4. Paulus als Vorbild in der Nachfolge des Herrn
Aber vielleicht halten manche die Vorschriften der Apostel für hart. Schwer jedenfalls sind sie, wenn sie mehr Pflichten von anderen fordern, als ihre Urheber selber auf sich nehmen. Wenn aber die Apostel den andern viel weniger auferlegt haben als sich, so sind sie nicht nur nicht als Überstrenge Lehrer, sondern als sehr nachsichtige Eltern zu betrachten, weil sie die Lasten die sie aus nachsichtiger Liebe den Kindern vom Nacken nehmen, in frommem Eifer sich selbst auferlegen. Was sagt nämlich einer von ihnen zu den Gläubigen der Kirche? „Meine Kindlein, die ich abermals gebäre, bis Christus in euch ausgestaltet ist.„ 1 Und wiederum: ,Seid S. 93 meine Nachahmer, so wie auch ich Nachahmer Christi bin!“ 2 Er befiehlt uns, ihn nachzuahmen; er, der sich selbst auferlegt hatte, Christus nachzufolgen. Und es ist wohl keinem zweifelhaft, daß er selbst Christus nachgeahmt hat. Christus nämlich hat sich für uns der Welt hingegeben: und er selbst sich für Christus. Christus hat für uns Kummer und harte Drangsale erduldet: und das gleiche hat er für Christus getan, Christus hat für uns Schmach gelitten: und das gleiche tat er für Christus. Christus hat für uns Marter und Tod ertragen: und das gleiche hat er für Christus getan. Und nicht ohne Grund sagt er im Bewußtsein seiner Verdienste: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Glauben bewahrt; im übrigen ist mir die Krone der Gerechtigkeit hinterlegt.„ 3 Da nun Paulus Christus so nachgeahmt hat, laßt uns sehen, wer von uns als Nachahmer des Apostels erscheint! Denn er schreibt von sich zuerst, daß er niemand je Anstoß gegeben habe, sondern sich in allem als Diener Gottes benommen, in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Schlägen, in Kerkern, in Geißelungen. 4 Und an einer anderen Stelle vergleicht er sich mit anderen und sagt: „Wessen aber einer sich rühmt (ich rede in Torheit), dessen rühme auch ich mich. Sie sind Diener Christi (ich rede noch mehr wie ein Tor), ich noch mehr: durch Mühseligkeiten in großer Zahl, durch Kerker in Fülle, durch Mißhandlungen über die Maßen, durch Todesgefahren oftmals. Fünfmal bekam ich von den Juden vierzig Streiche weniger einen, dreimal wurde ich mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt, dreimal litt ich Schiffbruch.“ 5 Allerdings: obgleich wir von den übrigen Tugenden, die der Apostel nennt, keine geübt haben, können wir ihn freilich in dem einen Punkt übertreffen, wo er von seinem dreimaligen Schiffbruch spricht. Wir haben nämlich nicht bloß dreimal Schiffbruch erlitten: fast unser ganzes Leben ist ein Schiff- S. 94 bruch. Denn so lasterhaft ist das Leben aller geworden, daß es fast keinen Christen gibt, der nicht fortgesetzt Schiffbruch zu erleiden scheint.