23. In wie fern es uns nützlich sei, das Gebiet der Sünden zu besitzen.
Daß uns aber befohlen wird, das Gebiet dieser ver- S. a438 derblichen Völker zu unserm Heile zu besitzen, ist so zu verstehen: Es hat jedes Laster in unserm Herzen eine eigene Stätte, die es sich wahrt und so Israel aus unserer Seelenwohnung hinausdrängt, d. i. die Betrachtung der höchsten und heiligen Dinge, denen zu widerstreiten es nicht abläßt. Denn es können nicht die Tugenden mit den Sünden zugleich wohnen. Oder was hat die Gerechtigkeit mit der Bosheit zu schaffen, oder welche Gemeinschaft ist dem Lichte mit der Finsterniß? Wenn aber die Laster von dem Volke Israel, d. i. von den mit ihnen streitenden Tugenden überwunden sind. So wird den Platz, den in unserm Herzen der Geist der Begierlichkeit oder der Unzucht für sich einnahm, in Zukunft die Keuschheit behaupten; den die Heftigkeit weggenommen hatte, wird die Geduld beanspruchen; den die Traurigkeit, welche den Tod wirkt, einnahm, wird die heilsame und freudevolle Traurigkeit besehen; den der Hochmuth niederstampfte, wird die Demuth ehren; und so werden nach Austreibung der einzelnen Sünden die entgegengesetzten Tugenden deren Plätze, d. i. deren Neigungen, inne haben. Diese werden nicht mit Unrecht Söhne Israels, d. i. gottschauende Seelen genannt; wenn sie nun alle Leidenschaften der Seele ausgetrieben haben, so muß man nicht glauben, daß sie in fremden Besitz eingedrungen seien, sondern daß sie den eigenen wieder errungen haben.