Kap. 7. Besonders in seinem Leiden und Sterben hat er uns das herrlichste Vorbild in dieser Tugend gegeben.
S. 296 In der Zeit des Leidens und des Kreuzes selbst aber, bevor es noch zum grausamen Tode und zum Blutvergießen kam, welch schimpfliche Schmähungen hörte er da geduldig an, welch kränkende Hohnreden ließ er sich da gefallen, so daß der Speichel der höhnenden Rotte ihn traf, der mit seinem Speichel kurz vorher die Augen der Blinden geöffnet hatte, und er, in dessen Namen jetzt von seinen Dienern der Teufel samt seinen Engeln1 gegeißelt wird2 , selbst Geißelhiebe erduldete, daß er mit Dornen gekrönt wurde, der die Märtyrer mit unverwelklichen Blumen bekränzt, daß man ihn mit der Hand ins Antlitz schlug, der die wahre Palme3 den Siegern reicht, daß er der irdischen Kleider beraubt wurde, der die anderen mit dem Gewande der Unsterblichkeit kleidet, daß man ihn mit Galle speiste, der die himmlische Speise darbot, daß man ihn mit Essig tränkte, der den Kelch des Heils kredenzte! Er, der Unschuldige, er, der Gerechte, ja vielmehr die Unschuld und die Gerechtigkeit selber, wird unter die Missetäter gezählt4 , und durch falsche Zeugnisse wird die Wahrheit unterdrückt, gerichtet wird er, der selbst dereinst richten wird, und das Wort Gottes läßt sich schweigend zum Kreuze führen. Und während bei der Kreuzigung des Herrn die Gestirne aus ihrer Ordnung kommen und die Elemente in Aufruhr geraten, während die Erde erbebt, die Nacht den Tag verdrängt und die Sonne ihre Strahlen und Augen abwendet, um nicht den Frevel der Juden schauen zu müssen, spricht er kein Wort und rührt sich nicht und gibt seine Herrlichkeit nicht einmal inmitten des Leidens zu erkennen. Bis zum Ende erträgt er alles beharrlich und beständig, damit die Geduld in ihrer ganzen Vollkommenheit sich in Christus vollende.
