• Start
  • Werke
  • Einführung Anleitung Mitarbeit Sponsoren / Mitarbeiter Copyrights Kontakt Impressum
Bibliothek der Kirchenväter
Suche
DE EN FR
Werke Salvianus von Marseille (405-451) De gubernatione Dei Von der Weltregierung Gottes (BKV)
IV. Buch

3. Die Herren sind so lasterhaft wie die Sklaven

Aber, sagt einer von den Reichen, wir tun nicht dasselbe, wir tun wirklich nicht dasselbe wie die Sklaven. Aus dem Sklavenvolk nämlich sind die Diebe und Flüchtlinge, aus dem Sklavenvolk die, die dem Gaumen und dem Bauch dienen. Es ist wahr, das sind Sklavenlaster. Aber zahlreicher und größer sind die der Herren, wenn auch nicht aller. Einige nämlich machen eine Ausnahme, aber nur sehr wenige. Diese nenne ich deshalb nicht, daß es nicht den Anschein hat, als lobte ich sie dadurch und als stellte ich die anderen dadurch an den Pranger, daß ich sie nicht nenne. Zunächst nun; wenn Sklaven Diebe sind, so werden sie vielleicht durch Armut zum Stehlen gezwungen; denn wenn auch der gewöhnliche Lohn bezahlt wird, so entspricht dieser doch nur mehr der Gewohnheit als dem wirklichen Bedürfnis. Er entspricht zwar der Regel, wird aber dem tatsächlich Notwendigen nicht gerecht. So macht der Mangel sogar die Schuld weniger schuldbar, weil der Dieb zu entschuldigen ist, der gegen seinen Willen zum Stehlen gezwungen erscheint. Auch die Heilige Schrift scheint in gewisser Hinsicht halb und halb die Vergehen aller Armen zu entschuldigen, indem sie sagt: „Nicht groß ist die Schuld, wenn einer stiehlt; denn er stiehlt, um die hungernde Seele zu sättigen." 1Er stiehlt, um seine Seele zu sättigen. Und deshalb dürfen von uns die nicht so sehr beschuldigt werden, die von der Heiligen Schrift entschuldigt werden. Was wir aber S. 116 von den Diebstählen der Sklaven sagen, das gilt auch von der Flucht. Von der Flucht sogar noch mehr, weil die Sklaven zur Flucht nicht nur durch Notlage, sondern auch durch Mißhandlung getrieben werden. Sie fürchten die Aufseher; sie fürchten die Silentiarier, die Verwalter. 2 Und zwar so, daß sie bei all diesen Peinigern niemandem weniger als Sklaven angehören als ihren Herren. Von allen werden sie geschlagen, von allen gequält. Was läßt sich noch weiter sagen? Viele Sklaven flüchten zu ihren Herren, so fürchten sie ihre Mitsklaven. Daher dürfen wir die Flucht dieser Leute nicht so sehr ihnen, den Flüchtlingen, anrechnen, als denen, die sie zur Flucht zwingen. Die Unglückseligen erleiden Gewalt: sie wollen dienen und werden zur Flucht gezwungen. Sie wollen keineswegs den Dienst ihrer Herren verlassen, aber die Grausamkeit ihrer Mitsklaven läßt sie nicht dienen. Man sagt auch, sie seien lügnerisch; zur Lüge werden sie ebensosehr durch die Härte der stets gegenwärtigen Strafe gedrängt; wenn sie sich vor Qualen bewahren wollen, lügen sie. Was gibt es da zu wundern, wenn ein Sklave in der Furcht lieber lügt, als sich geißeln läßt? Man beschuldigt sie auch der Schlemmerei und Gefräßigkeit: auch das ist nichts Neues; wer S. 117 oft Hunger gelitten hat, sehnt sich mehr nach Sättigung. Doch zugegeben: er mag wohl keinen Hunger nach Brot haben, Hunger nach Genüssen hat er sicher; und deshalb muß man ihm verzeihen, wenn er mit größerer Gier das verlangt, was ihm beständig abgeht. Doch du Adeliger, du Reicher, der du alle Güter im Überfluß hast, der du gerade deswegen durch gute Werke Gott mehr ehren solltest, weil du seine Wohltaten ohne Unterlaß genießest, wir wollen sehen, ob du, ich sage nicht, heilige, ob du auch nur schuldlose Taten aufzuweisen hast. Wer von den Reichen ist, wie ich oben sagte, mit Ausnahme von wenigen, nicht mit allen Verbrechen belastet? Und wenn ich wenige ausnehme: könnte ich doch mehr, könnte ich alle ausnehmen! Die Unschuld der meisten wäre Heil für alle. Und ich spreche jetzt von keiner bestimmten Person, nur von jener, welche die Schuld, von der ich spreche, in sich fühlt. Wer sich im Gewissen dessen nicht schuldig weiß, was ich sage, braucht nichts von dem, was ich sage, als Tadel für seine Ungerechtigkeit aufzufassen. Findet er aber, daß die genannten Fehler in ihm wohnen, möge er denken, nicht mein Mund spreche so zu ihm, sondern sein Gewissen. Um nun zunächst von den Lastern der Sklaven zu sprechen: Ist der Sklave ein Flüchtling, so bist auch du einer, du Reicher und Vornehmer. Denn alle fliehen ihren Herrn, die das Gesetz des Herrn verlassen. Was beschuldigst du, Reicher, den Sklaven? Du tust das gleiche wie er. Jener läuft seinem Herrn davon, du dem deinen. Aber du bist deswegen schuldbarer als jener, weil er vielleicht einem schlechten Herrn entläuft, du einem guten. Du beschuldigst den Sklaven der mangelnden Enthaltsamkeit im Essen: bei ihm kommt das selten vor wegen des Mangels, bei dir täglich wegen des Überflusses, Du siehst also, daß die Worte des Apostels dich besonders treffen, ja sogar dich allein, denn worin du einen andern richtest, verurteilst du dich selbst. Du tust ja dasselbe, was du verurteilst; 3 S. 118 ja nicht einmal nur dasselbe, sondern noch viel Größeres und Schlechteres. Bei jenem bestrafst du eine nur selten vorkommende Unmäßigkeit im Essen, du dehnst beständig durch Völlerei deinen Wanst aus. Auch Diebstahl ist deiner Meinung nach ein Sklavenlaster. Aber auch du, Reicher, begehst einen Diebstahl, wenn du beanspruchst, was Gott verboten hat; denn alle begehen Diebstahl, die Unerlaubtes verüben.


  1. Sprichw. 6, 30. ↩

  2. Lat.-. actores, silentiani, procuratores. Die Oberaufsicht über die Sklaven auf den Landgütern hatte der vilicus, auch actor genannt. Auf größeren Landgütern sind ihre Funktionen geteilt, der a. hat das Rechnungswesen unter sich, kann aber auch Geschäftsführer im Stadthaushalt des reichen Römers sein. Der procurator, der den Herrn in der Verwaltung des Vermögens und bei allen Geschäften vertritt, die der Herr nicht selber leiten kann oder will, ist dem a. übergeordnet. Vgl übrigens Gal 4, 1. 2, wo die Vulgata sub tutoribus et actoribus = xxxxx hat; dagegen die Itala sub curatores et actores. Pseudo-Cyprian. Adv. aleat. III 4 zitiert sub procuratores et actores. Die silentiarii sind Sklaven, die ursprünglich für die Ruhe in der Dienerschaft zu sorgen haben. Aber allmählich bildet sich das Amt des s. am Kaiserhof zu einem Hofamt aus, dessen Träger im Rang immer höher steigen und auch mit immer größeren Privilegien ausgestattet werden. ↩

  3. Röm. 2, 1. ↩

pattern
  Drucken   Fehler melden
  • Text anzeigen
  • Bibliographische Angabe
  • Scans dieser Version
Download
  • docxDOCX (194.00 kB)
  • epubEPUB (185.28 kB)
  • pdfPDF (628.49 kB)
  • rtfRTF (518.07 kB)
Übersetzungen dieses Werks
Von der Weltregierung Gottes (BKV)

Inhaltsangabe

Theologische Fakultät, Patristik und Geschichte der alten Kirche
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Impressum
Datenschutzerklärung