46. Christus ist wahrer Gott, auch nach der Menschannahme, umsomehr auch vorher.
Hier frage ich nun, ob es ein andersartiger Gott ist, der in Gottes Gestalt als Gott dauerndes Dasein haben sollte; so wie wir es bei den Siegeln in den aufeinander abgestimmten bezeichnenden und bezeichneten Bildern wahrnehmen, da das Eisen dem Blei, das Siegel dem Wachs den Abdruck des Bildes entweder in Hohlform einprägt oder in erhabener Form herausdrückt.
Wenn es aber einen so Törichten und Verkehrten geben sollte, daß er der Meinung wäre, Gott habe mit dem Siegel einer Gottgestaltung aus sich etwas anderes als einen Gott gestaltet, und der Gottgestaltete sei in seiner Ganzheit etwas anderes als Gott, auch nach den Geheimnissen der Menschannahme und der bis zum Kreuzestod gehorsam vollendeten Erniedrigung: der möge hören, daß nach dem Bekenntnis der Himmlischen und Irdischen und Unterweltlichen und jeglicher Zunge Jesus in der Herrlichkeit des Vaters ist.1 In dieser Herrlichkeit S. 54 wird er also dauernd bleiben, wenn auch schon seine Gestalt die eines Knechtes gewesen ist; dann aber frage ich: als was hat er Fortdauer gehabt, als er in der Gestalt Gottes war? Ist Christus etwa nicht Geist gewesen in Gottes Wesen, wofür die „Herrlichkeit” nur ein (anderer) Ausdruck ist, da doch Christus Jesus, d. h. der Menschgewordene, in der Herrlichkeit des Vaters dasein wird?
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Phil. 2, 10 f. ↩