19. Die Unzucht einiger weniger befleckt das ganze Volk
Aber nur wenige, wirst du sagen, bedeckten sich dadurch mit Schande; und was nicht von der Mehrzahl vollbracht wurde, konnte auch der Gesamtheit nicht S. 245 schaden. Ich habe aber schon oben gesagt, daß beim Volk Gottes sehr oft das Verbrechen auch nur eines einzigen Menschen vielen zum Verderben wurde. Zum Beispiel infolge des Diebstahls des Achar 1stürzte das Volk nieder; durch den Eifer Sauls brach die Pest aus, durch die Volkszählung des frommen David 2kam ein großes Sterben. Die Kirche Gottes gleicht nämlich einem Auge. Wenn auch nur ein kleines Schmutzteilchen in ein Auge fällt, verdunkelt es das ganze Licht; und wenn an dem Leib der Kirche auch nur wenige Schmutziges tun, verfinstern sie beinahe den ganzen leuchtenden Glanz der Kirche. Und so nannte der Heiland selbst den hauptsächlichsten Teil der Kirche ein Auge, indem er sagte; „Das Licht deines Körpers ist dein Auge. Ist dein Auge gesund, so wird auch dein ganzer Leib hell sein; ist aber dein Auge schadhaft, so wird auch dein ganzer Leib finster sein.„ 3Daher sagt auch der Apostel: „Wisset ihr nicht, daß ein wenig Sauerteig die ganze Masse verdirbt?“ 4Trotzdem möchte ich sagen, daß dieses Laster nicht im geringen Maße geherrscht hat, sondern maßlos, nicht weil die meisten weichlich waren, sondern weil die Weichlichkeit von wenigen die Schande der meisten ist. Denn mögen es auch wenige sein, die solche Schmach an sich geschehen lassen, so sind es doch viele, die durch den Schmutz der Wenigen befleckt werden. Wie nämlich eine Dirne viele zu Ehebrechern macht, so schändet der abscheuliche Verkehr weniger Verweichlichter fast den größten Teil des Volkes. Und ich weiß nicht, welche von ihnen vor Gott schlimmer sind, da sie in den heiligen Schriften zum gleichen Schicksal verdammt werden. "Denn weder Weichlinge„, heißt es, "noch Knabenschänder werden das Reich Gottes besitzen.“ 5Darüber muß man also noch mehr seufzen und trauern, daß ein solches Laster ein Verbrechen des ganzen Staates zu sein schien und die gesamte Würde des römischen Na- S. 246 mens mit dem Schmachzeichen eines furchtbaren Frevels gebrandmarkt wurde. Wenn nämlich Männer Frauenkleider anzogen und die Schritte noch kürzer machten wie Weiber; wenn sie sich gewisse Abzeichen einer greuelvollen Unzucht anhängten und mit Frauenschleiern und -binden das Haupt verhüllten, und das öffentlich in einer römischen Stadt, dort, in der bedeutendsten und berühmtesten Stadt: was anders war das als eine Schmach für das römische Reich, da es erlaubt war, mitten im Herzen des Staates ein so fluchwürdiges Verbrechen zu begehen? Ja, eine allmächtige Regierung, die dieses Riesenverbrechen verhindern könnte, bekennt sozusagen, daß es mit Notwendigkeit geschieht, wenn sie es mit Wissen zuläßt. Denn derjenige, in dessen Hand die Verhinderung liegt, befiehlt eine Tat, wenn er sie nicht verhindert.