Kap. 12. Doppelt nötig ist sie als Trost dem Christen, der den Anfechtungen und Verfolgungen des Teufels ganz besonders ausgesetzt ist.
Deshalb bricht jeder, wenn er geboren ist und als Gast in dieser Welt aufgenommen wird, sofort in Tränen aus, und obwohl in allem noch unwissend und unkundig, weiß er gleich bei seiner Geburt nichts anderes zu tun als zu weinen1 . Mit einer gewissen natürlichen Vorahnung jammert er über die Ängste und Mühen des vergänglichen Lebens, und die noch unerfahrene Seele bezeugt gleich zu Beginn durch ihr Klagen und Seufzen die Stürme der Welt, denen sie entgegengeht. Denn Schweiß kostet es, solange man hienieden S. 300 lebt und sich abmüht. Und während man so im Schweiße sich abmüht, kann einem kein anderer Trost besser zustatten kommen als der der Geduld; und wenn dieser auch für alle Menschen auf dieser Welt förderlich und notwendig ist, so ist er es doch noch mehr für uns, die wir von den Angriffen des Teufels noch mehr heimgesucht werden, die wir täglich im Felde stehen und durch das Ringen mit dem alten, wohlgeübten Feind ermüdet werden, die wir außer den mannigfaltigen und beständigen Kämpfen gegen Versuchungen auch noch in den Wirren der Verfolgung gezwungen werden, Haus und Hof zu verlassen, in das Gefängnis zu wandern, Ketten zu tragen, unser Leben zu opfern und den Tod durch das Schwert, durch wilde Tiere, durch Feuer oder am Kreuz, kurz Martern und Qualen aller Art zu erleiden mit dem Vertrauen und mit der Kraft der Geduld, wie der Herr selbst lehrt und sagt: „Dies habe ich zu euch geredet, damit ihr in mir Frieden habet, in der Welt aber [werdet ihr] Bedrängnis [haben]. Aber seid getrost, denn ich habe die Welt überwunden“2 . Wenn aber wir, die wir dem Teufel und der Welt entsagt haben, die Bedrängnisse und Anfechtungen des Teufels und der Welt besonders häufig und heftig zu erdulden haben, wieviel mehr müssen wir da an der Geduld festhalten, um mit ihrer Hilfe und mit ihrem Beistand alle Widerwärtigkeiten zu ertragen?
