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Œuvres Salvien de Marseille (405-451) Von der Weltregierung Gottes (BKV)
VII. Buch

23. Die Barbaren haben gesiegt, weil sie anderen sittlichen Grundsätzen huldigten als die Griechen und Römer

Ich weiß, daß manchen unerträglich scheint, was ich da rede. Aber wir müssen handeln, wie die Verhältnisse S. 253 es fordern, nicht wie unsere Willkür es haben möchte. Wer immer es sein mag, der sich über meine Ausführungen entrüstet, der wird mir wohl sagen: ist nicht immer Sokrates für den weisesten von allen gehalten worden, sogar nach dem Zeugnis des delphischen Gottes, 1der gewissermaßen der Fürst der Philosophen wie der Götter war? Laßt uns also sehen, welche Gesetze Sokrates über die Reinheit aufgestellt hat und welche jene, von denen wir sprechen. Keiner, sagt Sokrates, 2soll eine eigene Gattin haben; die Ehe muß allen gemeinsam sein. So wird nämlich die Eintracht der Städte wachsen, wenn alle Männer sich den Frauen ohne Unterschied beigesellen und wenn alle Frauen allen Männern ohne Unterschied sich hingeben und so alle Männer die Gatten aller Frauen werden und alle Frauen die Eheweiber aller Männer. Haben wir je einmal erfahren, daß ein Verrückter oder ein Besessener, einer, der von allem möglichen Wahnsinn befallen ist, so etwas gesagt hätte? Du, größter aller Philosophen, sagst, daß auf diese Weise alle Männer aller Frauen Gatten seien und alle Frauen aller Männer Gattinnen und alle Kinder die Nachkommen von allen! Und ich sage, daß so kein Mann auch nur einer Frau Gatte ist und keine Frau auch nur eines Mannes Eheweib und kein Kind der Sohn auch nur irgendwelchen Vaters. Denn, wo alles vermischt und durcheinander ist, kann niemand etwas als sein Eigentum in Anspruch nehmen. Und es genügte dem weisesten Philosophen - so nennen ihn wenigstens einige - nicht, das zu lehren; er führte es auch aus. Er hat näm- S. 254 lich seine Frau einem anderen Mann übergeben, wie auch der Römer Cato, der Sokrates Italiens. Das sind Beispiele von römischer und attischer Weisheit: soweit es an ihnen lag, machten sie alle Männer zu Kupplern ihrer Frauen. Aber dennoch gewann Sokrates den Sieg, der über diese Dinge Bücher verfaßte und solche Schamlosigkeiten der Nachwelt überlieferte. Daher hat er noch mehr Grund, sich seiner Lehren zu rühmen: was seine Weisheit angeht, machte er aus der Welt ein Hurenhaus. Man sagt, er sei ungerechterweise von seinen Richtern verurteilt worden; und das ist wahr; mit größerem Rechte hätte ihn das Menschengeschlecht verurteilt, weil er solches verkündigt hat, und zweifellos hat es ihn auch verurteilt. Denn indem in diesem Punkt alle seine Lehre verworfen haben, haben ihn alle nicht nur durch die Kraft eines Urteilsspruchs, sondern, was viel mehr ist, durch ihre Lebensführung verurteilt, und das mit Recht. Man vergleiche doch mit den Anordnungen des Sokrates die Gebote jener, denen Gott den Befehl gab, über Afrika zu herrschen! Jener setzte fest, daß fast niemand seine eigene Frau habe, diese, daß gar niemand eine besäße, die nicht die seine sei; jener wollte, daß jede Frau sich allen Männern hingeben sollte, diese, daß keine Frau einen anderen als ihren Mann kennen sollte; jener verlangte eine vermischte und verworrene Zeugung, diese eine reinlich geschiedene und geordnete; jener wollte, daß in allen Häusern gehurt werde, diese in keinem. Jener versuchte in allen Wohnungen Dirnenlager zu errichten, diese haben sie aus den Städten entfernt; jener wollte, daß alle Jungfrauen sich preisgäben, diese machten die Dirnen keusch. Und wenn das nur der Irrtum des Sokrates gewesen wäre, nicht auch der meisten, ja fast aller Römer! Diese eifern in anderen Punkten keineswegs dem Leben des Sokrates nach, folgen aber in diesem den Anordnungen des Sokrates; denn mehrere Männer haben sehr viele Weiber, und zahllose Weiber haben mehrere Männer. S. 255 Sind daher nicht alle Städte voll von Hurenwinkeln und stinken nach Bordellen? Ich sage: alle; sicher aber sind es gerade die vornehmsten und feinsten. So zeigt sich die Würde, ja sogar das Vorrecht 3in den großen Städten, daß sie den übrigen soweit an Unkeuschheit voranstehen, als sie sie an Größe übertreffen. Und was für eine Hoffnung, so frage ich, kann der römische Staat noch haben, wenn doch die Barbaren keuscher und reiner sind als die Römer? Es ist noch zu wenig, was wir sagen: welche Hoffnung auf Leben oder Verzeihung können wir bei Gott haben, wenn wir bei den Barbaren Keuschheit sehen und nicht in gleicher Weise keusch sind? Erröten wir doch und schämen wir uns! Schon bei den Goten ist niemand unkeusch als die Römer, bei den Vandalen nicht einmal mehr die Römer. So sehr drang bei ihnen der Eifer für die Keuschheit durch, so stark war die Strenge der Zucht. Nicht allein, daß sie selbst keusch sind, nein, ich muß eine ganz neue Tatsache anführen, eine unglaubliche, eine fast unerhörte Tatsache: sie haben sogar die Römer keusch gemacht! Wenn es die menschliche Schwachheit erlaubte, so wollte ich über meine Kräfte hinaus schreien, daß es im ganzen Reiche widerhallte: schämt euch überall, ihr römischen Völker, schämt euch eures Lebens! Beinahe keine Stadt ist frei von Hurenwinkeln, keine frei von Unlauterkeit außer jene, in die die Barbaren eingezogen sind. Und da wundern wir uns, wenn wir unglücklich sind, die wir so unkeusch sind! Wir wundern uns, wenn wir von den Feinden an Kräften besiegt werden, die wir uns an Ehrbarkeit übertreffen lassen! Wir wundern uns, wenn diejenigen unsere Güter besitzen, die unsere Laster verfluchen! Weder gibt ihnen die natürliche Kraft des Leibes den Sieg, noch ist unsere natürliche Schwäche schuld an unserer Niederlage. Niemand soll sich etwas S. 256 anderes einreden, niemand etwas anderes glauben. Unsere lasterhaften Sitten allein haben uns besiegt. 4 S. 257


  1. Salvian spielt hier auf das bekannte Orakel des delphischen Apollo an xxxxx xxxxx xxxxx ↩

  2. Platon Rep. V 2, 6-9. Salvian schreibt diese platonische Lehre dem Sokrates zu und geht darin noch weiter wie sein Vorbild Laktanz, der Div, inst. III 21 den Platon die Forderung der Frauen- und Kindergemeinschaft „docente Socrate„ erheben läßt. ↩

  3. Wir folgen bei dieser in der Überlieferung etwas verderbten Stelle dem Vorschlag von Pauly. ↩

  4. Selbst wenn wir annehmen, Salvian habe die Tugendhaftigkeit der Vandalen noch zu seiner Zeit ohne Übertreibung geschildert und gepriesen, so muß doch gesagt werden, daß diese Enthaltsamkeit von allen Sinnengenüssen nicht lange Bestand hatte. Spätere Schriftsteller, sogar schon jüngere Zeitgenossen Salvians, die sich mit den Vandalen beschäftigen, rühmen wenigstens die Keuschheit der Vandalen in keiner Weise, und Apollinaris Sidonius carm. V 330 sagt von Geiserich: spoliisque petitus immensis robur luxu iam perdidit omne. Der Historiker Prokop, Geheimschreiber Belisars, des Besiegers der Vandalen unter Justinian, sagt von ihnen sogar: "Die Vandalen sind das üppigste von allen Völkern, die wir kennen... In reichstem Schmuck, in seidenen Gewändern verbrachten sie den Tag in den Theatern, den Rennbahnen und bei anderen Lustbarkeiten... Tänzer, Gaukler und Mimen, Musik und was sonst Auge und Ohr erfreut, verwandten sie zu ihrer Ergötzung... Unablässig hielten sie Trinkgelage, und mit großer Leidenschaft ergaben sie sich den Werken der Aphrodite.“ (Prokop, De bello Vandatico II 6.) ↩

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