkeit Herausgemästete als um so wertvolleres Opfer fällt. Der eine Mensch wird hingemordet zum Vergnügen des anderen, und daß einer zu morden versteht, das heißt Geschicklichkeit, das heißt S. 46 Fertigkeit, das heißt Kunst; das Verbrechen wird nicht nur verübt, sondern sogar regelrecht gelehrt1 . Was läßt sich Unmenschlicheres, was läßt sich Grausameres anführen? Eine Meisterschaft ist es, daß es einer versteht, den anderen umzubringen; ein Ruhm ist es, wenn er ihn wirklich umbringt. Was soll man aber, ich bitte dich, erst dazu sagen, wenn Leute, die kein Mensch verurteilt hat, sich den wilden Tieren entgegenwerfen, Leute im besten Alter, von ganz hübscher Gestalt, in kostbarem Gewande? Noch lebend schmücken sie sich zu einem freiwilligen Tod, ja die Armen rühmen sich auch noch ihres Unglücks. Nicht wegen eines Verbrechens kämpfen sie gegen die wilden Tiere, sondern aus reiner Raserei. Den eigenen Söhnen sehen die Väter zu, der Bruder steht auf dem Kampfplatz und die Schwester ist als Zuschauerin zugegen, und selbst wenn die prunkvollere Ausstattung des Festes den Eintrittspreis für das Schauspiel noch erhöht, die Mutter zahlt — wie schrecklich! — auch diesen, nur um als Mutter ihren eigenen Seelenqualen beizuwohnen. Und bei solch gottlosen und grausigen Schauspielen sind sie sich gar nicht bewußt, daß sie durch ihre Augen die Mörder ihrer eigenen Angehörigen sind2 .