1. Veranlassung zu dieser Unterredung.
In der Gegend Palästina’s bei dem Dorfe Thakue, welches den Propheten Amos hervorbringen durfte, ist eine gar öde Wüste bis Arabien und zum todten Meere, in welches eingemündet die Gewässer des Jordan aufhören und die Asche Sodomas in weiter Ausdehnung sich darbietet. Hier nun weilten Mönche von der höchsten Lebensweise und Heiligkeit sehr lange, wurden aber plötzlich von umherstreifenden saracenischen Räubern getödtet. Wir wußten nun wohl, daß ihre Leichname sowohl von den Bischöfen jener Gegend als auch von dem ganzen arabischen Volke mit solcher Verehrung weggenommen und bei den Reliquien der Martyrer beigesetzt worden waren, daß zahlreiches Volk aus zwei Städten in seinen Ansprüchen zusammentraf und sich zum schwersten Streit herausforderte, so daß ihre Eifersucht um den heiligen Raub bis zum Schwerterkampf kam, da sie in hoher Verehrung darum stritten, wer mit mehr Recht das Grab und die Reliquien derselben besitze; die einen rühmten sich nemlich der Nachbarschaft ihres Wohn- S. a444 ortes, die andern der Nähe ihrer Geburtsstätte. Wir aber nahmen sowohl selbst Anstoß an dieser Sache, als auch sahen wir, daß es einigen der Brüder kein geringes Ärgerniß war, und so forschten wir nun, warum doch Männer von solchem Verdienst und solchen Tugenden so von Räubern ermordet worden seien, und warum es Gott zugelassen habe, daß ein solches Verbrechen gegen seine Diener begangen werde, und warum er Männer, die Allen wunderbar waren, den Händen der Gottlosen preisgegeben habe? Traurig gingen wir zu dem heiligen 1 Theodorus, einem im thätigen Leben ausgezeichneten Mann. Dieser nun wohnte in Celle, 2 welcher Ort zwischen Nitria und Scythis gelegen ist und zwar fünf Meilen von den Klöstern Nitrias entfernt, von der scythischen Wüste aber, in welcher wir weilten, durch eine dazwischen liegende Wüste von achtzig Meilen getrennt ist. Vor diesem also goßen wir unsere Klage über die Ermordung der vorgenannten Männer aus, voll Bewunderung über die so große Langmuth Gottes, in der er gestatte, daß Männer von solchem Werthe so getödtet werden, und daß sie, welche durch die Macht ihrer Heiligkeit selbst Andere vor solcher Prüfung hätten befreien müssen, nicht einmal sich selbst den Händen der Gottlosen entreissen konnten. Warum habe nun Gott gestattet, daß gegen seine Diener ein solches Verbrechen begangen werde?
