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Bibliothek der Kirchenväter
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Works Salvian (405-451) Von der Weltregierung Gottes (BKV)
V. Buch

4. Bei den Römern herrschen größere Laster als bei den Goten und Vandalen, z.B. die Proskriptionen gegen die Armen

Was daher den Lebenswandel der Goten und Vandalen anlangt: in welchen Punkten können wir uns ihnen voranstellen oder auch nur uns mit ihnen vergleichen? Um zuerst von der gegenseitigen Liebe und Zuneigung zu sprechen, die der Herr als die vorzüglichste Tugend lehrt und die nicht nur die Heilige Schrift, sondern auch Christus persönlich empfiehlt, indem er sagt: „Daran soll man erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebet" 1-: fast alle Barbaren, wenn sie nur ein Volk unter einem König sind, lieben einander; fast alle Römer verfolgen einander. Welcher Bürger beneidet nämlich nicht seinen Mitbürger? Wer erweist dem Nachbarn volle Nächstenliebe? Alle nämlich sind, wenn auch nicht örtlich, so doch durch ihre Abneigung getrennt; wenn auch die Wohnung sie eint, durch die Gesinnung sind sie weit voneinander entfernt. Und wenn es nur - mag auch das schon ein ganz arges Übel sein - wenn es nur Mitbürger und Nachbarn wären! Noch schwerer wiegt es, daß nicht einmal Verwandte die Rechte der Verwandtschaft anerkennen wollen. Wer macht sich zum Nächsten seiner nächsten Angehörigen? Wer zollt der Liebe, was er nach seiner eigenen Erkenntnis wenigstens dem Namen schuldig ist? Wer ist das im Geiste, was er dem Namen nach ist? Wer fühlt sich im Herzen so verwandt wie dem Blute nach? In wem flackert nicht die fahle Flamme böser Eifersucht? Wessen Sinn beschleicht nicht der Neid? Wem ist nicht das Wohlergehen des Nächsten eine Qual? Wer hält nicht das Glück des andern für sein eigenes Un- S. 157 glück? Wer ist so zufrieden mit seinem eigenen Glück, daß er auch das des anderen wünscht? Ein neues, schier unbeschreibliches Laster haftet jetzt den meisten an; es ist ihnen zu wenig, wenn sie selbst glücklich sind; es muß auch der Nächste unglücklich sein! Und dieses Laster, so wild, so ganz aus dieser Gottlosigkeit kommend, so fremd den Barbaren, so vertraut den Römern, besteht darin, daß man sich gegenseitig austreibt und proskribiert; nein, nicht gegenseitig, das wäre ja fast noch erträglicher, wenn jeder das erduldete, was er selbst verübt hat; noch schwerwiegender ist es, daß die meisten von ganz wenigen proskribiert werden, für die die öffentlichen Ausweisungen eine besondere Beute ergeben, die die Schuldforderungen der Staatskasse in einen Gewinn ihrer Privatkasse verwandeln. Und das tun nicht nur die Höchsten, sondern auch die Niedrigsten, nicht nur die Richter, sondern auch die Untergebenen der Richter. Denn wie viele große Städte, ja sogar Landstädte und Dörfer gibt es noch, wo nicht ebenso viele Tyrannen leben wie Beamte? Aber vielleicht sind sie noch stolz auf diesen Titel, weil er Macht und Ehre bedeutet. Denn auch die Räuber freuen sich fast alle und prahlen, wenn ihr Ruf noch furchtbarer ist als sie selber. Was gibt es noch für einen Ort, wo nicht von den Leitern der Gemeinde das letzte Hab und Gut der Witwen und Waisen verschlungen wird und mit diesem das fast aller Gottgeweihten? Denn auch diese sind für sie wie Witwen und Waisen, weil sie im Eifer ihres Bekenntnisses sich nicht verteidigen wollen oder aus Unschuld und Demut es nicht können. Niemand von diesen ist sicher und überhaupt niemand, außer die Höchststehenden, bleibt verschont von Verwüstung, Raub und Plünderung, außer die, die selbst wie die Räuber sind. Zu einem solchen Zustand, 2nein, zu einem solchen Ver- S. 158 brechen ist es allenthalben gekommen, daß keiner heil bleiben kann, wenn er nicht selber schlecht ist.


  1. Joh. 13:35 ↩

  2. Die Stelle ist in der Überlieferung nicht klar. Unsere Übersetzung richtet sich nach der von Halm hergestellten und von Pauly übernommenen Lesart. ↩

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Von der Weltregierung Gottes (BKV)

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