43. Falsche Auffassung der Unterwerfung.
Eine wie große Torheit irrlehrerischen Wahnes besteht aber darin, bei Gott dasjenige für unmöglich zu halten, was ihren eigenen menschlichen Erwartungen schmeichelt, daß nämlich Gott dasjenige in sich selbst zu wirken unvermögend sei, was im Menschen zu wirken er imstande ist! Das sagt weder ein Wort noch ein Gedanke, wenn sie der Vernunft mächtig sind, daß Gott nämlich auf Grund eines wesensmäßigen Zwanges dazu S. 272 gehalten sei, uns zu helfen, aber nicht imstande, sich irgend etwas an Seligkeit zu gewähren; nicht etwa, daß er des Fortschrittes bedürfe, er, der eine unzerstörbare Wesenheit und Kraft besitzt, sondern weil er unvermögend ist, ganz das Gott-sein sich zu gewähren, weil doch gemäß der Fügung und dem Geheimnis des großen Glaubens, wer Gott ist, zugleich auch Mensch ist. Denn unzweifelhaft wird er auch uns gewähren, das zu sein, was wir (noch) nicht sind.
Denn das Ende des menschlichen Lebens und Sterbens ist die Auferstehung; und der sicherste Sold unseres Kriegsdienstes1 ist die unzerstörbare Ewigkeit, die ihren Bestand nicht zur Fortdauer der Strafe hat, sondern zur Frucht und Freude ewiger Herrlichkeit niemals aufhört. Wenn also diese unsere erdentsprossenen Leiber in den Zustand eines machtvolleren Wesens hinaufsteigen und der Herrlichkeit des Herrnleibes gleichgestaltet werden, dann soll der in Knechtesgestalt erfundene Gott2 dennoch Gott nicht gleichgestaltet sein, obwohl er schon im Leibe verherrlicht ist, sofern er Knechtesgestalt besitzt? So, daß er über dasjenige hinaus seinem Körper nichts zu gewähren vermöchte, als was ihm und uns gemeinsam ist, er, der uns die Gestalt seines verherrlichten Leibes darreichen wird? Dieses Wort nämlich: „Dann wird er jenem unterworfen sein, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles sei in allem”,3 fassen die meisten Irrlehrer so auf, daß der Sohn deswegen Gott dem Vater unterworfen werden müsse, damit der Vater vermöge der Unterwerfung des Sohnes als Gott alles sei in allem; als ob es bis jetzt noch Gott an Vollkommenheit mangele, die er erst durch die Unterwerfung des Sohnes erreichen werde; als unmächtig der völlig-unabhängigen und seligen Göttlichkeit soll er gelten, wenn Gott es erst durch das Fortschreiten der Zeiten erreicht, alles in allem zu sein.