3. Wer nur an seine Erben denkt, schadet sich selbst
Du ganz unglücklicher Mensch, warum bist du so besorgt? Warum regst du dich so auf? Warum willst du der Schöpfer von Gütern werden, die ja doch dem Verderben geweiht sind? Fürchtest du denn, es könnte an Leuten fehlen, die nach deinem Tode aufzehren, was du hinterlassest? Ich rate dir, dich hierüber ja nicht zu S. 328 ängstigen. O fiele es dir nur so leicht, selig zu werden, wie es sicher ist, daß all das Deine zugrunde gehen wird! Welch eine Glaubensarmut, welch eine Torheit! Ist es doch sogar ein Satz im Volksmund; jeder wünscht sich selbst etwas Besseres als einem anderen. 1So ist es etwas ganz ungeheuerlich Neues, wenn jemand für irgendeinen anderen sorgen möchte, nur nicht für sich. Sieh, du ganz erbärmlicher Mensch, du stehst im Begriff, zur göttlichen Prüfung hinzugehen, zu jenem furchtbaren, niederschmetternden Gericht, wo der heimatlosen, verängstigten Seele kein Trost erstehen kann außer ganz allein ein gutes Gewissen, außer ein unschuldiges Leben oder - was einem guten Leben ganz nahe kommt - außer die Barmherzigkeit - wo der schuldbeladene Mensch keine Stütze finden kann außer in seiner mildtätigen Gesinnung, in einer fruchtbringenden Reue, in reichlichem Allmosengeben - wo du endlich je nach dem verschiedenen Wert deiner Verdienste entweder ewigen Lohn oder endlose Qual erlangen wirst. Und da machst du dir noch Gedanken, ob du weiß Gott welchen Erben bereichern sollst! Du machst dir Kummer über die Habe deiner Verwandten und Verschwägerten, wen du wohl am besten durch dein Vatergut noch bereichern kannst, wem du all den bunten Kram und Zierat zuschreiben sollst, wessen Truhen du mit deinen Besitztümern füllen sollst, wem du die größere Zahl der Sklaven hinterlassen sollst! Du armseligster aller Menschen, du denkst zwar daran, wie gut andere nach dir leben können, denkst aber nicht, wie schlecht du selbst stirbst! Sag mir doch, du armer und treuloser Christ: wenn du dein Gut unter viele verteilst, wenn du viele mit deinem Vermögen reich machst, warum sorgst du für dich allein so schlecht, daß du dir nicht einmal selbst unter all den Fremden den Platz eines Erben sicherst? Sieh, bald wirst du aus diesem Leben wandern, und schon wartet auf dich das Urteil des gött- S. 329 lichen Richterstuhls; es warten auf dich die Teufel mit ihren Foltern, die schrecklichen Henkersknechte der ewigen Qualen - und du wälzest nur die künftigen Vergnügungen der nach dir kommenden weltlichen Erben im Sinn! Du quälst deinen Verstand mit dem Wohlleben der anderen; etwa wie gut es deinem Erben geht, wenn er dereinst von deinem Hab und Gut zehrt, mit welchen Vorräten er seinen Bauch füllt, wie er seinen ohnehin schon satten Magen noch bis zum Erbrechen vollstopft! Du ganz Unglückseliger, was frommen dir denn solche Trauerlieder? Was frommen dir solche Tollheiten? Was nützt dir dieser törichte Irrtum, was diese nichtswürdige Verworfenheit? Kann es dir beim hochpeinlichen Gericht zu Hilfe kommen, wenn der Erbe, der deine Habe verpraßt, nach Bad und Frühstück behaglich rülpsen kann?
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Terentius, Andria II 5, 16: Omnis sibi malle melius esse quam alteri. ↩