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Bibliothek der Kirchenväter
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Werke Salvianus von Marseille (405-451) De gubernatione Dei Von der Weltregierung Gottes (BKV)
III. Buch

6. Die Christen der Gegenwart befolgen die Gebote der Nächstenliebe nicht

Lassen wir also das beiseite, was der heilige Paulus ertrug; ja, übergehen wir auch, was wir in den später über die Kirche verfaßten Büchern über die Leiden der Christen lesen, die zur Pforte der Himmelsburg auf den Stufen ihrer Leiden hinaufstiegen und sich sozusagen aus Folter und Hochgericht eine Leiter gemacht haben! S. 95 Laßt uns sehen, ob wir wenigstens in jenen geringeren und allgemein bindenden Pflichten religiöser Hingebung den Geboten des Herrn zu entsprechen versuchen, die wir als Christen in voller Ruhe und zu jeder Zeit erfüllen können! Christus befiehlt, nicht zu streiten. Wer gehorcht diesem Befehl? Er befiehlt nicht nur schlechthin, sondern sein Befehl ist so eindringlich, daß er sogar von uns verlangt, den Gegenstand des Streites aufzugeben, wenn wir uns nur vom Streit befreien. "Wenn einer„, sagt er, „vor Gericht mit dir streiten und deinen Rock nehmen will, so überlaß ihm auch den Mantel.“ 1 Wo sind die, so frage ich, die ihren räuberischen Gegnern nachgeben? Ja, wo sind die, die nicht versuchen, ihre Gegner zu berauben? So weit sind wir davon entfernt, mit dem Rock auch noch etwas anderes aufzugeben, daß wir, wenn nur irgend möglich, den Gegnern Mantel und Rock wegnehmen. So voller Demut gehorchen wir nämlich den Geboten Gottes, daß es uns nicht genügt, unsern Gegnern auch nicht das kleinste Kleidungsstück zu überlassen: nein, wir möchten vielmehr, soviel an uns liegt, und wenn es die Verhältnisse gestatten, ihnen alles entreißen. Diesem Gebot schließt sich aber ein gleiches, ganz ähnliches an; der Herr sagt nämlich: „Wenn jemand dich auf die rechte Wange schlägt, biete ihm auch die andere dar!„ 2 Wie viele, glaubt ihr, gibt es, die dieser Rede in Bescheidenheit Gehör schenken, oder die, wenn sie sich den Anschein geben, als gehorchten sie ihr, im Geist damit einverstanden sind? Und wie wenige gibt es, die, wenn sie einen Schlag erhalten haben, nicht viele für den einen zurückgeben? Soweit sind sie davon entfernt, dem Zuschlagenden die andere Wange zu bieten, daß sie sich nur dann als Sieger betrachten, wenn sie den Gegner nicht im Empfangen, sondern im Verabreichen von Schlägen übertroffen haben. „Alles, was ihr wollt“, sagt der Heiland, „daß euch die Menschen tun, das sollt ihr ihnen auch tun.„ 3 Den einen Teil des S. 96 Satzes kennen wir so gut, daß wir ihn nie außer acht lassen; über den anderen Teil aber gehen wir so hinweg, als wenn wir ihn gar nicht kannten. Denn was wir von anderen für uns getan haben wollen, wissen wir sehr gut; was wir selbst andern tun sollen, wissen wir nicht. O daß wir es doch wirklich nicht wüßten! Die Schuld unserer Unwissenheit wäre geringer nach jenem Ausspruch: „Wer den Willen des Herrn nicht kennt, wird mit wenigem bestraft; wer ihn aber kennt und nicht tut, mit vielem,“ 4 So aber ist die Beleidigung um so größer, weil wir einen Teil des heiligen Ausspruches zu unserem Nutzen und Vorteil ganz gern anerkennen, den anderen dagegen zur Beleidigung Gottes mißachten. Dieses Wort hat der heilige Apostel Paulus in der Ausübung seines Predigeramtes noch stärker ausgebaut: „Niemand suche das Seine, sondern das des Nächsten!„ 5 Und wiederum: „Indem jeder nicht das Seine im Auge hat, sondern das des andern.“ 6 Du siehst, wie treu er das Gebot Christi befolgte: denn wenn der Heiland uns gebietet, für die anderen ebenso zu sorgen wie für uns selbst, so befiehlt uns jener mehr auf den Vorteil der andern als auf den eigenen bedacht zu sein, Paulus, ein guter Diener eines guten Herrn und ein vortrefflicher Nachahmer eines einzigartigen Lehrers, der, in den Fußtapfen seines Herrn wandelnd, durch den Tritt seiner Füße die Spuren des Herrn sichtbarer und ausgeprägter gemacht hat. Was tun wir Christen nun von dem, was Christus oder der Apostel befiehlt? Ich glaube, weder das eine noch das andere. Denn soweit sind wir davon entfernt, unter Hintansetzung unseres Vorteils für den des Nächsten zu sorgen, daß wir alle lieber zum Nachteil der anderen auf den eigenen Nutzen bedacht sind. S. 97


  1. 1 Matth. 5, 40. ↩

  2. 2 Ebd. 5, 39. ↩

  3. Ebd. 7, 12. ↩

  4. Luk. 12, 47. ↩

  5. 1 Kor. 10, 24. ↩

  6. Phil. 2, 4. ↩

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Übersetzungen dieses Werks
Von der Weltregierung Gottes (BKV)

Inhaltsangabe

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