12. Gott ist es, der die weit gewanderten Vandalen zu VolIziehern seines Gerichtes macht
Wir werden also auch in einem gegenwärtigen Gericht von Gott gerichtet, und deshalb ist ein ganz feiges Volk zu unserer Schmach und zu unserem Verderben erweckt worden. Es zieht von Ort zu Ort, wandert von Stadt zu Stadt und verwüstet alles. Zuerst hat es sich von seinem S. 232 Heimatland über das nahe gelegene Germanien ergossen, das dem Namen nach barbarisch, der Herrschaft nach römisch war. Nachdem diese als erste das Verderben erreicht hatte, stand das Land der Belgier in Flammen, dann der Reichtum der verschwenderischen Aquitanier und dann das ganze Binnenland von Gallien; aber dieses ging nur ganz allmählich in Flammen auf, damit der eine Teil durch das warnende Beispiel sich bessere, während der andere vom Verderben getroffen wurde. Aber wo findet sich bei uns eine Besserung, oder welcher Teil des Römerreiches bekehrt sich, mag er auch bedrängt sein? „Alle", wie wir lesen, „wichen ab, alle sind zugleich unnütz geworden," 1Und deshalb ruft der Prophet zum Herrn und spricht: „Du hast sie geschlagen, aber es hat sie nicht geschmerzt; du hast sie zermalmt, aber sie wollten keine Zucht annehmen. Sie haben ihre Stirnen härter gemacht als Fels und wollten sich nicht bekehren." 2Wie genau das auch für uns zutrifft, lehren die Tatsachen. Lange Zeit hindurch wurde Gallien verwüstet; also ist das benachbarte Spanien gebessert worden? Nein, ganz verdientermaßen - sie kannten weder Furcht noch Besserung - fingen die Spanier Feuer an dem Brand, der die Gallier verzehrt hatte. Dabei aber ist das, wie ich oben gesagt habe, das Frevelhafteste und Schlimmste, daß, um mich so auszudrücken, zwar die Glieder der Sünder brannten, ihre Laster aber nicht geheilt wurden. Und deshalb wurde Gott durch unsere Vergehen gezwungen, die Heimsuchungen des feindlichen Überfalls von Ort zu Ort, von Stadt zu Stadt auszudehnen, und die Volksstämme, die fast von den äußersten Grenzen der Erde aufgebrochen waren, auch über das Meer zu schicken, um die Verbrechen der Afrikaner zu bestrafen. Konnten sie denn nicht, von ihrer Heimaterde weggeführt, innerhalb der gallischen Grenzen bleiben? Oder wen fürchteten sie, so daß sie nicht blieben, da sie doch von uns unangetastet bis zu jener Zeit alles S. 233 verwüstet hatten? 3Aber zugegeben: in Gallien hatten sie Furcht. Aber wie war es in Spanien, wo sie sogar unsere Heere im Kampf zermalmt hatten? Fürchteten sie da, sich niederzulassen und zu bleiben, da sie schon Sieger waren, da sie schon triumphierten? Glückte es ihnen doch zu solchem Stolz auf ihre Tapferkeit emporzusteigen, daß sie nach den Erfahrungen des lange vorbereiteten Krieges erkennen konnten, daß ihnen die Streitkräfte des römischen Volkes auch mit barbarischen Hilfstruppen nicht gewachsen sein konnten.
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Ps. 13, 3; 52, 4 ↩
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Jer. 5, 3. ↩
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Die Vandalen hatten in Gallien alles verwüstet, ohne von den Römern irgendwie daran gehindert worden zu sein; trotzdem zogen sie plötzlich ab. Dieser schnelle, unbegründete Rückzug veranlaßt wohl Salvian dazu, sie feig zu nennen, was uns zunächst seltsam anmutet (vgl. Schäfer a.a.O. S. 91 f.). ↩